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Postnatale Depression: Wenn junge Väter psychisch aus der Balance geraten

Nicht nur Frauen erleben den Babyblues. Auch Männer können in eine postpartale depressive Verstimmung geraten, im Volksmund auch Postnatale Depression genannt. Flexible, fokussierte Psychotherapie kann schnell und wirkungsvoll entlasten.

Auch Männer können von einer Postnatalen Depression betroffen sein
Auch Papas können erleben den Babyblues. Bild: miodrag ignjatovic, Getty Images

Das Wichtigste in Kürze:

  • Eine Postnatale Depression zeigt sich bei Vätern durch Niedergeschlagenheit oder übertriebene Hektik. Mehr erfahren.
  • Manche Väter versuchen in dieser Krise, möglichst viel Zeit ausserhalb der eigenen Wohnung zu verbringen.
  • Hebammen, die die Mutter im Wochenbett zu Hause betreuen, sind häufig die ersten Fachkräfte, die auch die Überforderung der Väter und eine angespannte Elternbeziehung nach der Geburt realisieren.
  • Eine Postpartale Depression bei Vätern kann verschiedene Ursachen haben.
  • Sich in Gesprächsrunden auf das, was während der Schwangerschaft, Geburt und nach der Geburt geschehen kann, zu informieren, kann einer Postnatalen Depression bei Vätern vorbeugen. Mehr erfahren.

Wie äussert sich eine Postnatale Depression beim Mann?

Eine Postpartale Depression, in der Umgangssprache auch Postnatale Depression genannt, zeigt sich auf unterschiedliche Arten. So kann ein Mann nach der Geburt seines Kindes sehr niedergedrückt und antriebslos erscheinen. Die Depression kann sich aber auch in einer auffälligen Unruhe und Hektik zeigen. «Viele Männer flüchten ausser Haus vor den tiefergehenden depressiven Gefühlen», erklärt Egon Garstick, Psychotherapeut bei der Arche Zürich, im Interview. Die Psychotherapeutinnen und –therapeuten der Arche Zürich sind darauf spezialisiert, in solchen Fällen Hilfe zu leisten.

Warum kommt es zu einer Postnatalen Depression?

1 Irritationen während der Schwangerschaft

Erste Irritationen können schon während der Schwangerschaft auftreten. So sind manche Väter nicht auf die Stimmungsschwankungen vorbereitet, die vor allem im ersten Drittel der Schwangerschaft bei Frauen auftreten können. «Sie haben dann den Eindruck, sie hätten sich in ihre Frau getäuscht. Und oft kommen sie sich dann wie ausgenutzt vor», erklärt Egon Garstick. «Sie befürchten, nach der Zeugung nicht mehr gebraucht werden, und glauben zu schnell, sie müssten sich jetzt in ein Schicksal ohne schönen Sex und Liebe fügen.»

Einige Männer kämen auch nicht damit zurecht, dass der Körper ihrer Partnerin sich verändert und mütterlich wirkt. Sie fänden ihn dann eventuell nicht mehr sexuell begehrenswert. Egon Garstick: «Die Entfremdung und die Irritationen werden verstärkt, wenn sich die Frau nicht ausreichend von ihrem Mann aufgefangen fühlt.» Diese erste Störung der Paarbeziehung kann folgenschwer sein.

2 Zweifel an der Kompetenz der Partnerin

Manchmal haben Männer Angst, dass die Partnerin nicht richtig mit dem Baby umgeht. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sie anders auf das Baby reagiert, als er es in seiner Herkunftsfamilie erlebt hat. Egon Garstick: «Solche Männer haben sich noch nicht gut auf eine reife Art von ihren eigenen Müttern gelöst. So können schwierige Konflikte zwischen den frisch gebackenen Eltern entstehen, die möglicherweise zu einer Depression führen.»

3 Einmischung von aussen

Einmischung von aussen – zum Beispiel durch die Mutter des Vaters – wirkt immer belastend. Der frisch gewordene Vater gerät dann zwischen die Konfliktparteien, also seine Partnerin und seine Mutter. «Ein Vater darf weiterhin ein liebevoller Sohn sein, doch muss er vor allem für die neue Familie zur Verfügung stehen», erklärt Egon Garstick. «Er darf nicht zulassen, dass seine Mutter versucht, seine Partnerin zu bevormunden und in der Babypflege die Regie zu übernehmen. Mit solch einem ‘Ausbremsen’ ihrer eigenen Mutter können Männer allerdings zunächst überfordert sein.»

4 Traumatische Erfahrungen

Auch traumatische Erfahrungen aus der Kindheit und Jugend können Postpartale Depressionen bei Vätern auslösen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn diese Verletzungen in der ganz frühen Kindheit gemacht wurden. Die Geburt ihres Babys kann diese frühe erlebte Enttäuschung reaktivieren. Egon Garstick: «Das Trauma ist nicht leicht zu erkennen, geschweige denn sofort konstruktiv aufzufangen.»

5 Depressive Ansteckung

Wenn ein Vater nicht darauf vorbereitet ist, dass seine Partnerin einen Babyblues bekommen kann, schwappt die depressive Stimmung leicht auf ihn über. Er versteht dann nicht, dass sie nicht glücklich ist, obwohl das ersehnte Wunschkind doch endlich da ist.

