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Medienkompetenz für Eltern: Nicht alle Fotos der Kinder sind herzig

Früher im Album, heute auf Facebook. Was bewegt Eltern dazu, Fotos ihrer Kinder online zu veröffentlichen? Wie weit dürfen wir gehen? Experten erklären, warum Medienkompetenz auch von Eltern gefordert ist.

Medienkompetenz: Welche Fotos meiner Kinder darf ich posten?
Der Internetsoziologe Marc Böhler sieht häufig Fotos, bei denen man die Kinder nicht erkennt. Foto: vvvita, iStock, Thinkstock

Beim Anblick verdrehe ich meine Augen: «Warum hast du mir in der 5. Klasse diese scheussliche pinke Hose angezogen?» Meine Mutter antwortet lässig: «Es war dein Vorschlag, du hast es so gewollt». Vor 25 Jahren haben Eltern die Fotos ihrer Kinder noch fein säuberlich in Alben geklebt. In der heutigen Zeit landen sie dank Facebook und Instagram im Internet. Wäre dieses Foto von mir in der pinken Hose im Netz gelandet, würde ich es meiner Mutter heute noch übel nehmen. Meine Mutter bleibt das erspart, denn früher gab es nur die gute alte Schreibmaschine.

Eltern heute müssen sich mit Medienkompetenz beschäftigen. Im Vergleich zu früher gibt es vielfältige Möglichkeiten die neuen Medien zu nutzen, sagt Catherine Moser vom Kinderschutz Schweiz: «Aus Kinderschutz Sicht gibt es einige Risiken und Gefahren, die nicht zu unterschätzen sind, und deren sich die Nutzerinnen und Nutzer, hier also die Eltern, bewusst sein müssen.»

Medienkompetenz der Erwachsenen hat sich verändert

In der Badi, auf dem Spielplatz oder beim Velofahren. Jeden Tag entdecke ich auf Facebook oder Instagram Kinderfotos. Das sind doch sicher viel mehr als früher? Der Internetsoziologe Marc Böhler beobachtet einen Gegentrend: «Zumindest bei meinen Facebook-Freunden sehe ich heute weit weniger persönliche Beiträge in Social Media als noch vor ein paar Jahren. Und gerade junge Eltern, die auch Instagram benutzen, sind sich der Risiken inzwischen stärker bewusst als früher».

Böhler vermutet, dass die Präventions- und Informationskampagnen im Bereich Jugendmedienschutz zum Beispiel von jugendundmedien.ch auch bei den Eltern wirke. «Die Mehrheit der Eltern wird eher vorsichtiger. Wenn mir Eltern von meinem Freundeskreis Ferienfotos zeigen, dann passiert das meist direkt auf dem Handy dieser Freunde. Ferienfotos werden häufiger wieder «in real life» gezeigt. Natürlich legen viele Eltern so wie alle anderen Menschen der heutigen digitalen Gesellschaft Fotos ins Netz. Aber mit den entsprechenden Zugriffsrechten können nur bestimmte Leute, zum Beispiel Verwandte diese Fotos sehen».

Warum stellen Eltern ihre Kinder im Internet zur Schau?

Lucie aus Baar ist Mami von zwei Jungs. Sie postet regelmässig Bilder ihrer Kinder. Im Vergleich zu früher macht sie sich allerdings mehr Gedanken: «Früher hatte ich ganze Alben von den Kindern auf Facebook. Diese habe ich gelöscht. Ich habe schon Bedenken, weil auch die gelöschten Bilder immer noch irgendwo abgelegt sind und eigentlich immer für irgendeinen zugänglich sind. Andererseits denke ich, dass es überall auf der Welt viele Gefahren und komische Leute gibt. Auch wenn ich keine Fotos poste, kann immer etwas passieren».

Rebecca aus Zug hat zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Auch sie postet Kinderfotos auf Facebook: «Ich poste Bilder über mein Leben, meine Erlebnisse, Ausflüge, und so weiter. Da gehören auch meine Kinder dazu». Sie mache sich Gedanken, was sie poste. Es solle nichts sein, das sie demütige oder ihrer Intimsphäre schade.

Ähnlich tönt es bei Steffi aus Lachen. Auch sie zeigt ihre beiden Jungs auf Facebook. Die Kinder sind ein Teil von ihrem Leben: «Für mich ist Facebook ein wichtiger Austausch mit Freunden. Wenn ich jemanden antreffe, erzähle ich auch, dass mein Kind zum Beispiel krank ist. Warum sollte ich das auf Facebook verschweigen, wenn mich das beschäftigt?». Es gibt aber auch Grenzen: «Ich würde mich oder meine Kinder nie nackt posten! Ich poste nur Bilder, welche man auch sehen würde, wenn zum Beispiel jemand bei uns auf Besuch wäre». Die Fotos würden nie öffentlich gepostet und seien nur für ihre Facebook Freunde, ergänzt Rebecca. Sie nehme daher auch nicht alle Freundschaftsfragen an.

