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Die Wackelzahnpubertät – eine Herausforderung für Eltern und Kind

Zwischen Trotzphase und Pubertät machen Kinder einen wichtigen Entwicklungsschritt durch, der sich durch starke Emotionen bemerkbar machen kann. Die sogenannte Wackelzahnpubertät, auch 6-Jahres-Krise genannt, tritt meist zwischen sechs und zehn Jahren auf.  Sie ist nicht nur fürs Kind selbst eine Herausforderung, sondern auch für die Eltern, die mit den Gefühlsausbrüchen konfrontiert sind. Während dieser Phase brauchen Kinder einerseits Geborgenheit, andererseits Freiraum. Wie Eltern dieser Spagat gelingt und wie sie das Kind bei wichtigen Erfahrungen in dieser Entwicklungsphase unterstützen.

Junge liegt lachend auf dem Rücken am Boden neben einer Zeichnung von sich selbst mit einem Zahn in der Hand.
Achterbahn der Gefühle: Aus einem Lachanfall wird in der Wackelzahnpubertät in kürzester Zeit ein Wutanfall.  © GettyImages Plus, portishead1

Das Wichtigste in Kürze zur Wackelzahnpubertät:

  • Die Wackelzahnpubertät ist ein wichtiger Entwicklungsschritt nach der Trotzphase und vor der Pubertät. Die Phase wird auch 6-Jahres-Krise genannt.
  • Die Wackelzahnpubertät beginnt im Alter von fünf bis sechs Jahren und endet, wenn das Kind in die Pubertät kommt. Dauer der Wackelzahnpubertät
  • Die Wackelzahnphase ist geprägt von intensiven Gefühlen. Dazu gehören zum Beispiel Wut, Angst, Trauer, Frust – und auch positive Emotionen wie Begeisterung. Symptome der Wackelzahnpubertät
  • Während der Wackelzahnphase fordern Kinder mehr Freiraum ein, um eigene Erfahrungen machen zu können. Gleichzeitig sind sie aber auch unsicher. Erfahrungen in der Wackelzahnpubertät
  • Eltern sollten in dieser Entwicklungsphase den Dialog mit Kindern suchen und sich auf Augenhöhe mit dem Kind begeben. Tipps: Was tun gegen die Wackelzahnpubertät

Dein Vorschul- oder Grundschulkind wird immer wieder von einem Cocktail unterschiedlichster Emotionen überflutet und reagiert auf Ansagen wütend und trotzig? Dann ist es vielleicht gerade in der Wackelzahnpubertät. 

Erklärung: Wackelzahnpubertät oder 6-Jahres-Krise

Die Wackelzahnpubertät ist eine wichtige Lebensphase für Kinder. Sie tritt nach der Trotzphase und vor der Pubertät auf, also im Alter von etwa sechs bis zehn Jahren. Die Phase wird darum auch 6-Jahres-Krise genannt. 

In der Phase befindet sich das Kind in einem schwierigen Spannungsverhältnis. Familienberaterin Andrea Burkhard erklärt: «Einerseits will und muss das Kind mehr selbstständige Entscheidungen treffen und neue Erfahrungen machen. Andererseits braucht es noch die Nähe und Geborgenheit der Eltern.» Dies kann zu starken Emotionen, zu Verunsicherung und somit auch immer wieder zu Gefühlsausbrüchen führen. 

Andrea Burkhard
© zvg

Psychologin Andrea Burkhard bietet in ihrer Beratungspraxis in Bern Familienberatungen und Lerncoachings an. Ihr Leitsatz: «Jeder Mensch - ob gross oder klein - ist gleichwertig. Im Mittelpunkt steht stets die wertschätzende und konstruktive Beziehung.» Die Expertin hat selbst Zwillinge im Grundschulalter und kennt die Wackelzahnpubertät aus eigener Erfahrung.

Symptome und Anzeichen der Wackelzahnpubertät

Der Entwicklungsprozess in der Wackelzahnpubertät kann zu starken Emotionen, zu Verunsicherung und somit auch immer wieder zu Gefühlsausbrüchen führen. Kinder erleben in der Phase oft...

  • heftige Emotionen und aggressives Verhalten: Dazu können starke Wutanfälle gehören, die Eltern an die Trotzphase im Kleinkindalter erinnern. 
  • starke Stimmungswechsel: Innert Minuten wird aus grosser Begeisterung Enttäuschung, Verzweiflung und Frust.
  • Ängste: Da das Kind mittlerweile differenzierter denkt und Prozesse vorhersehen kann, entwickelt es auch Ängste vor künftigen Geschehnissen.
  • unruhige Nächte: Womöglich schläft das Kind in der Wackelzahnpubertät oft schlecht. 

