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Wenn das eigene Kind den Eltern Geld klaut

Kann es wirklich sein? Wird das Geld in meinem Portemonnaie weniger, weil mein Kind mich beklaut? Die Kinderpsychologin Ina Blanc erklärt, weshalb manche Kinder Münzen und Scheine entwenden, ob sie dadurch eher zu Ladendieben werden und wie Eltern am besten reagieren.

Wenn Kinder ihren Eltern Geld klauen.
Mein Kind, klaust du mir wirklich Geld? Foto: Lisa 5201, iStock, Getty Images Plus

Die Münzen im Kleingeldglas funkeln allzu verführerisch, das Portemonnaie der Eltern erscheint immer übermässig gefüllt und das Wechselgeld vom Einkauf beim Bäcker braucht das Mami doch eigentlich gar nicht – oder?

Es kann vorkommen, dass das Bargeld der Eltern auf zunächst unerklärliche Weise schrumpft. Waren gestern noch zehn Franken im Portemonnaie, tummelt sich dort heute nur noch das Münzgeld. Und die grösseren Fische aus dem Kleingeldglas scheinen alle herausgefischt. Was ist passiert?

Vielleicht ist es nur ein Verdacht, vielleicht haben Sie es zufällig mit eigenen Augen gesehen: Ihr Kind bedient sich ohne zu fragen am Geldvorrat von Mami und Papi. Warum nur? Es bekommt doch Sackgeld und darf immer fragen, wenn ihm etwas fehlt! Wie soll man als Elternteil jetzt nur reagieren?

Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten rund ums Thema gesammelt, das auch bei Ihnen plötzlich in den Vordergrund geraten kann.

1 Weshalb beklauen Kinder ihre Eltern?

Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben: «Ein Kind klaut vielleicht, weil es Bonbons kaufen will. Ein anderes will womöglich Freunde kaufen oder andere Kinder beeindrucken», sagt die Kinderpsychologin Ina Blanc.

Ein weiterer Grund könne darin liegen, dass die Kinder auf ihre Art Gerechtigkeit herstellen wollen. Haben die Eltern vielleicht in letzter Zeit wenig Zeit für den Sohn oder die Tochter gehabt, weil sie viel gearbeitet haben? Womöglich denkt das Kind, das Geld raube ihnen die Zeit mit den Eltern, also nehmen sie sich nun eben das Geld.

Bei grösseren Kindern oder Jugendlichen könne es auch sein, dass die Kreditkarte entwendet werde und auf einmal grössere Beträge fehlen. «Kauft das Kind online Spiele? Ist es vielleicht abhängig? Oder sind sogar Drogen im Spiel?» Laut Ina Blanc ist es sehr wichtig, die Bedürfnisse und die Motivation des Kindes genau zu klären.

2 Ist den Kindern nicht klar, dass Sie etwas Unrechtes tun?

Egal, aus welcher Motivation heraus die Kinder ihre Eltern beklauen, eines haben sie laut der Psychologin Ina Blanc meist gemeinsam: «Kinder und Jugendliche legen es sich im Kopf oft so zurecht, dass sie meinen, sie klauen ja nicht wirklich. Sie sagen sich, sie leihen nur etwas aus», sagt Ina Blanc. Der Diebstahl zu Hause werde von ihnen oft banalisiert, kriminell fühlen sie sich dabei eher nicht.

Das Gute daran: Wer zu Hause klaut, wird nicht zwangsläufig zum Ladendieb. Doch eigentlich müssten es die Kinder besser wissen. Denn: «Das moralische Empfinden entwickeln Kinder schon früh», erklärt Ina Blanc. «Sie wissen schon mit etwa 4 Jahren ganz genau, was ihnen gehört und was anderen gehört.» Zu entschuldigen ist das Verhalten also nicht.  Wenn sich das Kind nach klärenden Gesprächen die Realität immer noch zu seinen Gunsten zurecht biegt und sich vielleicht auch andere delinquente Verhaltensweisen zeigen, sei eine frühzeitige psychologische Intervention zu empfehlen.

3 Wie sollten Eltern am besten reagieren?

Zunächst einmal, so empfiehlt es die Kinderpsychologin, sollten Eltern abklären, aus welcher Motivation heraus ihr Kind das Geld genommen hat, denn oft verstecken sich hinter dem entwendeten Geld ganz andere Bedürfnisse. In keinem Fall sollte man die Tat banalisieren, auch wenn das Kind so argumentiert.

«Der Vertrauensbruch ist viel schlimmer als der materielle Verlust», sagt Ina Blanc. Dem Kind sollte klargemacht werden, dass in der Familie eine Vertrauensbasis herrschen müsse – als Grundlage des Miteinanders. Und eben diese Basis ist durch das Verhalten beschädigt worden.

«Das Kind darf das Geld, das es genommen hat, natürlich nicht behalten. Und es sollte unbedingt eine klare Konsequenz folgen», empfiehlt sie. Durch Arbeiten im Haus oder ähnliches kann es zum Beispiel Schulden wieder abtragen. Bei Teenagern könne es als Konsequenz etwa Handyentzug geben.

4 Wie kann ich meinem Kind den Wert des Geldes beibringen?

Geld kann für ein Kind etwas Merkwürdiges sein: Die Erwachsenen scheinen so viel davon zu haben. Es selbst hat im Vergleich so wenig. Weshalb nur? Und wozu brauchen die Eltern das ganze Geld überhaupt?

Die Kinderpsychologin Ina Blanc empfiehlt Eltern, ihren Kindern schon früh zu erklären, dass Mami und Papi jeden Monat nur eine bestimmte Summe an Geld verdienen. Dass es etwas kostet, wenn Wasser aus dem Hahn kommt, wenn die Heizung das Zimmer erwärmt und so weiter.

«Man muss ja nicht sagen, es ist alles furchtbar, wir haben kein Geld. Aber man kann sagen, wir müssen rechnen, damit das Geld reicht. Wir können nicht alles kaufen», empfiehlt sie.

Heute komme erschwerend hinzu, dass Geld immer unsichtbarer werde. Mit mysteriösen Karten wird der Einkauf an der Kasse bezahlt, ohne dass Münzen oder Scheine zum Vorschein kommen. «Geben Sie Ihren Kindern Geld in die Hand. Das hilft eindeutig beim Umgang damit, so bekommen sie einen Bezug zum Thema», sagt die Kinderpsychologin.

Ina Blanc gibt Tipps, wie Eltern mit den Ängsten ihrer Kinder umgehen können.

Ina Blanc ist Psychologin am Zentrum für Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie der Uni Basel und ist dort Leiterin der Weiterbildungen in Kinder- und Jugendpsychologie.

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