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Schon wieder Krach im Familienchat? So gehen Sie mit digitalen Streitereien um

In den meisten Familienchats kommt es irgendwann zu Konflikten oder sogar einem Streit. Die Medienexperten von zischtig.ch haben vier Erklärungen, warum es unter Menschen, die man eigentlich mag zum digitalen Krach kommt und acht Tipps, wie Sie am besten mit dem digitalen Streit umgehen.

Familienchat
Familien sind meist eng verbunden – digital und analog. Und trotzdem kommt es im Familienchat immer wieder zu Auseinandersetzungen. Bild: GettyImages Plus, smartboy10

Ganz egal, ob «nur» die Kleinfamilie oder alle Verwandten inklusive Grosstante fünften Grades mitschreiben: Familienchats sind eine gute Sache. Dank Whatsapp, Threema und Co. können wir selbst über grössere Distanzen und trotz unterschiedlicher Lebenssituationen verbunden bleiben. Eigentlich sollte da nicht viel schieflaufen, schliesslich geht es dabei um Menschen, die uns wichtig sind. Leider «kracht» es bei vielen trotzdem irgendwann im Familienchat.

Vier Gründe, warum es zum digitalen Streit kommt

1 Wichtige Hinweise fehlen: Haben Sie auch schon einmal gesagt «Kalt hier drin» und eigentlich gemeint: «Jetzt mach doch endlich das Fenster zu!»? Wir Menschen drücken uns häufig ungenau aus. Was andere meinen ist darum gar nicht so einfach herauszufinden. Offline helfen uns ein Gesichtsausdruck, ein Tonfall oder eine Geste, Aussagen besser einzuordnen. Im Chat fehlen uns diese Informationen. Ein Scherz oder eine Bemerkung werden so schneller missverstanden. Dadurch steigt in Chats die Wahrscheinlichkeit, dass jemand durch etwas verletzt wird, dass gar nicht so gemeint war.

2 Zu viel Fantasie: Kinder erfinden beim Spielen oft die fantastischsten Geschichten. Aber auch wir Erwachsenen haben jede Menge Fantasie, auch beim Chatten: Um eine Nachricht einzuordnen, stellen wir uns vor, was die Absichten dahinter gewesen sind. Manchmal vergessen wir dabei, dass unsere Fantasie uns nur ein mögliches Szenario zeigt. Wir regen uns so vielleicht darüber auf, dass die Schwester so unhöflich geantwortet hat, dabei war sie in Wahrheit nur kurzangebunden, weil sie gerade losmusste. Besonders wenn der Streit schon da ist, kann unsere Fantasie einiges erschweren: Wenn wir überzeugt sind, dass andere uns etwas Schlechtes wollen, sind wir oft nicht bereit, nach einem möglichen Missverständnis zu suchen.

3 Gefühle sind im Spiel: Familien können uns viel Liebe und Geborgenheit geben. Nicht selten sind aber auch noch ein paar emotionale Altlasten mit von der Partie: Die Bemerkung, die Geschwister oder Eltern vor Jahren gemacht haben, beschäftigen uns vielleicht heute noch. Hinzu kommen ganz alltägliche Gefühle. Wir alle sind mal wütend oder traurig. Beim Chatten können solche Gefühle die Wahrscheinlichkeit eines Konfliktes erhöhen: Wenn ich traurig bin, bin ich besonders enttäuscht, weil noch niemand auf meine Nachricht reagiert hat. Gerade in der Wut ist oft etwas gesagt, das eigentlich gar nicht so gemeint ist.

Im Chat bleibt Verletzendes besonders lange bestehen: Eine Nachricht kann immer und immer wieder gelesen werden und so aufs Neue negative Gefühle auslösen.

4 Zu schnell unterwegs: Das Praktische an Chats: Wir können besonders schnell antworten und müssen nicht erst warten, bis andere erreichbar sind. Leider tippen wir dabei manchmal schneller, als wir denken können. Haben Sie auch schon einmal eine Nachricht verschickt und sie später bereut? In der Eile etwas in den falschen Chat geschickt? Stellen Sie sich vor, die Nachricht, in der sie sich über die undankbare Art ihrer Nichte beschweren und die eigentlich an Ihren Partner sollte, landet im Familienchat, wo auch besagte Nichte und ihre Eltern mitlesen. In so einer Situation ist Streit schon fast vorprogrammiert.

Kein Wunder also kommt es sogar in Familienchats so schnell zu Missverständnissen und Konflikten. Unsere Tricks helfen Ihnen, Streit zu vermeiden oder notfalls zu lösen.

Was können Sie tun, wenn's kracht?

Sortieren! Nicht jedes Thema ist für Chats geeignet. Besonders wichtige Grundregel: Unangenehmes nie per Chat, denn das sorgt immer für ungute Gefühle. Auch alle anderen Themen, die schnell zu Missverständnissen führen können oder schon vorbelastet sind, lohnt es sich, persönlich zu besprechen. So sehen Sie die anderen und können anhand ihrer Mimik und Gestik besser einordnen, was wie ankommt.

Ein persönliches Treffen ist nicht möglich? Das Telefon ist immer noch besser als Whatsapp. Dort geben Tonfall und Sprechtempo immerhin ein paar wichtige Hinweise mehr.

