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«Künstliche Intelligenz ist für Kinder wie ein Flaschengeist mit ganz viel Zeit»

Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik werden die Zukunft prägen. Eine tolle Sache für unsere Kinder? Vielleicht – wenn sie lernen, Chancen zu nutzen und Risiken zu minimieren. Was Eltern tun können, um ihre Kinder auf die KI vorzubereiten, verrät der Zürcher KI-Spezialist Marco Lardelli im Interview.

Kind schaut in Hologramm-Text
«KI ist faszinierend, kann aber auch gefährlich werden», warnt Experte Marco Lardelli. © Gorodenkoff / iStock / Getty Images

Herr Lardelli, warum ist es wichtig, dass wir Erwachsenen und auch unsere Kinder lernen, mit Künstlicher Intelligenz (KI) umzugehen?

Künstliche Intelligenz wird sich vermutlich sehr schnell weiterentwickeln. Deshalb werden KI-Systeme zumindest Kindern geistig bald massiv überlegen sein. So ergeben sich neue Gefahren für Kinder, auf die zunächst wir Erwachsenen reagieren müssen.

Künstliche Intelligenz oder kurz KI bezeichnet Computerprogramme, die eigenständig in der Lage sind, Aufgaben zu lösen, und dabei weiterlernen und sich weiterentwickeln.

Heute schon verbreitete Beispiele sind:

  • Suchmaschinen und soziale Netzwerke: Sie nutzen KI, um individuell genau die Informationen anzubieten, die zur jeweiligen Person passen.
  • Sprachassistenten wie Alexa und Siri: Sie spielen Musik ab, lesen Rezepte vor, erinnern an Termine und sagen das Wetter vorher.
  • ChatGPT: Das Tool erstellt Texte und erklärt komplexe Zusammenhänge, schreibt Gedichte und Geschichten.
  • Roboter: Sie können in der Produktion von Produkten schnell auch komplexe Bewegungsfolgen ausführen.

Welche Risiken können für Kinder durch Künstliche Intelligenz entstehen?

Da fallen mir gleich mehrere Punkte ein: KI kann nicht nur Fehler machen, sondern auch bewusst eingesetzt werden, um Menschen – auch Kinder – zu täuschen. Mit KI lassen sich leicht Fotos, Gesichter und Sprache fälschen. Sie kann auch dazu beitragen, Vorurteile zu verschärfen oder Geschlechterstereotype zu zementieren. Ausserdem besteht die Gefahr, dass KI Kinder dazu verleitet, freiwillig sensible Daten preiszugeben. Darüber macht KI es schwer, zwischen Realität und Scheinwelt zu unterscheiden. Computerspiele zum Beispiel werden immer realistischer werden.

Kann KI einsam machen?

In etwa zehn Jahren wird es Filme geben, die in wenigen Sekunden exakt auf die Bedürfnisse einzelner Personen zugeschnitten werden. Das Thema des Films könnte dann zum Beispiel direkt auf die Erlebnisse des Tages Bezug nehmen. Das heisst, Vater und Mutter werden abends nicht mehr denselben Film schauen, und ihr Kind womöglich einen anderen als der Schulkamerad. Das ist faszinierend, birgt aber auch die grosse Gefahr, dass Eltern und Kinder nicht mehr über ihren eigenen Tellerrand hinausschauen. Es kann geschehen, dass sie in eine Blase abtauchen, die mit der Realität nichts mehr zu tun hat. Dies ist heute schon mit Social Media teilweise der Fall.

Marco Lardelli befasst sich bereits seit 1985 mit künstlicher Intelligenz. Seine Firma Kanohi führt unter anderem Kurse zum Thema künstliche Intelligenz und Robotik für Manager durch. Auf seiner Plattform Ki-Kit wendet sich Marco Lardelli mit Kursen an Laien. Hier können Jugendliche – unterstützt durch entsprechende Software – lernen, Roboter-Systeme zu bauen. Das dazugehörende Lehrbuch eignet sich auch für Lehrpersonen, um KI im Unterricht erlebbar zu machen.

Was sollten Kinder über KI wissen?

