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Zukunft der Bildung: Was ist eine gute Schule?

Die Schule steht heute unter einem grossen Druck: Bei immer mehr Kindern werden psychische Auffälligkeiten diagnostiziert, Lehrer klagen über Reformen und Eltern, die zu viel mitmischen. An einer Fachtagung in Zürich stellten sich Experten die Frage: Was ist ein gute Schule? Ihre Antwort darauf war alles andere als eindeutig.

Was ist eine gute Schule?
Was ist eine gute Schule? Eine gute Schule fördert und fordert Kinder. Foto: Stockbyte, Thinkstock

Wer einmal vor einer Klasse stand, kann sich vielleicht vorstellen, was ein Lehrer mit dem Satz meint: «Ich habe nicht viel Zeit für den eigentlichen Unterricht.» In einer Schulstunde von 45 Minuten muss einiges Platz haben: die laute Gruppe in der hintersten Reihe zur Ruhe bringen, die Ursache für den schlechten Geruch am Tisch eines Kindes finden, die Frage nach dem nächsten Klassenausflug beantworten.

Lehrer kämpfen an vielen Fronten. Sie müssen nicht nur in knapp bemessener Zeit Schüler für das Lernen motivieren, sie müssen auch Eltern und Bildungspolitiker zufrieden stellen. Vor welchen Herausforderungen sie stehen, wurde an der Fachtagung «Was macht Schule?» der Paulus-Akademie im Januar in Zürich deutlich.

Immer mehr Kinder mit Auffälligkeiten

Zunächst kamen allerhand Probleme auf den Tisch. Die Schule heute hat mit immer mehr Kindern und Jugendlichen zu tun, die psychische und physische Auffälligkeiten wie ADHS oder Magersucht entwickeln. Einen Grund dafür sieht der bekannte Kinderarzt Remo Largo in den Eltern: «Der Druck der Eltern trägt dazu bei, dass Kinder Störungen entwickeln». Viele Eltern hätten existenzielle Ängste, die sich auf das Kind übertragen: zum Beispiel die Angst, dass ihr Sohn oder ihre Tochter in der globalisierten Welt nicht besteht. Deshalb würden sie viel Druck ausüben, damit ihr Kind Prüfungen besteht.

Das wiederum führt dazu, dass Eltern in der Schule viel mitreden wollen. «Kinder werden zu Prinzen und Prinzessinnen erzogen», beschwert sich eine Lehrerin. Sie erzählt von einem Vater, der ihr einen Brief vorlegte. In diesem stand, dass der Sohn schon genug zu tun hätte. Deshalb verlange er, dass sein Sohn keine Hausaufgaben mehr machen muss. Andere Lehrer sprechen von Respektlosigkeit der Eltern gegenüber den Lehrern. Wieder andere klagen über die zahlreichen Schulreformen. «Ich hätte gern mehr Freiheit, um gute Schule machen zu können», erklärt eine Lehrerin.

Keine einfachen Antworten auf die Frage: Was ist eine gute Schule?

Wie können diese Probleme gelöst werden? Was muss die Schule heute leisten? Was ist ein gute Schule? Auf diese Fragen konnten die Experten an der Tagung keine gemeinsamen Antworten finden.

Ginge es nach Roland Reichenbach, Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Zürich, stünde der Lehrer im Zentrum des Interesses. «Wenn man will, dass es den Schülern gut geht, muss man dafür sorgen, dass es Lehrpersonen gut geht», sagt er. Es sei ein Irrtum zu glauben, das Kind sei selbst verantwortlich für sein Lernen. Die Lehrperson sei der wichtigste Faktor für den Lernerfolg.

Eine umfassende Analyse des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie, die Roland Reichenbach an der Tagung zitiert, gibt ihm Recht. Er hatte mehr als 800 Metaanalysen, die wiederum 50.000 Einzelstudien aus dem englischsprachigen Raum umfassten, auf die Frage hin untersucht, was guten Unterricht ausmacht. «Wir diskutieren leidenschaftlich über die äusseren Strukturen von Schule und Unterricht», kritisiert Hattie laut einem Beitrag der deutschen Zeit. «Sie rangieren aber ganz unten in der Tabelle und sind, was das Lernen angeht, unwichtig.» Seine zentrale Botschaft sei: Was Schüler lernen, bestimme der einzelne Pädagoge. Alle anderen Einflussfaktoren – die materiellen Rahmenbedingungen, die Schulform oder spezielle Lehrmethoden – seien dagegen zweitrangig.

Eine gute Schule braucht gute Lehrer

Eine gute Schule ist also die, die gute Lehrer hat. Was ist nun ein guter Lehrer? Laut Hattie ist es derjenige, der den eigenen Unterricht mit den Augen seiner Schüler sieht. Ein Lehrer sollte sich demnach fragen, was er selbst falsch macht, wenn seine Klasse nicht den gewünschten Lernerfolg erzielt. Ohne Respekt und Wertschätzung, Fürsorge und Vertrauen könne Unterricht nicht gelingen, schreibt Hattie. Zudem sollte der Lehrer die Schüler regelmässig über seinen Unterricht urteilen lassen, Feedback von ihnen einholen und kleine Tests einführen, die den Lernstand der Schüler abfragen.

Für den Kinderarzt Remo Largo steht aber nicht der Lehrer im Mittelpunkt. Vielmehr sollte es um das Kind gehen. «Wir müssen anschauen, was Qualität im Umgang mit dem Kind heisst», sagt er. Das beste Bildungssystem sei das, in dem jedes Kind das realisieren kann, was in ihm steckt. Largo plädiert zudem für eine gute Betreuung und Förderung der jüngeren Kinder zwischen zwei und fünf Jahren. Denn viele Probleme entstünden, weil die Kinder schon mit Entwicklungsrückschritten in die Schule kämen.

Eltern über die gute Schule entscheiden lassen

Für die Präsidentin von Elternlobby Schweiz Pia Amacher dagegen stehen die Eltern im Zentrum: «Eltern sollten mitbestimmen können, was für eine Art Bildung ihr Kind bekommt.» Sie setzt sich für eine freie Schulwahl ein, die es bisher noch nicht in der Schweiz gibt. Wenn eine Schule nicht gut sei, könnten die Eltern ihr Kind von der Schule nehmen und in eine andere Schule geben.

Am Ende gab es an der Tagung kein Patentrezept dafür, was eine gute Schule ist und wie sie in Zukunft gestaltet werden könnte. Entscheidend war der Austausch untereinander.

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