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Ist dein Kind ein Picky Eater? Tipps, wenn dein Kind Essen verweigert

Trend oder ernsthaftes Problem?DefinitionPicky Eater oder Essstörung?Tipps für Eltern

Dein Kleinkind will kein Gemüse essen und ernährt sich nur von Pasta? Erstmals ist das kein Grund zur Sorge – auch wenn man im Netz und auf Social Media immer öfter über Picky Eater und die  Folgen von wählerischem Essenverhalten liest. Es handelt sich dabei in den meisten Fällen um ein ganz normales Phänomen, das in der Autonomiephase auftritt. Mit unseren Tipps kannst du deinen Nachwuchs in dieser Phase unterstützen. 

Kleiner Junge in Hochstuhl, auf dem Boden liegt ganz viel Gemüse.
Landet das Gemüse immer auf dem Boden? In der Autonomiephase entwickeln Kinder ihren eigenen Willen und Geschmack. © GettyImages Plus, Arsenii Palivoda

Essen mit einem Kleinkind ist oft alles andere als entspannt. Ich weiss, wovon ich spreche, ich erlebe das gerade täglich: Da wird gespielt, gemantscht, gezappelt und oft auch getrotzt und verweigert. Essen – und das ganze Drumherum – muss ja auch erst gelernt werden. Und dazu gehört auch, den eigenen Geschmack zu entdecken und auszubilden.

Picky Eating: Trend oder ernsthaftes Problem?

Aber: In letzter Zeit hört und liest man immer öfter über Picky Eater (englisch für wählerische Esser) und was Eltern tun können, wenn das Kind beim Essen plötzlich wählerisch wird. Muss ich mir also Sorgen machen, wenn mein Sohn nur die Spätzli vom Teller pickt und den Rest liegen lässt? Ziehe ich etwa einen Picky Eater gross?

Ich habe mich darum an Moana Werschler, Ernährungberaterin und Ernährungscoach für Familien, gewandt und sie gefragt, ob solche Phasen für Kleinkinder nicht ganz normal sind und Picky Eating einfach ein neues Trendwort ist für etwas, was es schon immer gab.

Picky Eater Definition: Was bitte ist picky eating?

«Viele Kinder werden beim Essen irgendwann mäkelig», sagt die Expertin. Sie wollen plötzlich kein Gemüse mehr essen, verweigern Neues oder wollen immer nur dasselbe Menü.  Es kann sein, dass ihnen das Aussehen, der Geruch, der Geschmack oder die Konsistenz nicht passt und sie etwas darum einfach nicht essen. Die Kleinen werden also «picky», wählerisch. Dies beginnt meist in der Autonomiephase, die ab 18 bis 24 Monaten beginnt und wird noch ausgeprägter im Alter von 2 bis 3 Jahren. Ein Verhalten, das es seit eh und je gibt, hat also einfach einen Namen bekommen.

Moana Werschler

Moana Werschler, auch bekannt als Miss Broccoli, ist ganzheitliche Ernährungberaterin und Ernährungscoach für Familien. «Zu viele Eltern sind heute gestresst, oder verwirrt über die vielen Ernährungstipps für Kleinkinder. Ich möchte helfen, dass Essen wieder Spass macht und stressfrei ist und zwar für die ganze Familie», sagt sie.
Mehr zu Moana: www.missbroccoli.com

Dass der Begriff Picky Eater häufiger fällt, liege am Bewusstsein für gesunde Ernährung, meint Moana Werschler. «Immer mehr Eltern befassen sich intensiver mit dem Thema und achten darauf, was und wie sie essen.» Diese Eltern legen natürlich Wert darauf, dass sich ihr Kind ebenfalls gesund und ausgewogen ernährt. Wenn der Nachwuchs dann plötzlich Gemüse verweigert, klingeln die Alarmglocken. Und Moana Werschlers Telefon. Sie berät laufend Eltern, die einen Picky Eater zuhause haben und nicht mehr weiter wissen oder sehr viel Stress am Esstisch erleben.

Wenn Eltern selbst kaum Gemüse essen, fällt es ihnen auch nicht auf, wenn es das Kind auch nicht tut.

Moana Werschler, Ernährungscoach für Familien

Picky Eater oder Essstörung?

Picky eating an sich ist nichts Aussergewöhnliches. Wie Kinderärzte Schweiz schreibt, sind bis zu 25 % der Babys und Kleinkinder von einer vorübergehenden Essstörung betroffen. Bei den meisten handle es sich um eine leichte Störung, die einfach eine Entwicklungsbesonderheit darstelle. Nur in wenigen Fällen ist eine umfassende Abklärung und eine Intervention notwendig.

Mehr als nur ein Picky Eater: Therapie und Behandlung

Das offensichtlichste Symptom einer kindlichen Essstörung ist Untergewicht oder andere körperliche Symptome, die durch Mängel oder Unverträglichkeiten ausgelöst werden können. Dein Kind ist blass, hat weniger Energie oder schläft viel? Dann sprich deinen Kinderarzt darauf an. Aber auch, wenn das Essverhalten deines Kindes stark auffällig ist: Es würgt oder erbricht beim Essen oder sein Essverhalten hat sich schlagartig verändert. Zu beachten ist auch, dass sich picky eating auf das Kleinkindalter beschränkt. Spätestens mit fünf bis sechs Jahren sollte sich das Verhalten verbessern, meint Werschler. Ist dies nicht der Fall, solltest du dich an einen Experten wenden. Sie selbst hatte auch schon Kinder im Coaching, die neun oder zehn Jahre alt waren und sich immer noch sehr eingeschränkt ernährt haben. Die Kinder litten darunter, schildert Werschler – auch weil sie anders assen als ihre Mitschüler.

