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Rassistische Sticker im Chat: Was Eltern gegen den Trend unter Teenies tun können

Jeden Tag sind die Medienexperten von zischtig.ch an Schweizer Schulen unterwegs. In letzter Zeit oft Thema: Rassistische Sticker auf WhatsApp. Sie werden an Oberstufen und Primarschulen verschickt, von Jungs wie von Mädchen. Viele Kinder und Jugendliche wissen nicht, dass sie sich damit strafbar machen. Aber wieso verbreiten sich rassistische Sticker unter Kindern überhaupt so schnell und wie thematisiert man das Problem zuhause?

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Kinder und Teenies verschicken rassistische Sticker meist unreflektiert – und kennen die Konsequenzen nicht. Bild: Kerkez, Getty Images

Ob auf dem Pausenhof, unter den Schultischen oder zuhause: Kinder und Jugendliche tippen rund um die Uhr Nachrichten bei WhatsApp ein und verschicken Fotos oder bewegte Bildchen. Laut der aktuellen JAMES Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW) geben rund 68 Prozent der Schweizer Jugendlichen an, WhatsApp mehrmals pro Tag zu benutzen.

Rassismus wird bei WhatsApp immer präsenter

Das Problem: WhatsApp dient nicht nur dem Austausch über die Ufzgi, eine bevorstehende Geburtstagsfeier oder die Wochenendpläne. Der Messenger-Dienst wird zunehmend zum Versenden von rassistischen oder gewaltverherrlichenden Inhalten genutzt – und das insbesondere, seit sogenannte Sticker verschickt werden können.

Was sind Sticker eigentlich?

Bereits seit 2018 kann man über WhatsApp sogenannte Sticker verschicken. Das sind kleine bearbeitete Bildchen, manchmal mit Text, manchmal ohne. Bei Kindern und Jugendlichen sind Sticker sehr beliebt. Sie setzen sie häufig humorvoll ein. Oft werden die virtuellen Sticker sogar gesammelt, wie von uns früher «Abziehbildli» und «Kleberli». Kids können mit Hilfe von Apps sogar selbst Sticker gestalten und an ihre Gspändli verschicken. Für viele Kinder und Jugendliche bedeuten die Sticker daher vor allem eines: Spass. Problematische Aspekte werden dabei von ihnen oft ausgeblendet.

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Sticker werden meist humorvoll eingesetzt. Bild: Screenshot Redaktion

Warum verschicken Kinder und Jugendliche rassistische Sticker?

Seit dem Aufkommen der Sticker häufen sich die Fälle, in denen sie für rassistische Botschaften missbraucht werden. Bei Kindern und Teenies geschieht das Weiterleiten rassistischer, gewaltverherrlichender oder sexualisierter Sticker jedoch meist unreflektiert und ohne wichtiges Hintergrundwissen – «zum Spass» eben. Viele Kinder wissen schlicht nicht, dass es strafbar sein kann, rassistische Sticker zu verschicken beziehungsweise sie nur zu besitzen. Sticker sind für sie nicht ernst gemeint. Dass das Gesetz Sticker nicht anders einordnet als reguläre Bilder und Texte, ist vielen nicht bewusst. Häufig wissen Kinder auch nicht, dass sie in der Schweiz schon ab 10 Jahren strafmündig sind und selbst bestraft werden können. Doch wie kommt es dazu, dass solche Sticker immer öfter verschickt werden?

1 Rassistische Kommentare sind im Internet weit verbreitet

Auf Social Media und Streaming-Plattformen wie YouTube oder Instagram aber auch in Online-Games sind rassistische Kommentare und Beleidigungen keine Seltenheit. Zwar ist Rassismus auch dort verboten, aber die Apps und Seiten kommen mit dem Auffinden und Löschen solcher Aussagen häufig nicht hinterher. Kinder wissen das nicht und kommen daher schnell zum Schluss, dass das Gelesene in Ordnung sein muss.

2 «Wenn andere es machen, darf ich auch!»

In Gruppenchats kann es zu regelrechten Stickerschlachten kommen. Jede/r will die anderen mit noch lustigeren oder cooleren Bildchen ausstechen. Am meisten Aufmerksamkeit bringen dabei krasse Inhalte, die eben zum Beispiel rassistisch sind. Da liegt der Gedanke nahe: «Wenn andere es machen, darf ich auch!»

3 Viele Kinder erkennen Rassismus nicht

Rassismus zu erkennen, fällt gerade jüngeren Kindern schwer, weil das Thema für sie weit weg ist. Sie verschicken solche Sticker meist nicht, weil sie die Weltanschauung dahinter vertreten. Viele Kinder finden die Bilder eher «komisch» und schicken sie weiter, um zu sehen, wie andere darauf reagieren. Sie wissen nicht, dass sie mit solchen Stickern negative Vorurteile verbreiten, weil ihnen diese Vorurteile gar nicht bekannt sind.

