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Feinmotorik trainieren: Der Alltag bietet viele Möglichkeiten

Die Feinmotorik bei Kindern entwickelt sich schon früh. Kinder mit 3 Jahren oder 4 Jahren haben bereits viele Fähigkeiten, die sie durch's Basteln oder sonstige Spiele trainiert haben. Möchte man die Feinmotorik trainieren, bietet der Alltag dafür mehr als genug Möglichkeiten. Malen und Basteln, Kochen und Backen – all das schult die Fingerfertigkeit. 

Ein Junge arbeitet in einem Labor.
Feinmotorik ist nicht nur für spezifische Arbeiten wichtig, sondern im ganzen Alltag. © D-Keine

Das Wichtigste in Kürze

  • Schon in den ersten Lebensmonaten beginnt sich die Feinmotorik zu entwickeln. Bereits in den ersten 18 Lebensmonaten machen die Kinder in Sachen Fingerfertigkeit grosse Fortschritte. Hier eine Übersicht.
  • Ein Kind mit 3 Jahren kann schon mit einer Schere umgehen, ein Kind mit 4 Jahren sogar Linien entlangschneiden. Was müssen Kinder in diesem Alter noch können? Hier gibt's die Antworten. 
  • Kinder brauchen keine speziellen Übungen, um fingerfertig zu werden. Dennoch können Eltern ihre Kinder in dieser Entwicklung unterstützen, indem sie sie viel selbst machen und ausprobieren lassen. Das geht ganz einfach im Alltag. Hier ein paar Tipps und Spiele.
  • Eine Feinmotorik-Störung erkennt man daran, dass das Kind nicht malen oder basteln möchte, weil es glaubt, es nicht zu schaffen. Hier können Eltern mit einfacheren Aufgaben für Erfolgserlebnisse sorgen oder allenfalls Ergo- oder Psychomotorik-Therapie in Anspruch nehmen.

Der Knopf will nicht durchs Knopfloch rutschen, der Schnürsenkel geht immer wieder auf und die Schrift ist völlig unleserlich: Oft steckt der Alltag voller Schwierigkeiten. Eine gute Feinmotorik ist notwendig, damit die kleinen Dinge im Alltag funktionieren. Kinder müssen diese erst einmal lernen.

Darum ist Feinmotorik wichtig für Kinder

«Feinmotorik ist im Leben extrem wichtig», weiss Dr. Ruth Etter, Oberärztin Entwicklungspädiatrie am Universitäts- Kinderspital Zürich. Der Grund ist einleuchtend: «Wir sind im Alltag ständig auf Feinmotorik angewiesen.» Eltern können davon ein Lied singen. Je nach Alter fällt es ihren Kleinen noch schwer, die Gabel unter das Essen zu schieben und zum Mund zu führen, ohne dass etwas hinunterfällt. Auch beim Malen und Basteln, Werken und Graben, Waschen und Anziehen müssen sich Kinder oft helfen lassen.

Wie sich die Feinmotorik bei Kindern entwickelt

Die Zeitangaben zur Entwicklung von Kindern sind nur ein allgemeiner Anhaltspunkt, denn jedes Kind entwickelt sich anders. Es gibt eine breite Spanne, wann Kinder bestimmte Fähigkeiten erlernen können. Die Monatsangaben zeigen lediglich, in welchem Alter ein Grossteil der Kinder bestimmte Entwicklungsschritte macht. 

  • Neugeboren – Greifreflex

Als Neugeborenes kann das Baby einen Finger oder einen Gegenstand fest umklammern – dank seines Greifreflexes.

  • Ca. 0-3 Monate: Auge-Hand-Koordination

Wochenlang sind die Hände des Babys sein liebstes Spielzeug. Es lutscht und saugt an den Fingern, hält seine Hände vors Gesicht und beobachtet, wie sich die Finger bewegen. Es lernt, seine Handbewegungen und das Sehen zu koordinieren.

  • Ab 3-5 Monaten: Greifen

Zwar konnte das Neugeborene schon reflexartig einen Gegenstand festhalten. Jetzt aber beginnt es, die Hände gezielt einzusetzen und zuzugreifen. Sein Wille steuert die Handlung.

  • Ab 6-7 Monaten: Hand-Hand-Koordination

Jetzt klappt auch das Teamwork der Hände. Das Baby kann Gegenstände von einer Hand in die andere wechseln.

