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Datenschutz: Wie Kinder lernen, selber über ihre privaten Daten zu bestimmen

Wer online unterwegs ist, hinterlässt Spuren. Kinder und Jugendliche müssen deswegen aber nicht auf Ihre Lieblingsapps verzichten. Viel wichtiger ist die Sensibilisierung rund ums Thema Datenschutz – und die geschieht zum grossen Teil im Elternhaus. Die Experten von zischtig.ch klären auf, was Eltern wissen sollten. Und keine Angst, Sie müssen nicht gleich zum Technikexperten werden.

Wer online unterwegs ist, wird beobachtet: Wie Kinder Ihre Daten richtig schützen. Bild: GettyImages Plus, nadia_bormotova

Kinder brauchen Privatsphäre. Sie müssen in geschützten Rahmen unfertige Gedanken oder widersprüchliche Gefühle anderen Menschen anvertrauen können. Idealerweise geschieht das frei von Angst vor Abwertung oder Ausgrenzung. Im Internet ist diese Privatsphäre oft nicht gegeben. Wenn Kindern aufgezeigt wird, wer denn alles «zuschaut», mitliest und sie analysiert, während sie am Gamen oder auf TikTok sind, führt das in der Regel zu einem unangenehmen Gefühl. Sie fühlen sich beobachtet. Das ist die normale und logische Reaktion.

Der Umgang in der Familie ist entscheidend

Wenn die Kinder älter werden, wird die Auseinandersetzung mit dem Thema anspruchsvoller. Teenager verlieren teilweise das unangenehme Gefühl und eine Art Gleichgültigkeit kann einsetzen. «Ich habe ja nichts zu verbergen» hören wir häufig auf Einsätzen. Oft denken Jugendliche, sie seien grossen Firmen gegenüber ohnehin machtlos ausgeliefert. Sind sie aber nicht. Und Sie als Eltern können helfen: Mit konkreten Tipps können Sie Ihren Kindern viel auf den Weg mitgeben und der Gleichgültigkeit und Überforderung vorbeugen.

Kinder, bei denen Datenschutz zu Hause ein Thema ist, teilen in der Regel gerne ihre Tricks und Tipps mit anderen. Sie sind stolz und fühlen sich dem grossen Unbekannten weniger ausgeliefert. Oft sind das Kinder und Jugendliche bei denen ein oder beide Elternteile in der IT arbeiten. Das muss aber nicht sein. Datenschutz ist kein Thema nur für Technikbegeisterte. Auch mit Tricks für Laien kann schon viel erreicht werden. Und am wichtigsten ist ohnehin die Auseinandersetzung in der Familie.

So können Sie Ihre Kinder unterstützen:

1 Eigene Grenzen erkennen und kommunizieren: Datenschutz bedeutet Auseinandersetzung mit der Preisgabe von Informationen. Führen Sie mit ihrem Kind immer wieder die Diskussion «öffentlich oder privat?». Das beginnt schon mit der Frage: «Was ist überhaupt öffentlich?» In Klassenchats werden Bilder oft weitergeleitet. Auf Instagram oder TikTok können Inhalte einfach heruntergeladen werden oder sind für jeden und jede zugänglich. Kinder und Jugendliche brauchen Orientierung, um die Grenzen zwischen «öffentlich oder privat» zu erkennen. Anspruchsvoll wird es bei älteren Kindern: Um dazuzugehören oder nichts zu verpassen, verdrängen Jugendliche oft die Auseinandersetzung mit ihrem Online-Image.

Unterstützen können Sie, indem Sie immer wieder vermitteln, dass es okay ist, die eigenen Grenzen einzuhalten. Nicht jede App muss heruntergeladen werden und nicht jeder Besuch bei McDonald’s gepostet werden. Wichtig ist es, als Eltern dabei eine gute Balance zu finden. Kinder und Jugendliche brauchen eine gewisse Öffentlichkeit, um auszuprobieren und wichtiges Feedback zu erhalten. Die Teilnahme an Trends und das Wissen darüber ist für Jugendliche ein legitimes Bedürfnis. Es geht also nicht darum, das Teilen von Informationen prinzipiell zu verbieten, sondern einen bewussten Umgang damit zu vermitteln. Wenn die Kinder etwas älter sind, kann der Blick durchaus auf den grösseren Kontext gerichtet werden. «Auch die grossen Firmen müssen nicht alles über dich wissen. Auch bei denen musst und darfst du dir immer überlegen, ob du denen die Informationen anvertraust oder nicht.» Solche Aussagen helfen Kindern und Jugendlichen bei der Einordnung.

2 Als Vorbild sichtbarer werden: Sie als Eltern sind die wichtigsten Personen im Leben Ihrer Kinder. Ihre Haltung und Ihre Meinung zu Themen prägt. Sogar wenn es im ersten Moment nicht immer ersichtlich ist. Wenn Sie etwa unterschiedliche alternative Chatdienste nutzen oder bewusst entscheiden, was sie in ihrer WhatsApp Story posten und was nicht, dann hat Einfluss auf Ihr Kind. Idealerweise machen sie die Entscheidungsfindung oder Überlegungen dem Kind gegenüber öffentlich. Sie können beispielsweise den Chatdienst Threema nutzen und mit Ihrem Kind darüber sprechen, dass Sie bewusst einen Schweizer Dienst gewählt haben, weil der sich an die Schweizer Gesetze halten muss.  Oder dass Sie sich, um nicht alle Daten bei derselben Grossfirma zu platzieren, für eine gmx.ch oder protonmail.com E-Mail-Adresse entschieden haben. Dabei müssen Sie nicht Ihren ganzen Umgang umstellen. Für Kinder ist es schon wertvoll zu sehen, dass es überhaupt Alternativen gibt.

