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Dein Kind will sich nicht anziehen (lassen)? So reagierst du richtig und vermeidest den täglichen Machtkampf

Das Kind will sich nicht anziehen oder weigert sich, die Mütze, die Jacke oder wasserdichte Schuhe aufzusetzen, obwohl es bitterkalt ist und regnet? In manchen Familien ist die Kleidung ein ständiger Anlass für Ärger und Streit. Dieser Artikel zeigt auf, warum Kinder sich beim Anziehen oft querstellen und wie Eltern reagieren können.

Kleinkind schreit während Mutter versucht, ihr einen Pullover anzuziehen.
Artet das Anziehen oft in ein Drama aus? Mit diesem Problem bist du nicht alleine – und es gibt Lösungen. © Getty Images Plus, Dobrila Vignjevic

Kinder sollen sich anziehen (lassen) – und am besten wettergerecht – das wünschen sich alle Eltern. Doch der Alltag sieht oft anders aus. Immer wieder erleben Eltern, dass Kinder das Anziehen herauszögern oder sich komplett weigern, sich passende Kleidung überzustreifen. So kann das tägliche Anziehen oder aus dem Haus gehen schnell zum anstrengenden Machtkampf werden. Kommen dir solche Szenen bekannt vor?

● Die Familie will Freunde besuchen. Nur das Baby braucht noch warme Babykleidung. Doch beim Um- und Anziehen beginnt ein Weinen, das sich dann zum lauten Geschrei steigert. Das Baby will sich nicht anziehen lassen.

● Fröhlich erscheint Mia am Frühstückstisch – in Unterhose und Hemd. Dabei muss sie doch gleich schon in der Kita sein! Doch Mia denkt gar nicht daran, sich anzuziehen. Sie hat anderes zu tun: Sie will mit ihren Stofftieren spielen.

● Lio rennt raus. Draussen sind nur 2 Grad. «Zieh die Mütze an!», ruft sein Vater. Doch Lio rennt weiter. Der Vater schimpft. «Ohne Mütze darfst du nicht raus», warnt er ihn. Mürrisch fügt sich Lio, doch insgeheim plant er schon, das verhasste Teil gleich in der Jackentasche zu verstecken.

● Und Emma? Die will auf keinen Fall die Sachen anziehen, die die Mutter ausgewählt hat, sondern ihre geliebte orange geblümte Turnhose – und das lila gestreifte Sommerkleid darüber.

Alle vier Beispiele haben eines gemeinsam: Stress und Ärger rund um das Thema Kleidung. In den ersten beiden Beispielen möchten die Eltern, dass es schnell geht – sie sind in Zeitdruck. In Emmas Fall dagegen ist es ihnen vor allem wichtig, dass das Kind Kleidungskonventionen einhält. Und bei Lio spielt die Sorge eine Rolle, dass der Junge sich nicht wettergerecht anzieht und krank werden könnte. Doch die Kinder haben ganz andere Interessen – und auch auf diese gilt es, Rücksicht zu nehmen.

 Perspektive wechseln

«Um zu verstehen, worum es den Kindern geht, ist es sinnvoll, die Perspektive zu wechseln», darauf weist Carina Thiemann, die Autorin des Elternratgebers «Ich fühle was, was du nicht siehst», hin. Sich zu erinnern, wie es sich anfühlt, klein zu sein. Sich Situationen zu vergegenwärtigen, in denen sie sich als Kind ähnlich verhalten haben. Und vor allem: Sich hier und jetzt in das eigene Kind einzufühlen. Dann zeigt sich: Die Sichtweise des Kindes ist eben meist eine ganz andere!

 Probleme vorausschauend besprechen

Gleichgültig, um welches der Beispiele es sich handelt – wenn ähnliche Konflikte immer wieder aufflammen, ist es sinnvoll, sich in einem ruhigen Moment Zeit zu nehmen, um zu ergründen, worum es eigentlich geht. Welches Bedürfnis treibt das Kind an? Wer das erkennt, kann Wege finden, die die Bedürfnisse des Kindes erfüllen und auch den Eltern entgegenkommen.

Ärger beim Anziehen: Gründe und Lösung für das Problem

  • Was benötigt das Baby? Es braucht Ruhe, um im Leben anzukommen. Es weint, wenn etwas mit ihm geschieht, auf das es keinen Einfluss hat. Angenehmer wird die Situation für das Baby, wenn es satt und ausgeschlafen ist. Wenn sich die Eltern Zeit beim Anziehen nehmen und Babykleider geschickt anziehen, vermitteln sie dem Kleinen Ruhe und Sicherheit.
  • Mia braucht mehr am Morgen Zeit. Mit Worten wie «Du musst dich jetzt anziehen, wir kommen sonst zu spät» kann sie gerade gar nichts anfangen. Für sie ist es nicht wichtig, wann sie in der Kita ankommt – sie will jetzt spielen. In ihrem Fall ist es wichtig, Zeitpuffer in die Morgenroutine zu bauen, damit auch noch Zeit zum Spielen bleibt. «Ist genügen Zeit eingeplant, hat das Kind beispielsweise auch die Möglichkeit, sich allein anzuziehen oder mitzubestimmen, was es anziehen möchte», sagt Lulzana Musliu, Leiterin Politik & Medien bei der Stiftung Pro Juventute. Und vielleicht einigen sich Mia und ihre Eltern auf eine Morgenroutine, die immer gleich verläuft: Anziehen, Frühstücken, Zähneputzen und Haare kämmen – und wenn dann noch Zeit ist – auf ein kleines Spiel. Für Übersicht könnte eine To-do-Liste mit entsprechenden Symbolen sorgen.
  • Emma geht es um Autonomie. Sie will selbst bestimmen können, was sie anzieht. Ihre Entscheidungen zu akzeptieren, fällt den Eltern allerdings oft schwer. Lulzana Musliu: «Sollten Eltern befürchten, dass ihr Kind alles kunterbunt mischt, können sie ihm eine Auswahl vorgeben, aus der es frei wählen darf, was ihm am besten gefällt.»
  • Und Lio? Der ist vielleicht ganz genervt von dem Thema Mütze, sie ist ihm richtig lästig. Möglicherweise zeigt sich im Gespräch mit ihm, dass sein Kopf beim Rennen und Toben mit Mütze einfach zu heiss wird. Oder dass sie ihm ständig über die Stirn rutscht, zu eng sitzt oder er die Farbe nicht mag. Dann können die Eltern und Lio sich darauf einigen, dass er die Kapuze seiner Jacke oder eine andere Mütze nutzt, um sich vor Kälte zu schützen.
  • Möglich ist auch, das Kind eigene Erfahrungen machen zu lassen. «Angenommen, es ist kalt und es regnet, doch das Kind will ohne Jacke und mit Sandalen los. Wenn die Zeit reicht, können Eltern es kurz rauslassen, damit es merkt, wie schnell Füsse in Sandalen nass und kalt werden und dass es ohne Jacke friert», schlägt Luzlana Musliu vor. «Nachher kann es die Regenjacke und die Gummistiefel anziehen und mit trockenen und warmen Füssen in Pfützen springen.»

Weitere Informationen und Hilfe:

Die Mütter- und Väterberaterinnen bei Pro Juventute beantworten per Telefon und Chat von Montag bis Freitag (19 bis 22 Uhr) und am Samstag (9 bis 11 Uhr) Fragen, die sich um Ihren Alltag mit Babys und Kleinkindern bis zum fünften Geburtstag drehen.

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