Kind > Neue Medien

Pornografie im Chat: Hat mein Kind auch schon Pornobildli verschickt?

Immer mehr Kinder und Jugendliche werden verurteilt, weil sie im Chat pornografische Bilder und Videos an Gleichaltrige verschicken. Warum machen Kinder so etwas? Und: was können Sie als Eltern machen, um zu verhindern, dass Ihr Kind sich strafbar macht? Kim Gray, Medienpädagogin bei zischtig.ch gibt Tipps.

Pornografie im Chat: Jugendliche liegen auf dem Sofa und schauen in ihr Smartphone
Pornografie im Chat: In vielen Chats von Jugendlichen werden pornografische Inhalte geteilt, die vor Gesetz nicht erlaubt sind. Bild: GettyImages Plus, Fabio Principe

In kaum einer grossen Schweizer Zeitung war es kürzlich nicht auf der Frontseite: Immer mehr Kinder und Jugendliche machen sich mit dem Verschicken von Pornografie in Chats strafbar. Nicht selten geht es dabei sogar um sogenannte «harte Pornografie»: Videos oder Bilder, die sexuelle Handlungen an Minderjährigen zeigen, Vergewaltigungsbilder oder Tierpornografie.

Diese Darstellungen sind krass und eben auch illegal. Solche Pressemeldungen schockieren. Im ersten Moment macht man sich vor allem Sorgen, dass das eigene Kind auch solche Bilder erhalten könnte. Im zweiten kommt dann vielleicht eine ganz andere, mindestens genauso wichtige Frage: Macht mein Kind so etwas auch? Kann ich etwas tun, um das zu verhindern? Und wie gehe ich damit um, wenn es doch passiert ist?

Immer mit der Ruhe!

Findet man heraus, dass das eigene Kind schon einmal Pornografie verschickt hat, ist der Schock oft gross. Wichtig: Es gilt erst einmal, Ruhe zu bewahren. Wenn Primarschulkinder Pornos verschicken, dann selten, weil sie diese wirklich toll finden oder sie selbst konsumieren.

Nein, mit Pornos kann man einfach ganz wunderbar Grenzen austesten: Wie reagieren die Klassengspändli auf so etwas? Je krasser die Bildli und Filmli, desto spannender und deutlicher fällt die Reaktion der anderen aus. Häufig geht es darum, zu «pranken»: den anderen einen Streich zu spielen. Mit krassen Bildern kann ich die anderen erschrecken. Wenn die anderen Kinder auf einen harmlos aussehenden Link klicken und auf einer Pornoseite landen, habe ich sie ganz wunderbar reingelegt. Das macht Spass und bringt Spannung in den Chat.

In Gruppenchats schaukeln Kinder sich manchmal auch gegenseitig hoch: Es können wahre digitale Schlachten entstehen, um die Frage zu klären, wer das heftigste Material zu bieten hat. Wenn die anderen mit krassen Pornobilder vorlegen, ist die Versuchung gross, mit Kinder- oder Tierpornografie noch einen oben draufzusetzen, gerade im Eifer des Gefechts.

Aber eben doch: Gesetze sind Gesetze

Selbst wenn Kinder es oft gar nicht so meinen: strafbar machen sie sich eben doch. Die Gesetze in der Schweiz sind eindeutig. Strafbar macht sich...

...wer Kindern unter 16 Pornografie zugänglich macht. Darunter fällt etwa das Verschicken von Pornobildli über Gruppenchats, aber auch schon das Weitergeben von Links, die auf Pornoseiten führen. Wie alt man selbst ist, spielt dabei überhaupt keine Rolle.

...wer harte Pornografie herstellt, konsumiert oder weiterverbreitet. Darunter fallen Vergewaltigungsdarstellungen, sexuelle Darstellungen zwischen Tieren und Menschen und sexuelle Darstellungen mit Minderjährigen. Bei der harten Pornografie reicht schon der Besitz, um sich strafbar zu machen, d.h. schon ein solches Bild oder Video auf dem Handy ist illegal.

Wichtig: Das gilt auch für die sogenannten Sticker, die über Whatsapp verschickt werden können. Kinder glauben oft, dass man sich damit nicht strafbar machen kann, weil das ja keine «echten Bilder» sind.

