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«Ich weiss nicht, was ich tun soll!» Wie Eltern mit Hilflosigkeit umgehen können

Ihr Kind hört Ihnen nie zu oder ignoriert Sie ständig? Es ist normal, wenn Eltern sich in solchen Situationen hilflos fühlen – und wichtig, dass sie ihrem Kind das auch kommunizieren. Familienberaterin Maya Risch erklärt, wie Eltern mit ihrer Hilflosigkeit umgehen können, um Konflikte zu vermeiden.

Erschöpfte Mutter auf der Couch
Sich Hilflosigkeit einzugestehen ist der erste Schritt, um sie wieder loszuwerden. Bild: fizkes, Getty Images

Aussagen wie «ich weiss manchmal nicht, was ich noch tun soll und fühle mich hilflos» begegnen mir immer wieder in Beratungen oder Elterngruppen. Ich höre aber auch von Freundinnen und Freunden oder aus der Nachbarschaft Sätze wie: «Ich habe das Gefühl, ich rede an eine Wand. Was soll ich denn noch tun?» «Ich gehe zu meinem Kind, begebe mich auf Augenhöhe und sage klar, was ich von ihm will. Dann reagiert es trotzdem nicht, sondern trödelt weiter.» «Wenn ich mit ihm rede, reagiert es einfach nicht, das macht mich wütend und hilflos!» Diese Hilflosigkeit ist etwas ganz Natürliches, wichtig ist vor allem, wie man damit umgeht.

Hilflosigkeit wird schnell zu Wut

Wenn ein Kind uns nicht zuhört oder nicht auf uns reagiert, haben wir als Eltern zwar meistens ein paar Ideen, wie wir in diesen Situationen reagieren können. Sind diese Ideen aber alle ausgeschöpft, ohne dass sich irgendein Erfolg zeigt, kommt schnell Hilflosigkeit auf. Das haben wohl die meisten Eltern schon erlebt.

Spannend ist nun, was bei uns Eltern in einer solchen Situation geschieht. Typischerweise lassen wir dieser aufkommenden Hilflosigkeit keinen Platz, sondern beginnen stattdessen zu schimpfen und zu schreien, zu weinen, gehen einfach weg, ärgern uns über unser Kind oder wünschen es auf den Mond. Warum akzeptieren wir nicht einfach, dass wir gerade ratlos sind? Warum probieren wir es nicht etwa damit, diese Hilflosigkeit unserem Kind gegenüber auszudrücken?

Auch Eltern dürfen hilflos sein

Eine einfache Antwort auf diese Frage: In unserer Vorstellung von Mutter oder Vater ist Hilflosigkeit gegenüber unserem Kind nicht vorgesehen. Das darf es gar nicht geben. Erschwerend kommt hinzu, dass Hilflosigkeit ein sehr unangenehmer Zustand ist. Logisch also, dass wir uns einer Hilflosigkeit dann auf keinen Fall bewusstwerden wollen. Dabei kann bereits dieser Schritt, sich die eigene Hilflosigkeit einzugestehen, so hilfreich und befreiend wirken.

Heute realisiere ich das oft, wenn ich im Umgang mit meinen Jungs hilflos werde. Und dann wage ich es, mich ihnen gegenüber verletzlich zu zeigen und ihnen meine Hilfslosigkeit einzugestehen.

Ein Beispiel aus meinem Alltag als Mama:

Kürzlich ärgerte sich mein 15-jähriger Sohn sehr darüber, dass ich die Rahmenbedingungen zu seinem Medienkonsum innert zwei Wochen schon wieder ändern wollte. Ich konnte ihn eigentlich gut verstehen und fühlte mich in der Situation etwas hilflos. Also sagte ich ihm: «Ich bin zum ersten Mal Mama eines 15-jährigen, der so gerne und oft am Computer sitzt. Ich weiss selber noch nicht so recht, wie ich damit umgehen soll. Ich versuche gerade, hier einen Rahmen zu finden, den ich vertreten kann.» Das konnte er so akzeptieren.

Fazit: Hilflosigkeit einzugestehen wirkt befreiend

Hilflosigkeit nicht nur wahrzunehmen, sondern gegenüber unseren Kindern auch einzugestehen, hat häufig eine sehr entlastende Wirkung für alle Beteiligten. Durch unseren authentischen Ausdruck fühlen sich auch unsere Kinder nicht falsch oder schuldig und der Weg wird frei für einen Dialog. Wir bekommen vielleicht plötzlich zu hören, was die Motivation für das Verhalten der Kinder ist und was sie bewegt. Und oft tut sich am Schluss ein neuer Weg auf, der vielleicht nicht unseren ursprünglichen Erwartungen entspricht, dafür aber die Bedürfnisse aller Beteiligten einigermassen befriedigt.

Wie viel leichter wäre es, wenn wir Eltern uns von diesem Druck befreien könnten, mit allen Herausforderungen souverän umgehen zu müssen! Fangen wir doch gleich damit an und bestärken uns selbst darin, dass es völlig okay ist, nicht schon alles zu können und zu wissen. Im Gegenteil: In gewissen Situationen benötigen gerade Eltern Zeit, Austausch mit oder Unterstützung von anderen! Wenn wir uns dies erlauben, dann können wir, wenn wir uns unserem Kind gegenüber wieder mal hilflos fühlen, dies auch aussprechen und auf diese Art einen kreativen Weg aus einer verfahrenen Lage finden.

Veranstaltung

«Tut Wut gut?» Kurs zum Umgang mit Aggression in der Familie, Input und Austausch in der Gruppe

Wann: Mittwoch, 25. und 1. Juni 2021, je 20:15 bis 22:15 Uhr
Wo: Praxis für Beziehungskompetenz, Rosmarinweg 3, 8057 Zürich Oerlikon

Anmeldung: Per Telefon unter  +41 076 428 99 84 oder via Mail an kontakt@mayarisch.ch.

Erziehungsberaterin Maya Risch.

Praxis für Beziehungskompetenz

Die Familienberaterin, Familylab Seminarleiterin und Waldkindergärtnerin Maya Risch lebt mit ihren zwei Söhnen und ihrem Mann in Zürich-Oerlikon. In einer individuellen Eltern- bzw. Familienberatung oder in Gruppentreffen bietet sie Eltern die Möglichkeit, zu erfahren, wie sie mit Unsicherheiten, Wut und Konflikten umgehen können und zeigt neue Perspektiven im Umgang mit Stolpersteinen im Familienalltag auf. 

Mehr zum Angebot und weitere Artikel von Maya Risch.

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