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Babys abhalten – So gelingt die windelfreie Erziehung

Endlich keine Windeln mehr! Viele Eltern sehnen sich danach, dass ihre Kinder trocken werden. Aber wusstest du, dass ein Baby gar keine Windeln braucht? Klingt unglaublich, ist aber wahr. Die sogenannte «windelfreie» Erziehung gelingt, indem Babys abgehalten werden. In diesem Artikel findest du alles zu dem Thema Abhalten bei Babys.

InhaltsverzeichnisDas Baby abhalten – was bedeutet es?So funktioniert es Die Vorteile des Abhaltens Das ideale Zeitfenster 
Bye-Bye Windeln: Mit der Abhalte-Technik machen schon kleine Babys ihr Geschäft ins Töpfchen. So förderst du Reinlichkeit.
Erfahrene Mütter berichten: «Abhalten ist einfacher als das Stillen» © Rita Messmer

Das Abhalten ist keine neue Erfindung oder ein vorübergehender Trend. Es ist eine Säuglingspflege, die schon seit vielen Jahren angewandt wird. Besonders in Entwicklungsländern werden Millionen von Babys von ihren Eltern abgehalten, anstatt ihr Geschäft in eine Windel zu verrichten. Wir zeigen dir, wie das Abhalten funktioniert und wie du die Methode in deinen Alltag integrieren kannst.

Das Baby abhalten – was bedeutet es?

Das Baby abzuhalten bedeutet, das Baby über die Toilette, das Waschbecken oder ein Abhaltetöpfchen zu halten, damit es dort ausscheiden kann. Diese Methode funktioniert, weil Babys eindeutige Zeichen geben, wenn sie ausscheiden müssen. «Es hat etwas mit Biologie zu tun. Es ist so wichtig, dass wir uns endlich damit auseinandersetzen», betont Expertin Rita Messmer. Sie spricht von einem frühkindlichen Ausscheidereflex, der biologisch angelegt und bei der Geburt vollkommen ausgereift ist. Äussere Reize, wie z. B. die Abhalteposition, lösen diesen Reflex aus. 

Jedes Baby hat biologisch die Anlagen zur frühen Reinlichkeit – und zwar vom ersten Lebenstag an. 

Rita Messmer
© rita-messmer.ch

Zur Person: Rita Messmer

Rita Messmer ist die Urheberin und Begründerin des modernen „Windelfrei“. Seit 40 Jahren leitet sie Kurse als Erwachsenenbildnerin und Erziehungsexpertin. Heute führt sie am Murtensee eine eigene Praxis als Craniosacral-Therapeutin mit besonderem Schwerpunkt auf Babys und Kleinkinder. Auf ihrem Youtube-Kanal und in ihren Büchern informiert sie Eltern über das Thema Abhalten.

So funktioniert das Abhalten bei Babys

Eines ist klar: Babys können sehr viel mehr, als Erwachsene glauben. Es geht beim Abhalten aber nicht nur darum, dem Baby beizubringen, ohne Windeln auszukommen, sondern vielmehr müssen Eltern lernen, wann das Baby ausscheiden muss. Aus diesem Grund spricht Rita Messmer für den Einsatz von Stoffwindeln. Mit Stoffwindeln merkt das Baby, wenn es nass wird und behält dadurch das Gefühl für seine Ausscheidungen. Sie weist darauf hin, dass Eltern die frühe Reinlichkeit fördern müssen, jedoch auch auf Stoffwindeln zurückgreifen können, um sich selbst zu entlasten, und um dem Baby ein Gespür für seine Körperfunktionen zu ermöglichen.

Es geht nicht darum, keine Windeln zu brauchen, sondern die frühe Reinlichkeit zu fördern. Stoffwindeln sind eine gute Möglichkeit, Eltern zu entlasten. Komplett auf sie zu verzichten, wäre nicht sinnvoll.

Damit das Abhalten im Alltag zum Erfolg und nicht zur Belastung wird, gibt Rita Messmer hilfreiche Tipps.

Wie oft abhalten?

Das Baby gibt Signale, wenn es ausscheiden muss, z. B. werden sie unruhig oder weinen. Da sie Eltern aber oft verunsichern, rät Frau Messmer dazu, die «Signale zu vergessen». Es hilft dem Baby, wenn die Eltern ruhig bleiben und eine sichere Führung übernehmen.