So lange dauert die Wackelzahnpubertät

«Die Wackelzahnpubertät erstreckt sich über den Zeitraum des Zahnwechsels – daher auch ihr Name », so Andrea Burkhard. Sie tritt also auf, wenn die Milchzähne zu wackeln beginnen und dahinter die ersten bleibenden Zähne wachsen. Es gibt Kinder, die zeigen bereits mit vier bis fünf Jahren erste Anzeichen, andere erst mit acht Jahren. Burkhard weiss: «Bei vielen Kindern beginnt die Phase spätestens mit dem Schuleintritt und endet mit Beginn der Pubertät, also wenn das Kind zwischen neun und zwölf Jahren alt ist.» Wie auch in der Autonomiephase reagieren einige Kinder heftiger als andere.

Ansicht von kleinem runden Spiegel, in dem das Gesicht von einem Mädchen mit Zahnlücke zu sehen ist, das sich selbst zuwinkt
Neuer Lebensabschnitt: In der Wackelzahnpubertät erleben Kinder ein ganz neues Ausmass an Eigenständigkeit. © GettyImages Plus, KuznetsovDmitry

Kinder machen in der Wackelzahnpubertät wichtige Erfahrungen 

Mit dem Eintritt in die Schule ändert sich das Leben des Kindes massiv. Es erlebt – noch mehr als in der Trotzphase – seine Eigenständigkeit und muss sich ausserhalb des Elternhauses behaupten. «Das Kind muss sich an das Schulsystem anpassen, die abstrakte Welt der Buchstaben und Zahlen kennenlernen, Freundschaften eingehen und selbstständig Konflikte lösen», erklärt Andrea Burkhard. «Bei all dem erhält es von aussen weniger Unterstützung und Begleitung als noch im Kindergarten.»

All diese Anforderungen auf neuem Terrain verunsichern das Kind immer wieder aufs Neue. So überwältigend all dies sein kann: Letztendlich ist die Wackelzahnpubertät notwendig fürs Kind, damit es in grossen Schritten seine eigene Persönlichkeit entwickeln kann – auch ausserhalb der Familie.

Tipps für Eltern: Was tun, wenn das Kind in der Wackelzahnpubertät ist?

«Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.» So lautet ein Zitat des Schriftstellers Johann Wolfgang von Goethe. Dieser Satz passt zur Wackelzahnpubertät ganz besonders. Familienberaterin Andrea Burkhard hat folgende Tipps für Eltern mit einem Kind in der Wackelzahnpubertät:

1 Eltern sollten ihrem Kind mehr denn je signalisieren: Ich nehme dich so an, wie du bist. Ich bin da für dich – ohne Wenn und Aber. «Mit dieser Einstellung fangen sie ihr Kind optimal auf», erklärt die Expertin.

2 Gleichzeitig können Eltern ihr Kind in der Entwicklung unterstützen, indem sie ihm Entscheidungen zutrauen und diese dann auch respektieren. «Im Wissen, dass das Kind jederzeit in den sicheren Hafen zurückkehren kann.»

Ein typischer Konflikt in der Phase – und die Lösung dazu

Es hat geschneit, der Schulweg ist voller Schnee, Schneematsch und Pfützen. Das Kind möchte trotzdem in Turnschuhen zur Schule, die Eltern wollen natürlich, dass es warme, schnee- und wasserfeste Schuhe anzieht. Andrea Burkhard rät in dem Fall dazu, den Konflikt nicht auszutragen. «Die Eltern können sagen, es ist kalt, du kriegst so nasse Füsse», schlägt die Expertin vor. Mehr aber nicht. Sie rät: «Bleibt das Kind bei seiner Entscheidung, dann soll es seine Erfahrung machen. Die Eltern können aber Ersatzsocken oder -schuhe in den Thek oder Rucksack packen.»

3 Eltern machen im besten Fall keine Ansagen, sondern besprechen mit dem Kind die Konflikte, die anliegen. Es ist nun kein Kleinkind mehr, es hat sich kognitiv weiterentwickelt. «Die Zeit steht nun auf Dialog und Diskussion», sagt Andrea Burkhard.

4 Eltern sollten Stellung beziehen, das gibt Orientierung und vermittelt Sicherheit. Wichtig ist aber, dass die Meinung des Kindes einbezogen wird.

5 Eltern sollten das Kind bei der Lösungsfindung miteinbeziehen und Kompromisse annehmen. Auf diese Weise lässt sich ein gutes Klima schaffen, das dann auch in der Pubertät greift, wenn sich das Kind möglicherweise nichts mehr vorschreiben lässt.

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