3 Einbettung in einen grösseren Kontext: Datenschutz ist ein grosses Thema und braucht oft erst Kontextualisierung. Konkret geht es um Macht, die wir Firmen über uns geben. Die Schwierigkeit daran: Häufig ist das nicht unmittelbar spürbar. Aber Daten, die wir im Internet preisgeben, sind für sehr lange Zeit aufrufbar. Die Voraussetzungen müssen in zehn Jahren nicht mehr die gleichen sein. Je nach Alter und Interesse der Kinder und oder Jugendlichen können Sie durchaus auch mit Zukunfts- oder Alternativszenarien arbeiten. Was wäre beispielsweise passiert, wenn die Nazis Zugriff auf die Server von Facebook gehabt hätten? Warum ist beispielsweise Datenschutz in Hongkong, Russland und der Türkei aktuell sehr wichtig? Warum ist Apple in China der Datenschutz plötzlich doch nicht mehr so wichtig? Klar, das sind alles keine Themen, die leicht zu bearbeiten sind. In den News tauchen aber immer wieder Gesprächsanstösse auf und es lohnt sich, mit den Kindern auch solche Diskussionen zu führen. Dafür müssen Sie keine Datenschutzexperten sein.

Diese Apps und Tricks sollten Eltern kennen

Wenn Sie sich als Eltern noch nicht wirklich mit dem Thema Datenschutz befasst haben, ist das nicht schlimm. Sie finden hier ein paar konkrete Apps und Tricks aufzeigen, die sie Ihrem Kindern weitergeben können.

 Suchmaschine: Für viele Kinder ist das Internet und Google dasselbe. Das Google nur eine Suchmaschine unter vielen ist, wissen die wenigsten. Es gibt viel datenschutzfreundlichere Dienste wie beispielsweise Qwant oder DuckDuckGo und noch einige mehr. Idealerweise richten Sie auf all Ihren Geräten eine davon als Standardsuchmaschine ein.

 Browser oder das Internetprogramm: Viele Browser wie Safari, Firefox oder Chrome setzen immer mehr auf Datenschutz. Als erwachsene Person lohnt es sich trotzdem, die Geschäftsmodelle im Blick zu haben. Safari gehört zu Apple, Chrome zu Google. Beides sind Unternehmen, die mit Werbung all oder zumindest teilweise ihr Geld verdienen. Dass diese Firmen Datenschutz nicht als oberste Priorität haben, ist nachvollziehbar. Besser sind Brave oder zumindest Firefox oder Opera. Das muss nicht heissen, dass auf Safari und Co verzichtet werden muss. Vielmehr geht es auch hier um Aufklärung: Es gibt Unternehmen und Zusammenschlüsse, die sich bewusst für Datenschutz einsetzen. Und verschiedene Browser können für verschiedene Dinge genutzt werden. Insbesondere der Brave Browser ist auch für Kinder und Jugendliche spannend. Da gibt es einen eingebauten Schutzschild und mit einem Klick oben rechts auf den Löwenkopf, kann live beobachtet werden, wie Tracker (Firmen, die Daten sammeln) blockiert werden. Das macht Eindruck.

 Kommunikation: In der Schweiz nutzen fast alle Whatsapp. Diese App gehört zu Facebook. Damit kontrolliert eine Grossfirma, die ihr Geld mit Daten verdient, fast die ganze Chatkommunikation. Es lohnt sich mit Kindern zu diskutieren, ob das okay ist. Zum Glück gibt es auch hier Alternativen. Beispielsweise Signal oder Threema. Das heisst nicht, dass WhatsApp schlecht ist oder komplett gelöscht und verboten werden muss. Trotzdem lohnt es sich darüber zu reden und für manches bewusst andere Chatapps einzusetzen.

 Alternative Dienste: Bei der Kartennavigation gehören die Dienste von Google und Apple zu den besten, die es gibt. Aber auch da gibt es Alternativen. Beispielsweise Apps, die auf der Openstreetmap basieren. Zu empfehlen ist hier beispielsweise MAPS.ME oder OsmAnd Maps.

 Logins: Bei vielen Apps ist es ausserdem bequem, sich per Facebook oder Google-Login einzuloggen. Dass dann aber die grossen Firmen auf ziemlich viele Daten Zugriff haben, ist vielen nicht bewusst. Es lohnt sich also, für jede App ein eigenes Login zu machen, auch wenn das manchmal etwas mühsam ist.

Für mehr Selbstbestimmung statt Verzicht

Datenschutz heisst nicht auf Geräte oder die Lieblingsapps verzichten zu müssen. Ziel ist die selbstbestimmte und bewusste Preisgabe von Informationen. Unter diesen Voraussetzungen können wir Instagram und Co. nutzen und gleichzeitig für Datenschutz sensibilisiert sein. Und wir sind auch nicht machtlos: So hat beispielsweise der massive Zuwachs von Signal und Threema dazu geführt, dass Facebook den Annahmezwang seiner Datenschutzbestimmungen herausgezögert hat. Zusammen können wir etwas bewegen. Wir lassen uns nicht alles gefallen.

Medienkompetenz mit dem Verein zischtig.ch

Der Verein zischtig.ch setzt sich dafür ein, Kinder und Jugendliche auf ansprechende, verständliche, berührende und wirksame Weise vor Onlinesucht, Cybermobbing, Cybergrooming und anderen Gefahren zu schützen. Im Vordergrund stehen ein begeisternder Vermittlungsstil und die Befähigung zu einer gewinnbringenden, kreativen und sicheren Mediennutzung. Auf Familienleben.ch schreiben die Experten vom Verein regelmässig über Themen rund um Medienkompetenz.

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