→ Nochmals durchlesen! Machen Sie es wie bei Geschäftsmails und wichtiger Korrespondenz: lesen Sie Ihre Chatnachrichten vor dem Versenden noch einmal durch. Könnte etwas falsch verstanden werden? Ist etwas unklar erklärt? Klingt etwas vorwurfsvoll? Je klarer Ihre erste Nachricht, desto kleiner ist das Potenzial für Missverständnisse und Streit. Überprüfen Sie bei dieser Gelegenheit auch, ob Sie sich wirklich im richtigen Chat befinden.

→ Tempo rausnehmen! Ganz besonders gilt das für Situationen, in denen Sie schon im Stress sind oder nur wenig Zeit haben: Die Wahrscheinlichkeit für Fehler und kleine Unachtsamkeiten steigt. Warten Sie lieber bis zu einem ruhigen Moment, selbst wenn’s schwerfällt, weil alle anderen im Familienchat bis dahin schon ihre Meinung abgegeben haben.

→ Nachfragen! Etwas hat Sie verletzt? Eine Nachricht war unpassend? Denken Sie nicht zu lange darüber nach, das beflügelt nur die Fantasie. Fragen Sie besser kurz nach: «Kannst du mir das nochmals erklären? Wie hast du das gemeint?» Oft lassen sich Missverständnisse so klären.

→ Erklären Sie! Jemand reagiert komisch oder abweisend auf Ihre Nachricht? Gut möglich, dass etwas falsch verstanden wurde. Am besten erklären Sie noch einmal in anderen Worten, was sie eigentlich gemeint haben und stellen, wo nötig, richtig.

→ Nicht mit Gefühlen chatten! Chatten Sie nicht, wenn es Ihnen nicht gut geht. Warten Sie besser, bis Sie nicht mehr wütend oder traurig sind. Das gilt ganz besonders, wenn etwas im Chat diese Gefühle ausgelöst hat. Wichtig: Dasselbe gilt, wenn Sie sehr müde sind. Dann passieren Fehler besonders schnell und die Wahrscheinlichkeit, andere falsch zu verstehen, steigt.

→ Den Kanal wechseln! Der Konflikt ist schon da? Im Chat führt der Versuch Streit auszudiskutieren oft zu noch mehr Missverständnissen. Vielleicht sind auch andere Familienmitglieder bereits dabei sich einzumischen und alles wird noch komplizierter. In solchen Situationen hilft meist nur eines: Wechseln Sie den Kanal. Treffen Sie das Gegenüber persönlich oder, falls ersteres nicht möglich ist, rufen Sie an. Oft klären sich so Missverständnisse leichter und man hat eine echte Chance, den Konflikt zu lösen.

→ «Frieden» machen! Bei Kindern kennen wir das: Bei manchen Streitereien nützt es nur noch «Frieden» zu machen und Gras über die Sache wachsen zu lassen. Manchmal hilft auch bei Konflikten im Familienchats nicht anderes mehr, gerade wenn mehrere oder besonders uneinsichtige Familienmitglieder involviert sind. «Komm wir lassen es darauf beruhen und versuchen es zu vergessen» kann die letzte Option sein, die bleibt, um mit einem Streit im Chat umzugehen, gerade wenn eine persönliche Aussprache oder ein klärendes Telefonat nicht möglich ist.

Digitale Vorbilder: So lernen es auch Ihre Kinder

Mama und Papa sind nach wie vor die wichtigsten Vorbilder für Kinder. Lesen Ihre Tochter oder Ihr Sohn den Familienchat, egal ob am eigenen Gerät oder an Ihrem, wird ihnen nicht entgehen, wie Sie sich verhalten. Damit können Sie den Grundstein dafür legen, dass Ihre Kinder wenigstens ein paar dieser Konfliktstrategien mit in ihre Chats mit Gleichaltrigen nehmen.

Diesen Vorgang können Sie zusätzlich unterstützen, indem Sie mit Ihren Kindern über das Geschehen im Familienchat sprechen und Ihnen erklären, warum Sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten haben. Zum Beispiel so: «Was dein Onkel heute im Familienchat geschrieben hat, hat mich richtig genervt. Darum habe ich das Handy erst einmal weggelegt und gewartet, bis ich nicht mehr wütend war. Erst dann habe ich geantwortet.» Seien Sie transparent, wenn auch Ihnen einmal ein Fehler passiert, zum Beispiel: «Was ich da gestern geschrieben habe, das gehört eigentlich gar nicht in den Chat. Das hätte ich besser persönlich mit den anderen besprochen.»

Familienchat als Übungsfeld

Ihre Kinder chatten schon selbst mit? Sprechen Sie mit Ihnen über die unterschiedlichen Strategien und fordern Sie diese von ihnen ein. Gerade Familienchats, in denen Grosseltern, Tanten und Onkel mit dabei sind, können eine wichtige Übungsgelegenheit sein, bei der Kinder lernen können, mit unterschiedlichen Erwachsenen auch online zu kommunizieren.

Medienkompetenz mit dem Verein zischtig.ch

Der Verein zischtig.ch setzt sich dafür ein, Kinder und Jugendliche auf ansprechende, verständliche, berührende und wirksame Weise vor Onlinesucht, Cybermobbing, Cybergrooming und anderen Gefahren zu schützen. Im Vordergrund stehen ein begeisternder Vermittlungsstil und die Befähigung zu einer gewinnbringenden, kreativen und sicheren Mediennutzung. Auf Familienleben.ch schreibt Kim Gray vom Verein regelmässig über Themen rund um Medienkompetenz.

Mehr zu zischtig.ch und weitere Artikel von Kim Gray. 

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