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Warum mein Bild über Stoffwindeln ins Wanken kam

Stoffwindeln sind was für überzeugte Öko-Menschen, so das Bild vieler Eltern. Die waschbaren Windeln galten lange als Garant für durchnässte Kleider. Zu Unrecht, wie ein Test zeigt.

Stoffwindeln im Test: Wie dicht sind sie?
Eine bunte Stoffwindel: Ob sie hält? (Bild: Kosamtu/iStock, Thinkstock)

Klassenzusammenkünfte sind ja eine Sache für sich. Einerseits freut man sich, die alten «Gspänli» wieder zu sehen und zu erfahren, wie es ihnen in der Zwischenzeit ergangen ist. Andererseits wird das Quartettspiel der eigenen Vita zuweilen ad absurdum betrieben wenn es darum geht, wer das schönere Haus, die steilere Karriere oder den schnelleren Sportwagen vorzeigen kann.

So funktioniert Wickeln mit Stoffwindeln

  • Je nach Windelsystem 1-2 Einlagen in das Windelhöschen einlegen (bei Modellen mit eingenähten Einlagen entfällt dieser Schritt).
  • Kompostierbares Windelvlies in die Stoffwindel einlegen. Dieses fängt feste Ausscheidungen auf, die Feuchtigkeit wird von den Einlagen aufgesaugt. Hat das Kind ein grosses Geschäft gemacht, kann man dieses danach samt Vlies ins WC werfen.
  • Das Wickeln selbst funktioniert gleich wie bei herkömmlichen Wegwerfwindeln. Eventuell müssen Sie Ihrem Kind etwas häufiger die Windeln wechseln, um ein Auslaufen zu verhindern.

Stoffwindeln: vielsagende Blicke folgten

Da war die Diskussion, die ich mit zwei früheren Schulfreundinnen führte, gerade eine angenehme Abwechslung: Es ging um unsere Kinder. Eine der beiden Kolleginnen erzählte stolz, dass ihre Zweieinhalbjährige seit einiger Zeit schon selbst aufs Töpfchen gehe.

«Nur nachts, da ziehe ich ihr zur Sicherheit noch Windeln an», erzählte sie, und ergänzte: «Aber das ist ja kein Problem, wir verwenden seit ihrer Geburt eh nur Stoffwindeln.» Die andere Freundin und ich tauschten vielsagende Blicke aus.

Lohnt sich der Aufwand mit Stoffwindeln?

Zugegeben: innerlich rümpfte ich etwas die Nase. Mir kam die Gummiüberhose in den Sinn, die unsere Mutter für uns Puppenmamas aus den eigenen Babytagen zum Spielen aufbewahrt hatte. Und die kratzige Woll-Überhose. Nichts, was ich meinem da noch sehr zarten Baby zumuten wollte.

Wieso nehmen Eltern heutzutage den Aufwand des Windelnwaschens noch auf sich?, überlegte ich. Und überhaupt: hält eine solche Gummiüberhose überhaupt dicht? Jedem das Seine, dachte ich mir, und beeilte mich, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken.

Eine Anfrage mit Folgen

Mehrere Monate später landet eine Anfrage von Meret Ruggle mit dem Betreff «Stoffwindeln – etwas für Familienleben?» in meiner E-Mail-Box. Das schlagkräftige Verkaufsargument «24 Öko-Windeln vs. 6000 Wegwerfwindeln» macht mich neugierig.

Stoffwindeln versus herkömmliche Pampers
Direkter Bildvergleich: Herkömmliche Pampers neben den stoffigen Windeln. (Bild: kasjato/iStock, Thinkstock)

Die Information, dass man damit über die rund zweieinhalb Jahre, in denen ein Kind gewickelt wird, über 1000 Kilo Abfall einsparen kann, stösst bei mir auf offene Ohren. Ich beschliesse, die Stoffwindeln in einem Selbsttest auszuprobieren.

Nicht die Stoffwindel ist angestaubt, sondern mein Bild von ihr

Als erstes muss ich feststellen, dass mein Bild mit Gummi- und Wollüberhose veraltet ist. «Es gibt heute Systeme, die beim Wickeln ähnlich einfach wie eine herkömmliche Wegwerfwindel funktionieren», klärt Ruggle mich auf. Tatsächlich: Das Windelhöschen sieht aus wie eine Schwimmwindel, je nach Gusto mit bunten Farben oder Mustern verziert.

Ich wähle für den Test ein Modell aus, bei dem man das Höschen individuell mit einer oder zwei Einlagen bestücken kann und mit Druckknöpfen verschliesst.

Ein dunkler Striefen, der nichts Gutes verheisst

Nach einem vom Hersteller empfohlenen Waschgang wagen das Töchterchen und ich uns an das Experiment heran. Morgens lege ich ihr «Stoffies», wie sie unter Insidern genannt werden, an und wir verlassen das Haus in Richtung Turnstunde. Zwei Stunden nach dem Anziehen zeichnet sich beim Kind unterhalb des Pos ein dunkler Streifen auf der Jeans ab.

Die Ursache dafür zeigt sich beim Wickeln in den Umkleidekabinen: Das Windelvlies, mit dem man feste Ausscheidungen auffängt, ist verrutscht und so haben Body und Hose die Feuchtigkeit angesogen.