Statt Signale können Eltern eine bestimmte Routine für das Abhalten einhalten. Wie beim Stillen sind die Abstände zwischen den Ausscheidungen anfangs noch sehr kurz. Doch so wie sich nach und nach ein Schlaf- und Stillrhythmus einstellt, entwickelt sich auch ein Rhythmus für die Ausscheidungen. Folgenden Zeiten sind sehr gut geeignet, um das Baby abzuhalten:

  • Direkt nach dem Aufwachen
  • Während dem Stillen: Ja, richtig gelesen! Das Stillen löst bei Neugeborenen den Gastrokolischen Reflex aus und sie müssen ausscheiden. Deshalb empfiehlt Rita Messmer, das Baby vor dem Stillen nur in eine Mullwindel zu wickeln. Das Baby gibt dann deutliche Signale, wenn es Stuhldrang hat: Es hört auf zu saugen, zieht an der Brust und wird unruhig.
  • Nach dem Stillen – falls das Baby nicht schon während dem Stillen gestuhlt hat.
  • Intuitiv: Die Abhalteposition löst den Ausscheidereflex aus. Ausserdem lernt das Baby, dass es abgehalten wird. «Hier kann man nichts falsch machen», beruhigt Rita Messmer. Wenn nichts kommt, können Gase entweichen, was Blähungen verhindert.

Vergiss die Signale. Probiere das Abhalten einfach aus, du kannst nichts falsch machen.

Gut zu wissen: Wenn das Baby schläft, muss es nicht ausscheiden. Das bedeutet nachts gelten dieselben Regeln für das Abhalten wie tagsüber.

«Richtig» abhalten

Wichtig ist, dass das Baby bzw. Kleinkind immer gut gestützt wird und die Beinchen sanft angewinkelt werden: Halte dein Kind mit dem Rücken zu deinem Oberkörper und spreizte seine Beinchen etwas.

Kleiner Tipp:

Wer nicht mit gebeugtem Rücken oder kniend vor der Toilettenschüssel verharren will, setzt sich einfach breitbeinig mit dem Kleinkind auf die Toilettenschüssel und hält es zwischen den eigenen Beinen. Dabei ist es wichtig, selbst so weit wie möglich nach hinten zu rutschen.

Die richtige Ausrüstung fürs Abhalten

Wer sein Kind abhalten möchte, benötigt zum einen praktische Kleidung, die sich leicht an- und ausziehen oder für das Abhalten öffnen lässt. Je nachdem, wo man abhalten möchte, ist ein Behälter notwendig, der die Ausscheidungen auffängt.

Mama hält ihr Baby ab
Abhaltetöpfchen sind bei Eltern sehr beliebt, denn sie stehen jederzeit zur Verfügung. © Rita Messmer

Es gibt viele Möglichkeiten, wo Babys abgehalten werden können. Wichtig ist, dass man unterschiedliche Orte und Situationen wählt, sonst «koppelt das Gehirn Ausscheiden schnell mit einem gewissen Ort», erklärt Expertin Rita Messmer. Das Abhalten über dem Waschbecken ist vor allem für Eltern bequem, da sie dabei aufrecht stehen können. Ausserdem empfiehlt Messmer das Abhalten über dem Waschbecken, weil das Wasser über die Genitalien den Ausscheidungsreflex stimuliert und das Baby nach dem Ausscheiden gleich mit frischem Wasser sauber gemacht werden kann. Manche Eltern halten ihr Baby lieber über die Toilette ab. Aber auch eine Schüssel oder ein Abhaltetöpfchen sind gut geeignet, denn sie sind jederzeit griffbereit.

Abhaltetöpfchen

Das Abhalten funktioniert am besten, wenn du bereit bist, entsprechend zu reagieren, wenn dein Baby seine Bedürfnisse kundtut. Wenn du immer ein Töpfchen in der Nähe hast, ist das in der Regel kein Problem. Aus diesem Grund investieren viele Eltern in ein Abhaltetöpfchen – auch bekannt als Asia Töpfchen. Diese sind im Vergleich zu einer Schüssel stabiler und besser an die Grösse des Kindes abgestimmt.

Die Vorteile des Abhaltens bei Babys

Babys abzuhalten, hat mehrere Vorteile:

Weniger unangenehm nasse Windeln

Niemand mag in seinen Ausscheidungen liegen – auch Babys nicht. Ausserdem spüren sie beim Wickeln die unangenehme Nässe. Beim Abhalten beginnt das Gehirn deshalb, einen Zusammenhang zwischen Nässe und Ausscheidungen herzustellen, der letztendlich dazu führt, dass das Baby lernt, seine Ausscheidungen zu kontrollieren.

Weniger Hautreizung

Wer sein Kind abhält, bewahrt es vor mancher Hautreizung und Hautentzündung im Windelbereich, die häufig durch nasse Windeln hervorgerufen werden.