6 Verlassenheitsgefühl

Manche Väter fühlen sich einsam und verloren, wenn sie die innige Beziehung zwischen Partnerin und Baby erleben.

Was kann man gegen die depressive Verstimmung tun?

«Viele Männer erschrecken, wenn sie merken, dass sie labiler geworden sind», berichtet Egon Garstick aus seiner 20jährigen Erfahung mit Vätern in Zürich. «Sie fragen sich verunsichert, was mit ihnen los ist.» Hilfreich sei es für sie zu erfahren, dass nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern, die sich stark auf die Betreuung ihres Babys einlassen, hormonelle Veränderungen messbar sind (T. Held in «PSYCHE», Febr. 2018). Demnach geht das männliche Hormon Testosteron zurück, während das Bindungshormon Oxytocin steigt.

Frühzeitig handeln

«In den vergangenen Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, dass gut ausgebildete Hebammen und Mütterberaterinnen die Krisen von Männern mit ihrer neuen Rolle als Vater und Partner der Mutter rechtzeitig wahrnehmen», berichtet Egon Garstick. «Viele Hebammen arbeiten eng mit Mütter- und Väterberatungen und auch mit den wenigen Psychotherapeutinnen und -therapeuten zusammen, die im Frühbereich interdisziplinär tätig sind.» Besonders entlastend seien sogenannte «aufsuchende Therapeuten», die – zumindest für einige Termine – ihre Praxis verlassen und in die Wohnung kommen. So erhalten sie einen besonders guten Eindruck vom privaten Umfeld der Väter. «Gleichzeitig müssen die Väter in der turbulenten ersten Familienphase nicht die Zeit finden, um sich selbst auf den Weg zum Therapeuten zu machen.»

Mögliche Schuldgefühle ansprechen

Eine Depression kann bei Männern, so wie bei Frauen auch, Schuldgefühle auslösen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sie aufgrund ihrer Depression vorübergehend nicht in der Lage sind, dem Kind einfühlsam zu begegnen. Wichtig ist dann, solche Schuldgefühle gut zu besprechen und abzubauen, damit es nicht zu einem Anwachsen von negativen Gefühlen kommt. Väter, die sich später daran erinnern können, dass sehr wohl andere, wichtige Bezugspersonen für ihr Baby zur Verfügung standen, können Schuldgefühle leichter abbauen. Wichtig ist deshalb, dass tatsächlich ein verbindliches soziales Netz aufgebaut wurde, dass dem Vater, der Mutter und dem Baby gerecht wird, als die Depression erkannt worden ist. Egon Garstick: «Ein Baby darf nicht zu lange einer depressiven Kommunikation ausgesetzt sein.»

Wie lässt sich eine Postpartale Depression früh erkennen bzw. vorbeugen?

Geburtsvorbereitungskurse, in denen nicht nur die werdenden Mütter, sondern auch die Väter konkret angesprochen werden, können viel zur Vorbeugung der Postpartalen Depression beitragen. «Gute Erfahrungen habe ich mit Vätergesprächsrunden gemacht, die nach Absprache mit Hebammen Bestandteil der Geburtsvorbereitungskurse waren», berichtet Egon Garstick. In diesem Rahmen lassen sich Väter darüber informieren, welche Schwierigkeiten und Veränderungen mit der Schwangerschaft und der Geburt des Babys auf sie zukommen. So gewappnet führen falsche Vorstellungen nicht zu Enttäuschungen.

Gleichzeitig brauchen Männer konkreten Input, wie sie mögliche Schwierigkeiten bewältigen können. Egon Garstick nennt Beispiele: «Themen sind unter anderem die veränderte Sexualität und das Verlorenheitsgefühl, das sich beim Vater einstellen kann, wenn Mutter und Kind einen innigen Kontakt miteinander haben und er sich ausgeschlossen fühlt.» Wichtig sei es auch für Väter, darauf vorbereitet zu sein, dass die Frauen ambivalente Gefühle nach der Geburt haben können. «Dann sollten sie die Rolle eines guten Zuhörers einnehmen können und sich nicht durch negative Stimmungen der Mutter zu sehr irritieren lassen.»

📚 Buchtipp:

Familienleben Logo
Bild: Screenshot Orell Füssli

Titel: Junge Väter in seelischen Krisen

Autor: Egon Garstick

Erscheinungsjahr: 2014

Erhältlich: Etwa bei Orell Füssli

Wie äussert sich eine Postnatale Depression beim Vater?

Eine Postnatale Depression kann sich auf verschiedene Weisen zeigen. Meist fühlen sich Betroffene antriebslos und niedergeschlagen. Manche betroffenen Väter verbringen möglichst viel Zeit ausser Haus.

Warum kommt es zu einer Postnatalen Depression?

Die Auslöser einer Postpartalen Depression sind verschieden. Sie kann schon in der Schwangerschaft entstehen, wenn der Mann etwa von den Stimmungsschwankungen der werdenden Mutter irritiert ist.

Was kann man gegen eine Postnatale Depression tun?

Am besten wenden sich Betroffene Väter an eine Väter- oder Elternberatung. Wichtig ist ausserdem immer, mit der Partnerin darüber zu sprechen und gemeinsam psychotherapeutische Hilfe einzuholen.

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