4 Betroffene trauen sich oft nicht, etwas zu sagen

Kinder und Jugendliche, die selbst von Rassismus betroffen sind, lachen oft mit. Sonst fallen sie negativ auf oder «verstehen keinen Spass». Das wird wiederum von anderen verwendet, um das Verschicken von rassistischen Stickern zu rechtfertigen: «Nico ist dunkelhäutig und findet es trotzdem lustig! Darum ist es in Ordnung!» oder «Lakshmi ist selbst aus Indien. Und sie hat nichts dagegen gesagt. Dann kann es gar nicht schlimm sein.»

Das können Sie als Eltern tun

Selbst, wenn Kinder und Jugendliche rassistische Sticker meist nur «aus Spass» versenden, können sie sich durch nur einen Klick strafbar machen. Deshalb ist es entscheidend, dass Eltern ihre Kinder aufklären und in der digitalen Welt begleiten.

💬 Klären Sie Ihr Kind über die gesetzliche Lage auf: «Rassistische Sticker zu verschicken ist in der Schweiz verboten. Wenn du das machst, kann es Probleme mit der Polizei geben.» Sprechen Sie auch die Strafmündigkeit an: «Sobald du 10 bist, wirst du selbst für solche Dinge bestraft.»

💬 Zeigen Sie Ihrem Kind, wo die Grenzen sind: Kinder und insbesondere Jugendliche probieren viel aus. Die Rückmeldungen von uns Erwachsenen sind für sie elementar, um zu lernen, was akzeptabel ist und was nicht geht. Beziehen Sie klar Stellung, wenn Sie irgendwo Rassismus sehen, egal ob im Offline-Alltag, in Filmen oder in Online-Kommentarspalten: «Ich finde das gar nicht lustig. Solche Bilder verletzen andere.»

💬 Sprechen Sie mit Ihrem Kind über Rassismus. Wichtig ist, dass Ihr Kind versteht, warum Rassismus schadet und verboten ist. Erklären Sie ihrem Kind, dass rassistische Sticker Vorurteile verfestigen.

💬 Zeigen Sie Ihrem Kind die Auswirkungen von Rassismus auf. Altersgerechte Sachbücher und Romane zum Thema sind eine gute Möglichkeit, Empathie zu schulen. Fragen Sie in Ihrer Lieblingsbuchhandlung nach Empfehlungen. Gerade für ältere Kinder und Jugendliche können auch YouTube-Videos hilfreich sein, in denen Rassismus-Betroffene von ihren Erfahrungen sprechen, etwa das Video von Baba News oder vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Fragen Sie Ihr Kind, ob es selbst Beispiele kennt: «Ist dir Rassismus schon einmal begegnet? Wurdest du oder Freunde von dir schon einmal schlechter behandelt, aufgrund von Hautfarbe, Herkunft oder Religion?»

💬 Bringen Sie Ihrem Kind bei, dass es sich gegen Hass auf YouTube, Instagram oder TikTok wehren darf und soll. Am besten und sichersten geht das über die Meldefunktion. Sie macht die App auf rassistische und andere verbotene Inhalte und Kommentare aufmerksam. So können diese gelöscht und User, die Hass verbreiten, im Wiederholungsfall gesperrt werden. Die Gemeldeten sehen nicht, wer die Meldung gemacht hat: So bleiben Kinder sicher. Oft brauchen Kinder und Jugendliche Unterstützung dabei, die Meldefunktion zu finden.

Fazit

Rassismus ist ein komplexes Thema. Oft muss es mehrmals thematisiert werden und je nach Alter und Erfahrungen stehen andere Aspekte im Vordergrund. Trotzdem orientieren sich Kinder und Jugendliche gerade bei weltanschaulichen Fragen häufig an den Eltern und kopieren sie sogar. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und machen Sie Ihr Kind auf Rassismus aufmerksam und darauf, wie gefährlich und verletzend rassistische Äusserungen sind – ob in der digitalen Welt oder auf dem Pausenhof.

Medienkompetenz mit dem Verein zischtig.ch

Der Verein zischtig.ch setzt sich dafür ein, Kinder und Jugendliche auf ansprechende, verständliche, berührende und wirksame Weise vor Onlinesucht, Cybermobbing, Cybergrooming und anderen Gefahren zu schützen. Im Vordergrund stehen ein begeisternder Vermittlungsstil und die Befähigung zu einer gewinnbringenden, kreativen und sicheren Mediennutzung. Auf Familienleben.ch schreibt Kim Gray vom Verein regelmässig über Themen rund um Medienkompetenz.

Mehr zu zischtig.ch und weitere Artikel von Kim Gray. 

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