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Wenn Eltern zu Kindern werden und Kinder zu Eltern: Tipps für den Umgang

Die eigenen Eltern zu pflegen bringt Kinder oft an ihre psychischen und physischen Grenzen. Auch die Eltern hadern mit der ungewohnten Unselbstständigkeit. Wie der Rollenwechsel trotzdem gelingen kann.

Wenn Eltern älter werden bringt das die ganze Famile oft an ihre Grenzen. Wie der Rollebwechsel gelingen kann.
Pflege bringt beide an ihre emotionale Grenzen: Eltern und Kinder. Bild: E+

Es fängt meist schleichend an. Mutter erinnert sich nicht mehr an den Wochentag. «Ich dachte, es ist Mittwoch!», sagt sie. Na ja, das kann doch jedem mal passieren – oder? Aber dann häufen sich die Irrtümer. Der Schlüssel ist weg. Das Geld ist ausgegeben – wofür, das weiss sie nicht mehr. Sie erinnert sich auch nicht, ob sie das Blutdruckmittel heute schon eingenommen hat. Doch nicht nur geistig, auch körperlich kann die Kraft der Eltern so nachlassen, dass sie unselbstständig werden und Pflege brauchen.

Sicher, wir wussten, eines Tages erwischt das Alter auch unsere Eltern. Doch so richtig haben wir uns damit nicht beschäftigen wollen. Das ist kein Wunder, schliesslich wollen wir nicht damit beginnen, uns auf Raten von den Eltern zu verabschieden. Dass uns das Leben dieses Loslassen aufzwingt, macht uns wütend. Wut erzeugt auch die eigene Hilflosigkeit. Wie sollen wir es nur schaffen, das Leben unserer Eltern zu stemmen, wo die Organisation unseres eigenen Lebens eine Herausforderung ist? Ein nicht zu meisternder Berg von Arbeit scheint vor uns zu liegen, in einer Lebenssituation, in der wir selbst berufstätig sind, Kredite abzahlen, Kinder erziehen und versorgen.

Schwäche zu zeigen, ist nicht einfach

Dass sich Eltern nicht immer gern helfen lassen, macht die Situation nicht leichter. Nicht alle Eltern möchten einsehen, dass sie Hilfe brauchen. Sie wollen an ihrem Selbstbild und ihrer Selbstständigkeit festhalten. «Was du immer hast!», «Das kann ich doch alleine!», «Misch dich nicht ein», hören besorgte Kinder oft. Und es ist auch nicht leicht, plötzlich erfahren zu müssen, dass sich die Rollen nun umkehren, Schwäche zeigen zu müssen. Ein Leben lang haben die Eltern für sich und ihre Kinder gesorgt, jetzt sollen sie die Verantwortung Stück für Stück abgeben und die Kinder die Führung übernehmen lassen. Aber was bleibt dann noch?

Wieder andere Eltern wollen zwar Hilfe, sind aber mit den Lösungen, die den erwachsenen Kindern vorschweben, nicht einverstanden. Ratschläge und Aufforderungen werden stur abgeblockt. Sie wollen nicht in eine ebenerdige Wohnung umziehen. Eine fremde Putzkraft kommt ihnen nicht ins Haus. Sie sind doch immer mit dem Auto zum Einkaufen gefahren.

Lernen, die neue Rolle zu anzunehmen

Ratlosigkeit und Frustrationen bleiben zurück. Die Kinder sind hin- und hergerissen in ihrer Sorge um das gesundheitliche Wohl ihrer Eltern und dem Wunsch ihre Würde nicht zu verletzen. Und häufig bleiben Sie allein mit ihren Problemen. Wo Sie Hilfe, Entlastung und finanzielle Unterstützung finden, lesen Sie hier. Die folgenden Tipps helfen Ihnen dabei, mit dem Rollenwechsel klar zu kommen. 

1 Ins Gespräch kommen

Früher boten die Eltern Schutz und Sicherheit. Nun sind sie schutzlos und unsicher. Der Rollenwechsel macht nicht nur uns, sondern auch den Eltern zu schaffen. «Sprechen Sie miteinander über die neue Situation und über Ihre Gefühle. Dank eines offenen Austausches verstehen Sie frustrierte Reaktionen, ungewöhnliche Verhaltensweisen oder neue Eigenheiten bei sich und Ihrem Gegenüber besser», rät Pro Senectute.