Waschtipps für Stoffwindeln

  • Testen Sie die Windeln in einem ruhigen Moment. Wer sich Wegwerfwindeln gewohnt ist, braucht eventuell ein paar Anläufe, bis alle Handgriffe sitzen
  • Waschen Sie die Stoffwindeln und allfällige Zusatzeinlagen vor dem ersten Gebrauch, so kann man die Saugkraft erhöhen
  • Benützte Windeln nach spätestens 3-5 Tagen waschen, um die Geruchsbildung im erträglichen Rahmen zu halten
  • Windeln mit einer kalten Vorwäsche (20-30 Minuten) von Urin und Restfäkalien befreien
  • Windeln bei 40 bis maximal 60 Grad waschen
  • Möglichst natürliches Waschmittel ohne das Enzym Cellulase verwenden, keinen Weichspüler und Chlorbleiche verwenden (Fasern werden angegriffen, was die Lebensdauer der Windeln verkürzt)

Hat die Stoff-Fangemeinde Unrecht?

Neue Windel, neues Glück. Dieses Mal achte ich peinlich genau darauf, dass kein Fitzelchen mehr aus der Windel lugt. Und siehe da, das Kind ist nach zwei Stunden immer noch sauber und trocken.

Doch dann, eine halbe Stunde später, zeichnet sich erneut ein feuchter Streifen auf der Hose ab. Sind die Stoffies also doch nicht so dicht, wie es die grosse Anhängerschar behauptet? Erneut finde ich den Fehler in meiner Anwendung. Aus «Platzgründen» und aus Unwissenheit habe ich in die Stoffwindel nur eine statt der zwei mitgelieferten Saugkerne eingelegt.

«Damit man die Saugkraft einer herkömmlichen Wegwerfwindel erreicht, braucht es zwei Windeleinlagen», klärt Meret Ruggle mich auf. Weil die Wegwerfwindeln den Urin mit speziell saugfähigem Material und Chemikalien binden, sind sie weniger voluminös als Stoffwindeln.

Die Angst vor Überschwemmung ist stärker

Nach dem Wickeln kommen die festen Ausscheidungen mitsamt Windelvlies ins Klo, das Windelhöschen mitsamt Baumwoll-Einlagen kommt in einen speziell beschichteten Wäschesack. Als eingefuchste Einwegwindel-Benützerin ist das für mich gewöhnungsbedürftig, da ich bislang rein gar nichts die WC-Schüssel runterspüle.

Tipp für Stoffwindel-Anfänger:

Legen Sie neben dem Wickeltisch eine Plastikschüssel bereit, in der Sie die Windel «zwischenlagern» können. Da manchmal etwas daneben geht, kann man die Windel oft nicht auf dem Boden oder dem Wickeltisch deponieren. Und bis das Kind fertig gewickelt ist, kann man die Windel auch nicht von den Ausscheidungen säubern.

Obwohl das Vlies kompostierbar ist und sich nach kurzer Zeit auflösen sollte, ist mir dies in unserem alten Haus mit alten Leitungen nicht ganz geheuer, da ich keine Fäkalüberschwemmung wegen verstopften Klos riskieren will. So kommt das Vlies samt Inhalt ins Hundesäckli.

Nach zwei ganzen Versuchstagen habe ich schliesslich den Bogen raus und stelle stolz fest, dass ich die Stoffies schon soweit im Griff habe, dass die Windel auch die ganze Nacht dichthält. Ich bin überrascht und erfreut gleichermassen, dass dank moderner Stofftechnologie die unbequeme Gummiüberhose überflüssig geworden ist.

Das Waschen lieber nicht auf die lange Bank schieben

An die Gerüche beim Wickeln und daran, dass ich ab und zu ein Wäschestück von etwas Kaka befreien muss, bevor’s in die Waschmaschine kommt, habe ich mich längst gewöhnt. Da macht es mir auch nichts mehr aus, dass ich die Windel trennen muss, statt sie einfach in den Abfall zu stopfen.

Doch einen Nasenrümpfer muss ich ehrlicherweise einräumen. Liegen die Windeln längere Zeit im Wäschesack, kann sich – je nach Raumtemperatur – ein ziemlich strenger Geruch bilden. Da hilft nur ein: Nase zu und durch.

Stoffwindeln an der Wäscheleine: Wie zu alten Zeiten mit Omas Schlüpfer.
Stoffwindeln an der Wäscheleine: Wie in alten Zeiten mit Omas Schlüpfer. (Bild: Chantalrothier/iStock, Thinkstock)

Stoffwindeln von Charlie Banana

Die Stoffwindeln für diesen Selbsttest stammen von Charlie Banana und wurden uns von Meret Ruggles Online-Shop windelkind.ch zur Verfügung gestellt.

Meret Ruggle und ihr Partner gründeten den Online-Shop windelkind.ch 2016. «Als wir letztes Jahr selbst Eltern wurden, mussten wir feststellen, dass man als Schweizer Kunde Stoffwindeln nur im Ausland kaufen kann – was sehr kompliziert ist.» Im Shop sind zwei unterschiedliche Arten Stoffwindeln erhältlich: Charlie Banana mit herausnehmbaren Wickeleinlagen sowie Ökowindeln der Marke Bambino Mio, die mit eingenähtem Saugkern geliefert werden.

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