Schwangerschaft > GeburtEin Schwangerschaftsabbruch ist auch nach 12 Wochen möglichNach der 12. Schwangerschaftswoche ist ein Abbruch in der Schweiz nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Welche medizinischen und psychologischen Gründe dafür in Frage kommen, wie der Ablauf aussieht und welche Unterstützung du erhältst, erfährst du in unserem Ratgeber. Gabriela Neuhaus InhaltsverzeichnisGründeRechtsgrundlageMethodenKostenübernahme Die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch liegt bei der Schwangeren und wird gemeinsam mit ärztlichen Fachpersonen getroffen. © swissmediavision / iStock / Getty Images Plus In der Schweiz sind Schwangerschaftsabbrüche seit 2002 mit einer gesetzlichen Frist geregelt. Ein Schwangerschaftsabbruch ist bis zur zwölften Woche straffrei. Was viele nicht wissen: Es gibt trotz Fristenlösung Abtreibungen nach der zwölften Schwangerschaftswoche. Das heisst, ein Schwangerschaftsabbruch ist ab der 13. bis zur vollendeten 23. Schwangerschaftswoche legal möglich. Dies geschieht aber nur, wenn die mentale oder körperliche Gesundheit von Mutter oder Kind auf dem Spiel steht. Im Jahr 2023 war dies bei rund 5% der Schwangerschaftsabbrüche der Fall, also bei 600 Fällen.1 Gründe für eine späte Abtreibung Zu späten Schwangerschaftsabbrüchen kommt es mitunter, weil die Organe in der zwölften Woche noch nicht vollständig ausgebildet sind und man eine Fehlbildung dann noch nicht erkennen kann. Ein anderer Grund kann die gesundheitliche Gefährdung der Mutter durch die Schwangerschaft sein. Das gilt bei einer schweren Depression mit Suizidgefährdung, einer Schwangerschaft nach einem Sexualdelikt oder bei einer seelische Notlage der Schwangeren aufgrund einer diagnostizierten schweren und unheilbaren Missbildung oder Krankheit des Embryos oder Foetus.2 Bei späten Abtreibungen entscheidet die ärztliche Fachperson im Team und zieht teilweise auch einen Ethikerrat zur Beratung hinzu. Eine schmale Gratwanderung bei der Rechtsgrundlage Nach der 12. Schwangerschaftswoche, also zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periodenblutung, gelten in der Schweiz strenge Voraussetzungen für einen Abbruch. Ein Schwangerschaftsabbruch ist nur unter folgenden Bedingungen3 möglich: Eine ärztliche Fachperson muss bestätigen, dass der Abbruch notwendig ist. Ein Zuweisungsschreiben einer ärztlichen Fachperson, einer Beratungsstelle oder ein psychiatrisches Gutachten muss die Situation bestätigen. Die Gründe müssen in einem ausführlichen Gespräch dargelegt und von der ärztlichen Fachperson protokolliert werden. Kantonale Unterschiede in der Handhabung Obwohl jeder Kanton gesetzlich verpflichtet ist, ausreichend Kliniken und Spitäler mit entsprechendem Leistungsauftrag bereitzustellen, zeigt sich in der Praxis eine ungleiche Versorgungssituation. So werden die meisten Abtreibungen nach der 12. Schwangerschaftswoche in Unispitälern der Grossstädte durchgeführt. Diese Möglichkeiten gibt es für eine Abtreibung nach der 12. Schwangerschaftswoche Die medikamentöse Abtreibung ist nur bis zur 9. Schwangerschaftswoche möglich. Dannach wird diese chirurgisch wie die Absaugmethode (Vakuumaspiration) oder die Erweiterung und Ausschabung (Dilatation und Kürettage) eingesetzt. Ab der ca. 15. Schwangerschaftswoche wird die Schwangerschaft mittels einer medikamentösen Einleitung abgebrochen, die eine Fehlgeburt auslösen. Dies kann mehrere Stunden bis zu einigen Tagen dauern. Nach dem Eingriff musst du mit folgenden körperlichen Reaktionen rechnen: Blutungen, die bis zu zwei Wochen andauern können Wehenartige Kontraktionen der Gebärmutter Mögliche Zyklusunregelmässigkeiten Wichtig: Nimm dir nach dem Eingriff mindestens 1–2 Tage Zeit für die körperliche Erholung, besonders wenn deine Arbeit körperlich anstrengend ist. Was passiert, wenn es trotz Abtreibung Lebenszeichen gibt? In der Schweiz werden jährlich etwa 25 Kinder nach einem Schwangerschaftsabbruch lebend geboren. Wenn das Neugeborene nach fachärztlicher Beurteilung potenziell lebensfähig ist, hat es – trotz der ursprünglichen Tötungsabsicht – wie jeder Mensch Anrecht auf medizinische Hilfe. Dies stellt die Nationale Ethikkommission vor die Frage, wie der Schutz des ungeborenen Lebens mit der Selbstbestimmung der Schwangeren und den ärztlichen Pflichten in Einklang gebracht werden kann. Besonders im Grenzbereich zwischen medizinischer Indikation und ethischen Überlegungen geraten Ärzt:innen, Eltern und Institutionen oft in einen moralischen Konflikt. Die Nationale Ethikkommission empfiehlt, lebend geborene Kinder vor der 22. Schwangerschaftswoche palliativ zu versorgen, da sie ohne medizinische Hilfe nicht lebensfähig sind. Das bedeutet, das Kind wird beim Sterben begleitet, und nur schmerzlindernde Massnahmen werden durchgeführt. Nach der 22. Woche gelten die gleichen Regeln wie für Frühgeborene: Bei Überlebenschancen wird das Kind auf die Neonatologie verlegt. Solche Fälle sind jedoch selten, da späte Abbrüche meist aufgrund schwerer Fehlbildungen erfolgen, die ein Überleben unmöglich machen.4 Kostenübernahme bei späten Schwangerschaftsabbrüchen Ein Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Woche wird von der obligatorischen Krankenversicherung (Grundversicherung) als Pflichtleistung übernommen. Die Kosten variieren dabei je nach Methode und Kanton zwischen 600 und 3000 Franken. Du musst die Franchise übernehmen. Der Selbstbehalt von 10% ist ebenfalls selbst zu tragen. Der Rest wird von der Krankenkasse bezahlt. Falls du nicht möchtest, dass Angehörige (zum Beispiel deine Eltern) vom Abbruch erfahren, bietet die Krankenkasse die Möglichkeit zur diskreten Abrechnung. Sprich dazu am besten direkt mit deiner Ärztin oder deiner Krankenkasse. Die Kostenübernahme gilt für alle medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüche, unabhängig davon, ob sie ambulant oder stationär durchgeführt werden.Quellen Bundesamt für Statistik (BFS) Statistik des SchwangerschaftsabbruchsSchweizerisches Strafgesetzbuch SchwangerschaftsabbruchSchweizerisches Strafgesetzbuch SchwangerschaftsabbruchNationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin NEK Zur Praxis des Abbruchs im späteren Verlauf der Schwangerschaft – Ethische Erwägungen und Empfehlungen (Nr. 30/2018)