2 Informationen sammeln

Wer sich auskennt, kann sich besser entscheiden, ob und wie er die Pflege zuhause übernehmen möchte. Deshalb ist es wichtig, fachkundige Ansprechpartner zu kennen und einen Überblick über Hilfsangebote, praktische Hilfsmittel wie Treppenlift oder Notrufsysteme, zu erwartende Kosten und die Möglichkeiten einer finanziellen Unterstützung zu haben.

3 Einen Standpunkt gewinnen

Wer einen festen Standpunkt hat, gerät nicht ins Taumeln und verringert die Gefahr, sich von den Ansprüchen der eigenen Kinder, des Partners und der pflegebedürftigen Eltern zerreissen zu lassen. Sich in Ruhe hinzusetzen und Antworten auf einige wichtige Fragen zu suchen, lohnt sich. Solche Fragen könnten lauten:

  • Wie viel Zeit könnte ich für die Pflege der Eltern investieren?
  • Wie viel Zeit davon möchte ich investieren?
  • Wie wird sich mein Einsatz auf mein Leben auswirken – auf meine Gesundheit, meine Familie? Kann ich mit diesen Folgen leben?
  • Welche Zeit bleibt für mich – für die Regeneration meiner Kraft?

4 Netzwerke aufbauen

Netzwerk zu knüpfen tut gut und macht flexibel im Alltag. Junge Eltern, die ein Betreuungsnetz aus Nachbarn, Grosseltern, Babysitter, befreundeten Eltern aus Kindergarten und Schule aufgebaut haben, wissen das. Ein Netz aus Helfern fängt auch schwierige Situationen bei der Betreuung alter Menschen auf. Dazu können zum Beispiel Partner, Geschwister, die eigenen – älteren – Kinder und Nachbarn gehören. Am runden Tisch lässt sich die Hilfe aller Beteiligten koordinieren. Ein Zeitplan dokumentiert, wer wann Zeit und Hilfe zur Verfügung stellt.

5 Fachwissen erwerben

Die Mutter will duschen, aber der Boden ist rutschig. Der Vater ist hingefallen und kann nicht alleine aufstehen. Was ist jetzt zu tun? Die Betreuung und Pflege eines Menschen ist tükisch und schliesslich sind Sie kein Profi. Hören Sie Vorträge oder besuchen Seminare zur Betreuung und Pflege zu Hause. Beratung und Kurse bietet beispielsweise die regionale Spitexorganisation an.

6 Sich mit anderen Pflegenden austauschen

Wer sich mit anderen Pflegenden trifft, bekommt nicht nur viele hilfreiche Tipps, sondern findet auch Verständnis für die eigene, oft schwierige Situation. «Die Gespräche in der Angehörigengruppe sind Ihnen eine grosse Stütze. Es tut gut, sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen», erklärt Pro Senectute. Organisationen wie insieme Schweiz, Stiftung Cerebral, Alzheimervereinigung, Schweizerische Parkinsonvereinigung und Krebsliga bieten Selbsthilfegruppen, Angehörigentreffen oder Seminare an.

7 Selbstpflege

Wer sich dazu entschliesst, die Eltern selbst zu pflegen, sollte sich von Anfang an Freiräume schaffen. Gehen Sie zum Fitnesskurs, treffen Sie sich regelmässig mit Freunden und fahren Sie in die Ferien. So kann sich der oder die zu pflegende Angehörige daran gewöhnen, dass Sie nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen.

Dieser Artikel ist der Auftakt einer neuen Serie mit dem Schwerpunkt «Pflege zuhause.» Pflegen Sie auch Ihre Angehörigen? Melden Sie sich bei uns und erzählen Sie uns, welche Fragen Sie zur Pflege haben und welche Informationen sowie welche Unterstützung Sie brauchen. Schreiben Sie an redaktion@familienleben.ch. Stichwort: Pflege.

 

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