Schwangerschaftsabbrüche nach der zwölften Woche
In der Schweiz sind Schwangerschaftsabbrüche seit 2002 mit einer gesetzlichen Frist geregelt. Was viele nicht wissen: Es gibt trotz Fristenlösung Abtreibungen nach der zwölften Schwangerschaftswoche. Dies geschieht nur, wenn die mentale oder körperliche Gesundheit von Mutter oder Kind auf dem Spiel steht.
Hierzulande regelt das Gesetz Abtreibungen durch die Fristenlösung: Ein Schwangerschaftsabbruch ist bis zur zwölften Woche straffrei. Eine Abtreibung nach der zwölften Woche ist nur noch möglich, wenn die Gesundheit der Mutter durch die Schwangerschaft bedroht wird.
Eine schmale Gratwanderung
Ein Abbruch nach Ablauf der zwölfwöchigen Frist ist nur dann möglich, wenn nach Beurteilung eines Arztes dadurch «die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann». Mit der schwerwiegenden körperlichen Schädigung kann sowohl die Mutter selbst als auch das Kind gemeint sein. Je weiter entwickelt der Fötus ist, desto gravierender muss die Notlage sein, um einen Schwangerschaftsabbruch noch durchzuführen zu können.
Zu späten Schwangerschaftsabbrüchen kommt es mitunter, weil die Organe in der zwölften Woche noch nicht vollständig ausgebildet sind und man eine Fehlbildung dann noch nicht erkennen kann. Ein anderer Grund kann die gesundheitliche Gefährdung der Mutter durch die Schwangerschaft sein. Es gibt aber auch späte Abtreibungen bei weniger gravierenden Fällen: So werden beispielsweise 90 Prozent der Föten mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) abgetrieben. Bei späten Abtreibungen entscheiden Ärzte im Team und ziehen teilweise auch Ethiker zur Beratung hinzu. Eine solche Abtreibung ist für die Betroffenen – sowohl Kindseltern als auch das medizinische Personal – eine grosse Belastung sowie ein ethisches und rechtliches Dilemma.
Lebenszeichen trotz Abtreibung
Denn bei späten Schwangerschaftsabbrüchen kann das Kind lebend zur Welt kommen. Umso später der Zeitpunkt der Abtreibung erfolgt, desto höher ist die Chance auf eine Kind, das bei der Geburt am Leben ist. Jährlich betrifft dies laut einem Bericht der nationalen Ethikkommission etwa 25 Kinder in der Schweiz.
Wenn ein Neugeborenes nach Beurteilung der Ärzte potentiell lebensfähig ist, hat es – trotz der ursprünglichen Tötungsabsicht – wie jeder Mensch Anrecht auf medizinische Hilfe. Wie geht man mit einer solchen Situation um? Die nationale Ethikkommission empfiehlt, dass ein lebend geborenes Kind vor der 22. Woche – es ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht lebensfähig ohne medizinische Hilfe – palliativ zu versorgen. Das heisst, dass das Kind beim Sterben begleitet wird und nur Eingriffe vorgenommen werden, die der Linderung von Schmerzen dienen.
Für Lebendgeburten nach der 22. Woche gelten aber dieselben Regeln, wie für Frühchen: Wenn eine Überlebenschance besteht, kommt das Kind auf die Neonatologie. Dies passiert aber extrem selten. Die meisten Kinder, welche so spät abgetrieben werden, haben schwere Fehlbildungen, welche ihnen ein Überleben ausserhalb des mütterlichen Bauches verunmöglicht.