Kinder müssen lernen, dass im Internet an jeder Ecke versucht wird, sie zu manipulieren und dass dies meistens nicht in ihrem Interesse ist. KI wird selten dazu verwendet, Menschen glücklich zu machen. Sie kommt stattdessen zum Zuge, um Klickraten zu erhöhen, Werbung zu machen und Produkte zu verkaufen. Ausserdem ist es wichtig, dass Kinder wissen, dass das, was ihnen KI präsentiert, individuell auf sie zugeschnitten ist. Wie zum Beispiel auf Social Media oder Pinterest – hier wird ihnen das vorgeschlagen, wofür sie sich in der Vergangenheit am meisten interessiert haben.

Welche Chancen bestehen?

Künstliche Intelligenz ist wie ein Flaschengeist, der unendlich viel Zeit hat für Kinder. Er bietet ihnen Spiele an, unterhält sich mit ihnen, kann Fragen beantworten und behilflich bei Projekten sein. Das kann Kinder voranbringen!

Bereitet die Schule Kinder auf Künstliche Intelligenz vor?

Das Schulsystem hat sich bislang schon schwergetan, die Möglichkeiten, die digitale Medien bieten, zu nutzen. Deshalb bin ich leider eher skeptisch, dass Schulen in absehbarer Zeit in der Lage sein könnten, Kinder an Künstliche Intelligenz heranzuführen. Eltern sollten von der schulischen Seite nicht allzu viel erwarten. Aber es gibt natürlich auch Ausnahmen, also Lehrer die sehr gute Arbeit leisten.

Kinder und KI: So können Eltern Unterstützung bieten

Marco Lardelli rät  Eltern, Kinder bei ihren Erfahrungen mit der KI zu begleiten. Nur wie? Der Experte hat folgende Tipps: 

  • Nicht in Panik verfallen! Es ist falsch, zu glauben, Kinder müssten schon früh an die Technik von morgen herangeführt werden, damit sie den Anschluss nicht verpassen. Es ist nicht hilfreich, in Aktionismus zu verfallen und mit Kindern alle möglichen technischen Aktivitäten zu unternehmen. Kinder müssen nicht alle kleine KI-Ingenieure werden. Es kommt mehr auf andere Fähigkeiten an.
  • Zu den Future Skills, also den Fähigkeiten, die in der Zukunft wichtiger denn je werden, gehören zum Beispiel Kreativität beim Lösen von Problemen, soziale Intelligenz wie zum Beispiel die Fähigkeit zur Kooperation, selbstmotiviertes und selbstgesteuertes Lernen, Resilienz und kritisches Denken. Und all das lässt sich am besten erlernen, wenn Kinder spielen dürfen – ohne Smartphone in der Hand, im Sandkasten, in Rollenspielen, Regelspielen oder analogen Spielen. Am besten ist es, die Zeit zu verlängern, in der Kinder einfach Kinder sein können!
  • Digitale Fähigkeiten zu erwerben, ist nur einer von vielen Future Skills. Kinder können solche digitalen Fähigkeiten auch erlernen, ohne ins Internet gehen. Es ist spannend, Roboter zu bauen und zu programmieren – zum Beispiel mit Lego Mindstorms oder in Kursen.
  • Begleitung! Eltern sollten kein Smartphone kaufen und ihr Kind damit alleine lassen. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass Eltern schon jetzt viel vorsichtiger mit unlimitiertem Zugang zum Internet sind. Denn dort sind mehr und mehr künstliche Intelligenzen mit sehr fortgeschrittenen Fähigkeiten unterwegs. Kinder brauchen daher Eltern, die sich mit der KI und ihren Gefahren auseinandersetzen.
  • Auseinandersetzung: KI kann viele Wünsche erfüllen. Oft winkt sie mit schneller Unterhaltung und Bequemlichkeit. Doch ist es wirklich das, was wir brauchen? Was macht uns wirklich glücklich? Wer das weiss, kann einerseits die Möglichkeiten der KI-Technologie nutzen und sich gleichzeitig auch vor ihren Gefahren schützen. Es ist also wichtig, dass Kinder sich selber gründlich kennenlernen und lernen über Fragen nachzudenken wie: Was macht mich glücklicher: ein Spieleabend mit meiner Familie oder drei Stunden auf Facebook?

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