Picky eating kann (über)fordern: Hol dir Hilfe!

Wenn dich die Situation an eurem Esstisch verunsichert, frage nach! Wende dich an deinen Kinderarzt oder an eine Familienberatungsstelle. Auch wenn du befürchtest, dass dein Kind zu «picky» ist. Picky eating kann extremer sein als bei durchschnittlichen Kindern, sagt Moana Werschler. Diese Kinder essen sehr eingeschränkt oder ganze Lebensmittelgruppen fehlen. Oft gibt es einen Zusammenhang zu Hochsensibilität oder sie sind sogenannte Supertaster. Picky eating wird auch mit Autismus oder ADHS in Verbindung gebracht. Weitere Gründe, die es abzuklären gilt, sind Lebensmittelunverträglichkeiten.

Kleines Kind mit Vater beim Gemüseschneiden
Kleine Kinder wollen mitwirken: Wenn du dein Kind beim Kochen helfen lässt, wird es das Menü anders wahrnehmen. © GettyImages Plus, Halfpoint

Tipps für Eltern mit einem Picky Eater

Heikel, trotzig und absolut nicht experimentierfreudig: Bist du mit deinem Kind gerade in der beschriebenen Phase? Moana Werschler berät Eltern mit wählerischen Essern. Diese Tipps gibt sie bei picky eating:

1 Das Kind auch mal selber entscheiden lassen und so seine Autonomie unterstützen. Diese Erfahrung ist in der Autonomiephase besonders wichtig. Das heisst aber nicht, dass man extra kochen oder nur noch für das Kind kochen sollte. Schliesst dein Kind jedoch zu viele Lebensmittel aus und die Verweigerung wird zu extrem, solltest du dich an einen Profi wenden.

2 Essen nicht mischen! Dein Kind soll sehen, was es auf dem Teller hat und die Lebensmittel nach Belieben probieren und schmecken können. Verzichte darum auf Eintöpfe oder Aufläufe oder zu viel Sauce und ordne am besten alles separat auf dem Teller an.

3 Den Regenbogen auftischen: Es gibt Kinder, die reagieren stark auf Farben. Dies ganz unbewusst, sozusagen aus Instinkt. Grüne Lebensmittel galten früher als nicht besonders kalorienreich und nahrhaft, rote aber schon.

4 Ausprobieren und ausprobieren lassen! Vielleicht mag dein Kind ein Lebensmittel nur in einer bestimmten Konsistenz, nur roh oder nur gekocht. Koche aber nicht extra für dein Kind – koche für euch alle. Laut der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) zeigen Studien, dass Kindern diejenigen Lebensmittel am besten schmecken, die sie häufig zu essen bekommen. In der Regel mögen Kinder, was sie mindestens zehn- bis fünfzehnmal probiert haben. «Allerdings hört die Mehrheit der Eltern bereits nach zwei bis drei Versuchen damit auf, ihren Kindern ein neues Lebensmittel schmackhaft zu machen», so die Experten der SGE.

5 Immer mit Gemüse kochen: Zu jeder Hauptmahlzeit gehört Gemüse. Du kannst dieses auch verstecken – zum Beispiel in einem Omelett oder Püree. Sag es deinem Kind aber und verstecke“ das Gemüse nicht heimlich!! So kann es stolz sein, wenn es probiert hat!

6 Keinen Zwang und Druck ausüben. Lass dein Kind selbst entscheiden, was es essen will und wie viel. Mit Druck bewirkst du in dieser Phase genau das Gegenteil und es gibt noch mehr Stress am Esstisch.

7 Keine Belohnungen als Druckmittel einsetzen. «Nur wenn du Gemüse isst, gibt es Dessert.» Genau das solltest du nicht tun. Das Dessert ist höchstens ein Zusatz zum Menü und bekommt keine höhere Gewichtung als andere Lebensmittel..

8  Zeit und Ruhe sind die wichtigsten Zutaten für ein Familienessen. Stress ist oft ein Faktor für ein problematisches Essverhalten. Ein Teufelskreis: Denn wenn euch das Verhalten eures Kindes am Esstisch unter Druck setzt, kann das wiederum zu Stress fürs Kind führen und so zu picky eating.

9 Eltern sind die wichtigsten Vorbilder – auch beim Essen. Wenn du willst, dass dein Kind Gemüse isst, dann musst auch du dein Gemüse essen und zeigen, dass es dir schmeckt. Kinder lernen von den Eltern, wie eine ausgewogene Ernährung aussieht.

Übrigens: Essen ist mehr als nur essen. Zeige deinem Kind was alles zu einer Mahlzeit. Geht zusammen einkaufen. Lass dein Kind Zutaten wählen, die ihr dann zusammen zubereitet. Du wirst sehen: Dein Kind wird Spass daran haben, mitzuhelfen und mitzuwirken!

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