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Jugendliche verbringen mehr Zeit am Handy – und mit der Familie 

Schweizer Jugendliche verbringen immer mehr Zeit mit dem Handy und geben mehr auf Likes und Follower als auf den Schutz ihrer persönlichen Daten. Das zeigt die neuste Ausgabe der JAMES-Studie, die jedes Jahr das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen untersucht. Für alle, die jetzt aufschreien: Es gibt auch Good News. Die Studie zeigt, dass der Nachwuchs auch immer mehr Zeit mit der Familie verbringt. 

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Die Zeit, die Jugendliche am Handy verbringen, nimmt zu. Die Zeit, die sie mit Freunden verbringen, nimmt hingegen ab. Bild: SolStock, Getty Images

Das Handy nimmt immer mehr Zeit und Raum ein: Schweizer Jugendliche verbringen unter der Woche und besonders am Wochenende viel mehr Zeit am Handy als noch vor zwei Jahren. Das zeigt die neuste JAMES-Studie 2020, die jedes Jahr von Experten der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Auftrag der Swisscom durchgeführt wird. Gemäss eigener Einschätzungen nutzen die Teenager ihr Smartphone unter der Woche im Durchschnitt täglich rund drei Stunden, was 40 Minuten länger als 2018 ist. Am Wochenende verbringen sie gar fünf Stunden am Handy. Im Vergleich: Vor zwei Jahren belief sich die Nutzungsdauer am Wochenende auf drei Stunden. 

Mehr Zeit mit der Familie wegen Lockdown?

Die Experten haben zwei Erklärungen für die immer längerwerdende Bildschirmzeit: Zum einen hat die Befragung teilweise während des Corona-Lockdowns stattgefunden. «Die Jugendlichen mussten während des Lockdowns öfter zuhause bleiben und nutzten das Mobiltelefon dafür umso intensiver», so Daniel Süss, ZHAW-Forscher und Co-Leiter der Studie. Die zweite ist, dass das Handy langsam aber sicher den Computer ersetzt. Teenager nutzen das Internet immer seltener am Computer, surfen dafür immer öfter mit dem Handy im Internet. 

Natürlich starren unsere Teenies nicht nur ins Handy. So gibt es eine Überraschung bei der nicht-medialen Freizeitgestaltung: Jugendliche verbringen immer häufiger Zeit mit der Familie. 29 Prozent unternimmt mehrmals pro Woche oder gar täglich etwas mit Familienmitgliedern. Vor zehn Jahren waren es im Durchschnitt lediglich 16 Prozent.

JAMES-Studie 

Die JAMES-Studie untersucht das Mediennutzungsverhalten von Schweizer Jugendlichen. Sie wird seit 2010 alle zwei Jahre von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Auftrag von Swisscom durchgeführt. JAMES steht für «Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz». Es werden jeweils 1000 Jugendliche von 12 bis 19 Jahren aus der deutschen, der französischen und der italienischen Schweiz befragt. 

Für alle, die es genau wissen wollen: Die Studie gibt es hier zum Download. 

Jugendliche treffen immer seltener Freunde

Ein Trend lässt sich auch beim Umgang mit dem Freundeskreis erkennen. Während die Familie hoch im Kurs ist, scheint die Wichtigkeit von Freunden abzunehmen. Jugendlichen treffen seltener Freunde als in den Vorjahren. Während 2010 noch 81 Prozent regelmässig etwas mit Freunden unternommen haben, sind es zehn Jahre später nur noch 62 Prozent. Dies habe vermutlich ebenfalls mit der Pandemie zu tun, glauben die Experten. Aber nicht nur: Denn bereits in den letzten vier Jahren nahmen Treffen mit Freunden immer mehr ab. 

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JAMES-Studie 2020: Ergebnisse

Jugendliche verbringen mehr Zeit mit ihrer Familie als in den vergangenen Jahren. Die Zeit mit Freunden nimmt allerdings ab. Infografik: JAMES-Studie 2020/ZHAW/Swisscom

Nebst Unternehmungen mit Familie und Freunden haben die Jugendliche weitere nicht-mediale Hobbys. Die Studie zeigt, dass kreative Tätigkeiten wie Musik machen, Malen und Basteln tendenziell zunehmen. Auch das hat möglicherweise mit den coronabedingten Einschränkungen zu tun. Und wie auch in den Vorjahren treiben viele Jugendliche Sport, gehen spazieren oder relaxen und machen auch mal nichts. 

