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Weil der Arzt nicht alles weiss: So lernen Sie, auf Ihren Körper zu hören

Was muss man in der Schwangerschaft unbedingt machen? Unsere Expertin Katrin Preisshofen erklärt, warum der wichtigste Rat ganz einfach und doch so kompliziert ist. Auf den eigenen Körper zu hören, ist schwierig, wenn man es verlernt hat. Viele Frauen heute haben kein Körpergefühl mehr. Die erfahrene Hebamme erklärt, wie Sie Ihre Körperwahrnehmung stärken und lernen, wieder auf sich selbst zu hören.

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Schwangere sollten mehr dem eigenen Körpergefühl vertrauen, statt ärztlichen Kontrollen, Screenings und Tabellen. Bild: GettyImages Plus

Die «moderne Geburtshilfe» liegt inzwischen ausschliesslich in den Händen der Ärzte und Ärztinnen. Häufige ärztliche Kontrollen, immer neue Tests und Screenings, Tabellen, Wachstumskurven und ähnliches, vermitteln den Schwangeren Sicherheit und absolute Kontrolle. Altes Hebammenwissen wird angezweifelt, Körperwahrnehmung und Intuition als Nebensächlichkeit abgetan.

Für eine gute Schwangerschaft und eine natürliche Geburt braucht es Hingabe und Loslassen.

Wie oft erlebe ich Frauen in der Betreuung, die scheinbar jegliches Körpergefühl verloren haben. Dabei liegt so viel Wissen in uns selbst. Wir sind aber oftmals nicht mehr in der Lage, dieses Wissen in Form von Intuition abzurufen. Ja, wir unterdrücken diese Intuition sogar häufig. Meiner Meinung nach ein gravierender Fehler, wenn wir auf die natürlichen Prozesse in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett blicken.

Für eine gute Schwangerschaft und eine natürliche Geburt braucht es Hingabe und Loslassen. Auch für den Bindungsaufbau und die Stillzeit sind diese beiden Eigenschaften unentbehrlich. Schwangerschaft, Geburt und Stillen sind, wie oben bereits erwähnt, natürliche Prozesse.

Nehmen Sie Kontakt zum ungeborenen Kind auf

Gerade heute gilt es, diese Prozesse zu stärken, ja zu schützen. Aber wie kann das gelingen? Von allen Seiten strömen Informationen auf die Schwangere ein. Der Kopf ist ständig auf Empfang, immer am Verarbeiten und Hinterfragen von neuen Informationen, die nicht selten mehr zur Verunsicherung als zu einer entspannten und glücklichen Schwangerschaft beitragen.

Die Antwort auf viele Fragen findet man nicht in Ratgebern oder bei Ärzten. Die Antwort liegt in der Frau selbst.

Ich rate den Frauen, in die Körperlichkeit und damit in die Körperwahrnehmung abzutauchen. Es ist wichtig, dass sich die Frauen bewusst Zeit nehmen, Kontakt zu Ihrem ungeborenen Kind aufzunehmen. Jeden Tag sollte sich die Schwangere bewusst Zeit nehmen, hinzuspüren: «Wie nehme ich mein Kind wahr?», «Was tut mir heute gut?», «Welche Veränderungen nehme ich an meinem Körper wahr?», «Was brauche ich, damit es mir und meinem Kind gut geht?». Die Antwort auf all diese Fragen liegt nicht in den vielen Ratgebern und auch nicht bei uns Hebammen oder den ÄrztInnen. Die Antwort liegt in der Frau selbst.

Das vegetative Nervensystem – ein Allrounder

Dafür muss man verstehen, was bei einer natürlichen und ungestörten Geburt in einer geborgenen Atmosphäre passiert. Unter der Geburt spielt das vegetative Nervensystem eine zentrale Rolle. Das bedeutet, dass nicht die kognitiven Fähigkeiten, sondern die Instinkte die Führung übernehmen. Das vegetative Nervensystem und das Hormonsystem stehen in engem Zusammenhang, unterstützen und bedingen sich gegenseitig. Instinkte zuzulassen und die Körperwahrnehmung wiederzuentdecken, sind also unterstützende Mittel für diese einmalige Zeit im Leben einer Frau.

Körperarbeit sollte also keine Nebensächlichkeit, sondern eine zentrale Rolle in der Betreuung der Schwangeren spielen.

Wie gelingt nun aber die Körperwahrnehmung? Dabei helfen können die regelmässige Yoga-Praxis, sanfte Gymnastik, aber auch das Tanzen, Singen, Tai-Chi oder Qi Gong. Die aktive Körperarbeit hilft, Stress und Anspannung abzubauen, den Kopf frei bekommen. Ebenso wichtig wie die aktive Körperarbeit ist aber auch die Entspannung, also die Verringerung des Muskeltonus und das mentale Herunterfahren. Manchen hilft sanfte Musik, anderen Meditation, aber auch Massagen und sanfte Berührung können die Entspannung unterstützen. Es ist nachgewiesen, dass durch regelmässige Körperarbeit und Entspannung das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gestärkt wird, Kraft und Energie gefördert werden und der Kontakt zum Kind gefördert wird. Körperarbeit sollte also keine Nebensächlichkeit sein, sondern eine zentrale Rolle in der Betreuung der Schwangeren spielen.

Hören Sie auf Ihre Hebamme  - oder Ihre Instinkte

Erkundigen Sie sich doch einfach mal bei Ihrer Hebamme, welche Angebote sie hierfür bereithält? Lassen Sie sich auch auf etwas Neues ein, probieren Sie aus, welche Form der Körperarbeit Ihnen jetzt guttut. Sie werden überrascht sein! Es lohnt sich, dafür Zeit zu investieren und lieber einen Ratgeber weniger zu lesen. Ihre Hebamme wird Sie dabei sicher gerne unterstützen.

Trauen Sie sich, Ihre Intuition und Instinkte wiederzuentdecken, und lassen Sie sich positiv, ja freudvoll auf das Abenteuer Schwangerschaft und Geburt ein.

Laura Müdespacher Goldenbody

Katrin Preisshofen begleitet seit 20 Jahren Frauen und Familien auf dem Weg zur Geburt und beim Start ins Familienleben. Die ausgebildete Hebamme hat sich nach mehreren Jahren in verschiedenen Spitälern selbstständig gemacht mit einer eigenen Praxis. Katrin Preisshofen ist es wichtig, mit ihrer Arbeit das Körpergefühl der schwangeren Frauen zu stärken und Selbstvertrauen für eine selbstbestimmte Geburt aufzubauen. Ausserdem bietet sie nach der Geburt Begleitung im Wochenbett an.

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