Weniger Koliken

Abhalten hilft oft gegen Blähungen oder Verstopfungen. Die aufrechte Position mit angewinkelten Beinen kann unterstützen, Druck im Darm zu lösen und schafft so Abhilfe bei Bauchschmerzen. Auch wenn das Baby beim Abhalten nicht stuhlt, entweichen oft aber Gase, die Blähungen verhindern.

Intensive Eltern-Kind-Beziehung

Babys kommunizieren schon ab ihrer Geburt mit ihren Eltern. Wenn du dein Baby abhältst, musst du es genau beobachten und die Signale richtig lesen und deuten lernen, um die Bedürfnisse zu erkennen. Da es sich beim Abhalten eines Babys um ein wichtiges biologisches Grundbedürfnis handelt, hat das Darauf-Reagieren viel mit einer sicheren Bindung zu tun.

Väter können eine wichtige Funktion übernehmen

Viele Väter fühlen sich bei Neugeborenen oft aussen vor: Sie gebären nicht, stillen nicht und können das Baby oft nicht beruhigen. Wenn sie lernen, ihr Neugeborenes abzuhalten, werden sie schnell zu Experten. Sie fühlen sich gebraucht und entlasten die Partnerin.

Weniger Umweltbelastung, weniger Kosten

Abhalten schont die Umwelt und das Budget. Der Anteil an vollen Windeln im Haushaltsmüll liegt laut Bundesamt für Umwelt bei rund zehn Prozent aller Haushalte auch ohne Kind. Kinder, die nicht abgehalten werden, verbrauchen pro Tag zwischen drei und sechs Windeln. Eltern geben also pro Kind 3’500 Franken für Windeln aus. Wer nicht komplett auf Windeln verzichten möchte, kann problemlos auf Stoffwindeln zurückgreifen. Oft kommen Eltern dann mit fünf bis sechs Stoffwindeln aus. 

Das Zeitfenster für das Abhalten

Nach Expertin Rita Messmer ist es ideal, wenn Neugeborene in den ersten drei Monaten abgehalten werden. Sie begründet dies mit der Aussage, dass ein Baby sich nach der Geburt in der sensiblen Phase befindet, in der es schnell lernt, seine Ausscheidungen zu kontrollieren. Dieser bereitgelegte Entwicklungsschritt muss aber von aussen stimuliert werden. Zwar schliesst sich die sensible Phase Ende des dritten Lebensmonat, jedoch bedeutet das nicht, dass das Abhalten danach nicht mehr funktioniert. Das Gehirn muss es dann über andere neurologische Kanäle lernen. Je länger ein Kleinkind keine Anreize bekommt, seine Ausscheidungen nicht in Windeln zu verrichten, desto schwieriger wird es für das Gehirn, diesen Entwicklungsschritt zu lernen.

Kein Kind möchte in seinen Ausscheidungen liegen.

Gut zu wissen: Auch wenn das Abhalten gut funktioniert, können Entwicklungsschritte zu kleinen Rückschlägen führen. Das sollte Eltern aber nicht verunsichern. Der Durchbruch der Zähne, Impfungen und Krankheiten haben oft nur kurzfristige Auswirkungen auf die Reinlichkeit. Deshalb ist es am besten, die Kinder auch in dieser Zeit wie gewohnt abzuhalten. 

Kleinkinder abhalten

Ich habe Expertin Rita Messmer gefragt, ob ich meinen zwei Jahre alten Sohn abhalten kann. Ihre Antwort: Ja! «Er hat jetzt noch gute Chancen, schnell sauber zu werden».

Wenn ich also morgen mit der Umstellung beginnen möchte, kann ich eine Routine einführen, ähnlich wie die für Säuglinge. Ich ziehe ihm dann gleich nach dem Aufwachen die Windeln aus und sage beiläufig: «Oh, weisst du was, wir ziehen jetzt keine Windel an. Schau da drüben steht der Topf.», gleichzeitig schaue ich zum Topf. Das Gehirn des Kleinkindes erkennt, wohin ich schaue. Wichtig ist, dass das Töpfchen nicht im Badezimmer, sondern im Wohnbereich steht – dort, wo mein Sohn es immer sehen und erreichen kann. So wird schon mal seine Motivation geweckt, allein auf das Töpfchen zu gehen. Wenn er sich dem Töpfchen nähert, muss ich ihm nicht helfen oder Anweisungen geben. Am besten beobachte ich ihn unauffällig. Zu Beginn wird sicher noch etwas daneben gehen. Doch wenn er nass wird, empfindet er es als unangenehm und versucht, es zu vermeiden. Langsam wird er dann begreifen, dass das Töpfchen dafür da ist.

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