Die Mehrheit der Eltern, die ab und zu ein Foto von ihren Kindern ins Netz stellen, machen dies verantwortungsvoll, sagt der Internetsoziologe Marc Böhler. Er sehe häufig Fotos, bei welchen man die Kinder nicht erkennt, das heisst, zum Beispiel Aufnahmen von hinten. «Die Eltern sind stolz auf ihre Kinder. Sie teilen diese Freude seit eh und je mit ihrem sozialen Umfeld. Welches Medium dazu genutzt wird, spielt letztlich keine Rolle, so lange nicht die ganze Welt zuschauen kann, sondern nur auserwählte Kreise».

Wo sind die Grenzen für Eltern?

Erwachsene sollen sich mit dem Thema Medienkompetenz auseinander setzen. Sie sollen sich Gedanken machen, welche Fotos ins Netz dürfen und welche nicht. Für Catherine Moser vom Kinderschutz Schweiz ist klar: «Fotos, die Kinder nackt zeigen, gehören eindeutig nicht ins Netz. Die Gefahr, dass mit solchen Bildern Missbrauch von Pädosexuellen betrieben wird, ist einfach zu gross und kann kaum kontrolliert werden». So einfach es sei, Bilder ins Netz zu stellen, so einfach können sie verteilt werden. Sogar wenn man ein Bild wieder löschen könne, habe man keine Gewissheit, dass es nicht irgendwo bereits abgespeichert oder weitergeleitet wurde. «Für Eltern bedeutet das, sich immer gut zu überlegen, wie die Fotos von Drittpersonen angeschaut und interpretiert werden könnten».

Baby-Fotos mit Bekleidung mit den Verwandten via Facebook, Flickr oder Google zu teilen sei ok, sagt Marc Böhler. «Die Privatsphäre-Einstellungen sind wichtig! Bevor das Kind nicht beurteilen kann, was eine Veröffentlichung bedeutet, soll man gar keine klar erkennbaren Fotos von diesem Kind öffentlich ins Netz stellen. Das Bewusstsein, was eine Veröffentlichung bedeutet, können Kinder ab etwa elf Jahren entwickeln». Es sei dabei wichtig, dass die Eltern schon früh mit dem Kind über das Thema Privatsphäre im Netz sprechen: «Was heisst öffentlich, was heisst privat?» Diskussionen über diese Frage seien in den Familien der Informationsgesellschaft von zentraler Bedeutung.

Medienkompetenz: Auch Kinder haben Rechte

Eltern können nicht einfach machen, was sie wollen. Kinder seien persönlichkeitsrechtlich stärker geschützt als Erwachsene, sagt Marc Böhler: «Eltern sind verantwortlich für die Privatsphäre ihrer Kinder. Theoretisch könnte ein Kind gegen die Eltern rechtlich vorgehen, wenn es sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt. Aber dann ist der Schaden leider meistens schon passiert. Prävention ist daher viel wichtiger».

Rat für alle Eltern

Das Wohl der Kinder geht vor. Zuerst überlegen, dann ausführen. Für Catherine Moser vom Kinderschutz Schweiz ist klar: «Eltern sollten möglichst wenige Bilder ihrer Kinder ungefiltert ins Internet stellen und sich die Auswahl gut überlegen. Dabei hilft es, sich in die Lage des Kindes zu versetzen und sich zu überlegen, ob sie selber dieses Foto von sich im Internet platzieren würden. Teilweise geht es ja mehr um die Selbstdarstellung der Eltern als um den Nutzen für ihre Kinder. Eltern sollten sich bewusst sein, dass sie wie in anderen Bereichen auch, in ihrem Umgang mit Medien eine Vorbildfunktion gegenüber ihren Kindern einnehmen. Allgemein gesagt, ist gute Medienkompetenz wichtig – von Eltern und von Kindern».

Nützliche Seiten für Eltern zum Thema Medienkompetenz:

Jugend und Medien
Das Informationsprotal zur Förderung von Medienkompetenz. Auf dieser Plattform erhalten Eltern, Lehr- und Betreuungspersonen Antworten, wie sie die Heranwachsenden im Medienalltag kompetent begleiten können.

Schau hin was dein Kind mit Medien macht
Die Initiative Schau hin! Der Medienratgeber für Familien informiert Eltern und Erziehende über aktuelle Entwicklungen der Medienwelt.

Bilder im Netz
Plattform der Universität Basel, Seminar für Medienwissenschaft, mit sehr guten Unterlagen, die Eltern anregen sollen, sich Gedanken zum Umgang mit Fotos ihrer Kinder zu machen

Medienkompetenz – Ausbildung – Beratung
Marc Böhler ist in der Kommunikations- und Beratungsbranche tätig und leitet Medienkurse für Erwachsene und Jugendliche.

Autor: Evelyn Leemann im Juni 2015

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