Teenies lesen weniger Zeitungen

In den vergangenen zehn Jahren haben klassische publizistische Medienangebote immer mehr an Bedeutung verloren – auch bei den Jugendlichen. Sie lesen immer weniger Zeitungen und Zeitschriften, sowohl online als auch in gedruckter Form. Wollen sie sich informieren, so nutzen die Jugendlichen Suchmaschinen, Social Media und Videoportale. Dieselben Plattformen nutzen sie gleichzeitig auch zur Unterhaltung. Radio und TV werden ebenfalls weniger regelmässig genutzt.

Mädchen machen Fotos, Jungs spielen Online-Games

Zurück zur Handynutzung: Was machen die Jugendlichen in den drei beziehungsweise fünf Stunden, in denen sie am Handy sind? Die Studie zeigt: Das Smartphone wird am häufigsten für Messenger-Dienste, Social Media und zum Surfen im Internet verwendet. Mädchen nutzen ihr Handy mehr zur Kommunikation via Social Media, hören häufiger Musik und machen mehr Fotos. «Bildinhalte sind ein wichtiger Teil der Selbstdarstellung», sagt Co-Studienleiter Gregor Waller von Swisscom. Diese Bilder werden auf Social Media geteilt und von anderen Gleichaltrigen mit Kommentaren und Likes bewertet. «Dies ist ein wichtiger Aspekt in der Entwicklung der Geschlechtsidentität». Den Jungs hingegen sind Games und Online-Videos wichtiger. 

Mädchen wie auch Jungs schauen zudem vermehrt Filme, Serien und TV auf dem Handy. Corona könnte hier zu einem verstärkten Nutzen beigetragen haben: «Der Lockdown war für die Jugendlichen belastend», so Daniel Süss. «Sie nutzten vermutlich verstärkt die Angebote von Streaming-Diensten, um sich abzulenken oder aus der für sie belastenden Realität zu flüchten».

Likes sind wichtiger als Privatsphäre

Soziale Netzwerke spielen eine wichtige Rolle im Leben der Teenager: 90 Prozent der Befragten haben ein Profil bei Instagram und Snapchat, 75 Prozent sind bei TikTok. Facebook hingegen ist nicht mehr so beliebt wie vor einigen Jahren und wird nur noch von 14 Prozent genutzt. 2014 waren noch 79 Prozent der befragten Jugendlichen bei Facebook.

Was auffällt: Jugendliche schützen ihre Privatsphäre in den sozialen Medien weniger als früher. 2014 waren es noch 81 Prozent, die ihre Profile mittels technischer Einstellungen schützten, heute sind es gerade noch 66 Prozent. Der Grund sind die Likes: «Bei Plattformen wie Instagram und Snapchat ist das Sammeln von Likes wichtig», sagt Gregor Waller, Co-Studienleiter von Swisscom.

Wenn die Jugendlichen ihre Privatsphäre einschränken, sind sie weniger sichtbar und erhalten weniger Reichweite. Dies schränkt die Möglichkeiten ein, an Likes zu kommen.

Soziale Netzwerke haben auch ihre Schattenseiten: Ein Viertel der befragten Jugendlichen hat bereits Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht. Auch bei den 12- und 13-Jährigen waren schon zehn Prozent betroffen. Mädchen erleben Cybermobbing etwas häufiger als Jungs. Erfahren Sie hier, wie Sie und Ihr Kind bei Cybermobbing vorgehen können.

Noch häufiger betroffen sind Teenager allerdings von sexuellen Belästigungen im Internet: 44 Prozent der Befragten wurden bereits einmal von einer fremden Person mit unerwünschten sexuellen Absichten kontaktiert. Auch diese Zahl steigt an – 2014 waren es 19 Prozent. Mädchen sind hier mit 55 Prozent deutlich häufiger betroffen als Jungen mit 28 Prozent. 

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