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In vier Wochen zu mehr Lebensfreude: So läuft ein Anti-Mobbing-Coaching ab

Coachings gibt es für unterschiedliche Frage-, Problemstellungen und Lebenslagen. Auch für Kinder, die unter Mobbing leiden. Laura Ackermann hilft diesen Kindern, den Weg zu finden aus der Mobbingfalle und wieder neuen Mut zu fassen. Wie das geht? Die Anti-Mobbing-Trainerin lässt Finja zu Wort kommen. Die 13-Jährige hat ein solches Coaching durchlaufen. 

Mobbing in der Schule: Mädchen steht alleine in Schulzimmer, Rückenansicht.
Wenn jeder Schultag zur Qual wird: Viele Kinder erleben in der Schule Mobbing – Laura Ackermann hilft ihnen. Bild: GettyImages Plus, SDI Productions

Wie Sie bestimmt wissen, habe ich mich auf Mobbing bei Kindern spezialisiert. Ich möchte Ihnen heute einen besonderen Einblick in meine Arbeit ermöglichen. Und zwar erzählt uns Finja ihre Geschichte und was sie in den Coachings erlebt hat.

Zur Person: Finja (13)

  • Mobbing seit vier Jahren.
  • wird seit Monaten vom Schulsozialarbeiter und einem externen Psychologen betreut.
  • ist aggressiv gegen Geschwister, frech zu den Eltern, verbarrikadiert sich im Zimmer, verlässt das Haus nicht, schwänzt die Schule, jegliche Gespräche endeten mit Streit und knallenden Türen.
  • Die Schule hat ihr den Stempel «Problemkind» aufgedrückt und wartet darauf, dass sie im Sommer endlich in die Oberstufe und somit in ein anderes Schulhaus wechselt.
  • Die Eltern sind verzweifelt und ratlos und bitten mich um Hilfe.

Woche 1: Kennenlernen und erste Versuche

Beim ersten Coaching lernen Finja und ich uns erstmals «kennen». Denn wir treffen uns, wie üblich in meinen Coachings, in einem Video-Call. Finja ist offen, aber erscheint sehr abgeklärt. Sie erzählt, was sie belastet. Es ist innert ein paar Minuten klar, dass Finja mit einem Fuss am Abgrund steht und auf direktem Weg in eine Depression steuert. Ich versuche herauszufinden, was Finja von mir erwartet. Meine erste Aufgabe ist es Finja zu stabilisieren. Was sind ihre Ziele? Was belastet sie am meisten? Wir tragen alles zusammen und starten die erste Übung. Finja hat ihr eigenes Übungsbuch von mir bekommen, mit dem sie die nächsten vier Wochen ihre Erfolge fest im Blick hat.

Ein paar Tage später hören wir uns wieder. Finja hat ihre Übung gemacht. Mehr schlecht als recht, denn die erste Übung handelt vom Glauben an sich selbst und den hat Finja längst verloren. Sie ist im tiefsten Inneren davon überzeugt, sie sei nichts wert. Auch das zweite Coaching erreichte Finja nur an der Oberfläche und ich wusste, ich muss tiefer Graben. Finja und ihre Eltern bekommen zwei weitere Aufgaben, die wie ich weiss, Finja an einen Punkt bringen werden, an dem sie sich entscheiden muss, welchen Weg sie einschlagen möchte.

Woche 2 & 3: Auseinandersetzung mit Ängsten, Grenzen und Wut

Jetzt wird es intensiv. Finja muss anfangen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Mit ihren Ängsten, ihren Grenzen, ihrer Wut, ihrer Frustration, ihrem Hass gegen sich und andere und sie wird ihre Komfortzone verlassen müssen.

