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Trauriger Rekord: Die Schweiz belegt Platz 1 in Europa beim Thema Mobbing

Nirgendwo in Europa berichten so viele Schüler von Mobbingerfahrungen wie in der Schweiz. Für Anti-Mobbing-Coach Laura Ackermann ist das ein wichtiger Grund, sich weiterhin  zu engagieren – auch im Namen der Schülerin Céline, die sich aufgrund von Mobbing das Leben genommen hat. 

Traurig: Die Schweiz ist Spitzenreiter beim Mobbing in Europa.
Es zerbricht unserer Anti-Mobbing-Expertin immer wieder das Herz: Die Schülerin Céline hat sich das Leben genommen, weil sie gemobbt wurde. Foto: Kelly Sikkema, Unsplash

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Dezember dieses Jahres wäre die Schülerin Céline 16 Jahre alt geworden. Doch sie hat sich aufgrund von Mobbing im Alter von 13 Jahren das Leben genommen.
  • Anti-Mobbing-Coach Laura Ackermann erinnert in einem persönlichen Brief an Célines Geschichte.
  • Eine aktuelle Studie zeigt, dass Schweizer Schülerinnen und Schüler europaweit am häufigsten von Mobbing berichten. Laura Ackermann gibt Eltern Rat.

Liebste Céline

Am 7.12.2019 führte uns unser Weg wieder an dein Grab. In dieser Woche wärst du 16 Jahre alt geworden. Man kann nur erahnen wie aus dem süssen Lockenschopf, der du warst, eine strahlend schöne junge Frau geworden wäre. Es ist bereits dein dritter Geburtstag, den du nicht mehr mit deinen Liebsten feiern kannst. Und trotzdem waren auch zweieinhalb Jahre nach deinem tragischen Tod wieder über 60 Menschen versammelt. Trotz wolkenverhangenem Himmel, einzelner Regentropfen und Kälte waren alle wieder anwesend. Es haut mich jedes Mal wieder um! Du hattest so viele Freunde, Familie und Menschen um dich herum, die dich von Herzen liebten.

Umso mehr war mir wieder bewusst, wie unfassbar verzweifelt du gewesen sein musstest, um deinem Leben ein Ende zu setzen. Wie viel Schmerz hast du nur in dir getragen? Was haben sie dir bloss angetan? Dass du mit nur 13 Jahren eine solche Verzweiflung erleben musstest, macht mich unendlich traurig.

Es waren wieder Momente bei deiner Grabweihe dabei, die ich kaum ertragen konnte. Deine Mama weinen zu sehen, zerbricht mich immer wieder in Stücke. Ich konnte sie kaum ansehen mit ihren vielen Tränen. Mein Herz hat geblutet. Gerade als Mama willst du dir nicht mal vorstellen, wie es wäre, dein Liebstes zu verlieren. Ich weiss nicht, wie man nach einem solchen Verlust überhaupt weiter machen kann.

Auch wenn es wieder sehr schmerzhafte Momente gab, war es wiederum wunderbar, so an dich zu denken und diese ganze Liebe zu spüren. Es war ein Abend in deinem Namen und wir haben jede Sekunde zusammen genossen. Ich bin stolz, dass ich in solchen Momenten an der Seite deiner Familie und Freunde sein darf.

Nun ist es an uns den Weg weiterzugehen, um weitere Kinder vor deinem Schicksal zu beschützen. Wir werden weiterkämpfen und nicht wegsehen. Wir werden die Menschen zwingen hinzusehen, aufzustehen und die Gefahr endlich ernst zu nehmen.

Ich für meinen Teil werde weiter in deinem Namen für alle Opfer kämpfen und die Missstände aufdecken!

Schweiz: Platz 1 beim Thema Mobbing

In Célines Geburtstagswoche haben sich die Zeitungsberichte überschlagen. Die Schweiz steht an der Mobbing-Spitze von Europa. Ein wahrlich schlechtes Zeugnis für uns, aber für mich wenig überraschend. Céline ist auch bei weitem nicht das einzige Kind aus der Schweiz, welches sich das Leben nimmt. Es sind bis zu 100 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren jährlich, die den Freitod wählen. Das sind 200 Elternpaare, die ihr Kind zu Grabe tragen müssen. 200 Mütter und Väter, die zu Hause ein leeres Kinderzimmer vorfinden und hoffen, bald aus diesem Alptraum aufzuwachen.

Mobbing ist allgegenwärtig und an jeder Schule in der Schweiz vertreten. Einige wenige Schulen gehen hart gegen Mobbing vor. Ein vorbildliches Verhalten, aber leider viel zu selten. Mobbing ist nur da möglich, wo es geduldet wird. Anstatt dazu zu stehen, dass man ein Problem an der Schule hat, wird immer noch oft behauptet, kein Mobbing zu beobachten. Eine wahnsinnig gefährliche Einstellung! Durch ignorieren lösen wir keine Probleme. Durch Ignoranz fördern wir Mobbing! Mit dieser Einstellung wird die Anzahl von Kindersuiziden in den nächsten Jahren dramatisch steigen!

Auch unsere nicht vorhandenen Gesetze gegen Mobbing und Cybermobbing lassen die Täter über die Strafen nur müde lächeln. Célines Täter kamen mit wenigen Sozialstunden davon – wegen versuchter Bedrohung und Nötigung. Absolut lächerlich, wenn man die Chatverläufe liest und sieht, was diese beiden Céline angetan haben! Deswegen, und um auf die Gesetzeslücke aufmerksam zu machen, ziehen die Eltern das Urteil weiter. Am 26. Februar 2020 wird der Fall vor dem Jugendgericht in Dietikon verhandelt.

Célines Fall zeigt wieder auf, dass es einfach jeden treffen kann. Nur weil du viele Freunde und eine grossartige Familie hast, heisst es nicht, dass du sicher vor Mobbing bist.

Liebe Eltern, hören Sie auf Ihr Gefühl! Wenn Ihr Bauchgefühl sagt, da stimmt was nicht, dann stimmt da was nicht! Warten Sie nicht, bis die Situation eskaliert! Holen Sie sich Hilfe!

Sie alle dürfen sich jederzeit bei mir melden! Ich nehmen mir gerne Zeit und höre Ihnen zu. Ich nehme Ihre Sorgen sehr ernst und versuche für jeden die beste Lösung zu finden. Es gibt immer einen Ausweg, egal wie dunkel der Weg auch scheint!

Zusammen sind wir stark!

BE NICE – SEI NETT

Gewidmet an dieses Mädchen, welches keinen Ausweg mehr sah.

Das ist meine Herzensangelegenheit und deshalb ist es mir eine Ehre für Sie alle schreiben zu dürfen.

Die Zeiten in denen Mobbing zu Tode geschwiegen wird, sind vorbei.

Es braucht klare und offene Worte.

Ich spreche für die, die sich am wenigsten wehren können.

Unsere Kinder!

Ich kämpfe:

Für mehr Toleranz und weniger Diskriminierung!

Für mehr Verständnis und weniger Ignoranz!

Für mehr Zusammenhalt und weniger Einsamkeit!

Für mehr Wahrheit und weniger „schön reden“!

Für mehr eingreifen und weniger wegschauen!

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