Manchmal würden Kinder selbst zwar keine Pornografie verschicken, haben solche Bilder aber auf dem Handy, weil sie diese von anderen bekommen haben. Machen Sie daher unbedingt mit Ihrem Kind ab, dass es alle seine Fotos und Videos durchschaut und was verboten ist, löscht. Zeigen Sie Ihrem Kind, wie man auf Whatsapp den Medien-Auto-Download deaktiviert, damit solche Bilder nicht automatisch auf dem Gerät gespeichert werden.

Wie Kinder ein Rechtsempfinden entwickeln

Am besten schützen Sie ihr Kind, wenn Sie mit ihm darüber sprechen, wie man sich mit Pornografie strafbar machen kann. Gehen Sie die einzelnen Gesetze im Gespräch durch. Sprechen Sie auch die Strafmündigkeit an: Ist Ihr Kind schon zehn, muss es für Illegales selbst geradestehen. Vielen Kindern ist das nicht bewusst.

Die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema kann Kindern helfen, ein eigenes Rechtsempfinden zu entwickeln. Sprechen Sie nicht nur über die rechtliche Lage und drohen mit der Polizei. Thematisieren Sie auch, warum es diese Gesetze gibt. Fünf Ansätze:

1 «Der Anblick von Pornografie kann andere überfordern oder sogar verstören. Pornobildli und -filmli können ungute Gefühle auslösen»

2 «Denk an den Empfänger! Auch wenn du etwas lustig findest, kann es anderen damit schlecht gehen.»

3 «Wenn es um nackte Körper und Sexualität geht, hat jeder seine eigenen Grenzen. Es ist wichtig, dass wir das respektieren.»

4 «Manche Formen der Pornografie sind verboten, weil sie besonders schlimme Sachen zeigen. Tiere und Kinder können nicht selbst entscheiden, ob sie mitmachen wollen. Ist Gewalt im Spiel, gilt dasselbe. Darum darf man solche Dinge nicht weiterverschicken.»

5 Besonders wichtig: Sprechen Sie mit Ihren Kindern nicht nur über die gesetzliche Lage, sondern über das Thema Pornografie ganz allgemein. Denn auch wenn Ihr Kind selbst keine sexuellen Inhalte verschickt, dass Risiko, dass es irgendwann durch andere mit solchen Bildern konfrontiert ist, ist gross und steigt mit zunehmendem Alter. Tipps dazu hier

Weitere Tipps für Ihr Kind

Weil das Verschicken von Pornografie bei Kindern häufig eine Impulshandlung ist, können zudem schon einfache Chattipps helfen, solche Kurzschlusshandlungen zu verhindern. Geben Sie Ihrem Kind folgende Tipps:

! «Warte vor dem Verschicken eines Bildes oder Videos einen kurzen Moment. Denke noch einmal darüber nach, ob du das wirklich verschicken willst.»

! «Denke daran, dass du nie weisst, wie es dem Empfänger oder der Empfängerin gerade geht. Was wenn sie gerade traurig oder wütend sind? Ist das Video oder der Prank dann immer noch lustig?»

! «Wenn dir langweilig ist, dann solltest du nicht chatten. Da kommt häufig nur Mist raus, weil man andere möglichst schnell zu einer Antwort bringen möchte und unnötig provoziert.»

Zu guter Letzt: Sprechen Sie mit Kindern immer wieder über diese Themen und üben Sie die Tipps gemeinsam ein. Auch im Familienchat braucht es manchmal ein kurzes Durchatmen, bevor man den anderen antwortet. Thematisieren sie solche harmloseren Alltagsbeispiele, damit es dann auch im Ernstfall und wenn Pornografie involviert ist, klappt.

Wir wünschen gutes Gelingen!

Medienkompetenz mit dem Verein zischtig.ch

Der Verein zischtig.ch setzt sich dafür ein, Kinder und Jugendliche auf ansprechende, verständliche, berührende und wirksame Weise vor Onlinesucht, Cybermobbing, Cybergrooming und anderen Gefahren zu schützen. Im Vordergrund stehen ein begeisternder Vermittlungsstil und die Befähigung zu einer gewinnbringenden, kreativen und sicheren Mediennutzung. Auf Familienleben.ch schreibt Kim Gray vom Verein regelmässig über Themen rund um Medienkompetenz.

Mehr zu zischtig.ch und weitere Artikel von Kim Gray. 

Meistgelesene Artikel

Neueste Artikel

Beliebte Artikel