Bis zur Mitte der zweiten Woche blockiert Finja komplett. Sie will hinter ihrer massiven Schutzwand bleiben. Da wo ihr keiner zu nahekommen kann und sie nicht verletzt wird. Wir haben an diesem Abend ein intensives Gespräch, das über 2 Stunden dauert. Finja schien zum ersten Mal verstanden zu haben, was ihr dieses Coaching für eine Chance bietet und wir alle zusammen da sind, um ihr zu helfen. Sie hat verstanden, dass nur sie die Kontrolle über ihr Leben hat. Sie muss nur das Steuer übernehmen. Ich gebe ihr gleich noch zwei Übungen an die Hand, um ihre Motivation beizubehalten.

Die Kehrtwende kommt bis zum Ende der Woche und wir starten hoffnungsvoll in Woche 3.

In der dritten Woche empfing mich eine strahlende Finja. Ich hatte dieses Kind bis anhin noch nie lächeln gesehen. Sie erzählte, sie hätte ein neues Hobby, sie ging oft raus zum Fahrrad fahren, sie hätte mit ihrem Bruder ein neues Spiel erfunden und und und… Finja hatte plötzlich mehr Energie und war nun bereit zu lernen, wie sie sich gegen ihre Mobber wehrt. Das ist der Lieblingsteil aller Kinder im Coaching und oft lachen wir herzlich zusammen, während wir unsere Strategie erarbeiten. Und wer in dieser Atmosphäre eine Lösung für sein grösstes Problem bekommt, der hat es einfacher diese umzusetzen oder anzuwenden. So auch bei Finja am Ende der dritten Woche. Sie setze alles genau so um, wie sie es gelernt hatte. Nach fünf Tagen hatte Finja ihren ersten Schultag ohne Mobbing und hat sich zum erstmals seit Jahren mit einer Klassenkameradin verabredet.

Woche 4: Die Veränderung wird bemerkt

Finja muss lernen, ohne mich zurecht zu kommen. Wie kann sie sich selbst motivieren? Was braucht sie von ihrer Familie? Wie stellt sie sich in Zukunft ihren Ängsten? Mit welchen Methoden fühlt sie sich am wohlsten? Wo findet sie Hilfe? Finjas Mama ist begeistert von der Veränderung und sie geniesst die Zeit mit ihrem Mädchen in vollen Zügen. Finja kocht mit Mama, spielt mit ihren Geschwistern und mittlerweile kommt die neue Freundin schon zum dritten Mal zum Spielen vorbei. In der Schule herrscht bis auf ein paar doofe Sprüche, die Finja im Keim erstickt, Ruhe.

Wir treffen uns zum Abschlusscoaching und schauen auf den Anfang zurück. Haben wir unser gestecktes Ziel, mehr Selbstvertrauen zu haben, erreicht? Oh ja, das haben wir! Finja und ihre Familie müssen weiter mit meinen Büchern arbeiten, um den Erfolg zu manifestieren. Aber sie sind auf dem besten Weg und Finja weiss, wenn sie mich braucht, bin ich stets erreichbar für sie. Der Grundstein ist gelegt!

Und was sagt Finja zu all dem?

Wartet nicht zu lange und holt euch Hilfe. Es ist stark Hilfe anzunehmen und es gibt einem wieder Mut. Lasst euch nicht von anderen runterziehen. Die haben mehr Probleme mit sich selbst als mit euch.

Wie Recht sie doch hat!

Bravo Finja! Ich bin sehr stolz auf dich und es was mir eine Ehre dich zu begleiten!

BE NICE – SEI NETT

Gewidmet an dieses Mädchen, welches keinen Ausweg mehr sah.

Das ist meine Herzensangelegenheit und deshalb ist es mir eine Ehre für Sie alle schreiben zu dürfen.

Die Zeiten in denen Mobbing zu Tode geschwiegen wird, sind vorbei.

Es braucht klare und offene Worte.

Ich spreche für die, die sich am wenigsten wehren können.

Unsere Kinder!

Ich kämpfe:

Für mehr Toleranz und weniger Diskriminierung!

Für mehr Verständnis und weniger Ignoranz!

Für mehr Zusammenhalt und weniger Einsamkeit!

Für mehr Wahrheit und weniger „schön reden“!

Für mehr eingreifen und weniger wegschauen!

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