  • Ab 7-8 Monaten: Scherengriff

Kleine Gegenstände zwischen Daumen und Zeigefinger zu fassen fällt dem Baby nicht mehr schwer. So kann es jetzt die Schnur seines Nachzieh-Spielzeugs halten – und es mit Hilfe der Schnur sogar an sich heranziehen. Scherengriff nennt sich das.

  • 12 Monate – Pinzettengriff

Das Kind hat nun einen präzisen Griff. Es kann mit ausgestrecktem Daumen und Zeigefinger gezielt einen Gegenstand ergreifen.

  • Um 18 Monate: Drehbewegungen

Viele Kinder haben jetzt bereits Drehbewegungen gelernt, mit denen sie zum Beispiel einen Schraubverschluss lösen können.

Entwicklung im Kleinkindalter

Die Entwicklung der Feinmotorik im Kleinkindalter ist eine entscheidende Phase, in der Kinder komplexere Bewegungen erlernen, die für das tägliche Leben notwendig sind. In dieser Zeit verbessern sie Fähigkeiten wie das Halten von Stiften, das Zusammenbauen kleiner Teile oder das Umgreifen von Objekten. Diese Fertigkeiten sind für die Selbstständigkeit und für schulische Aktivitäten wie Schreiben und Zeichnen wichtig.

  • Faustgriff:

«Zuerst umklammern Kinder einen Stift mit der ganzen Hand – Faustgriff wird das genannt», erklärt Ruth Etter.

  • Ca.19 Monate: Übergangsgriff

Die meisten Kinder entwickeln mit etwa 19 Monaten den Übergangsgriff. «Die ersten Kinder sind im Alter von etwa 15 Monaten dabei, manche erst mit 26 Monaten», so Ruth Etter. «Dabei wird der Stift wie ein Schlüssel gehalten.»

  • Ab 26 Monaten: Drei-Punkt-Griff:

Der Übergangsgriff geht im Alter von 26 Monaten in den Drei-Punkt-Griff über. Ruth Etter: «Das ist die reife Form des Stifthaltens, den auch Erwachsene nutzen. Ab Kindergartenalter können das die meisten Kinder.»

Mit diesen Schritten haben die Kinder die feinmotorischen Grundfertigkeiten erlernt. «Bei älteren Kindern prüfen wir nicht mehr Meilensteine», erklärt Ruth Etter. Jetzt gehe es darum, schneller und geschickter zu werden – zum Beispiel beim Einfügen eines Steckers in ein Steckbrett oder beim Auffädeln von Perlen.

Feinmotorik bei einem Kind von 3 Jahren:

Ein Kind mit 3 Jahren kann mit einer Kinderschere schneiden, einen Stift richtig zwischen den Fingern halten, Dinge aufbauen (zum Beispiel mit Bauklötzen einen hohen Turm bauen oder die Spielsachen so stapeln, dass sie nicht umfallen), Deckel zuschrauben, mit Legos und Puzzles spielen und mit Löffel und Gabel essen. 

Feinmotorik bei einem Kind von 4 Jahren:

Ein Kind mit 4 Jahren kann einfache Formen und Linien nachzeichnen, mit Knete Figuren erschaffen und mit einer Schere einer Linie entlangschneiden. 

Wie Eltern die Feinmotorik bei Kindern fördern

Der Alltag steckt voller Möglichkeiten für Kinder, sich feinmotorisch auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. «Die Übungen stecken im Leben. Sie sind im Alltag inklusive», sagt Ruth Etter. Eltern müssten daher die Feinmotorik ihrer Kinder nicht mit speziellen Übungen fördern, sondern die Ruhe und Geduld aufbringen, ihrem Kind das Experimentieren zu erlauben und sie wenn nötig dabei zu begleiten.

Diese Alltagsübungen fördern die Feinmotorik

Schon kleine Kinder können beim Kochen mitmachen und weiche Lebensmittel schneiden – wie eine Gurke. «Natürlich dürfen Eltern das Kind mit dem Messer nicht alleine lassen. Und sicher geben sie ihm nicht das schärfste Messer, sondern ein stumpfes Kindermesser», sagt Ruth Etter. «So kann es erste Erfahrungen mit dem Schneiden machen. Was Eltern brauchen, sind allerdings Zeit und Geduld, das Kind machen zu lassen.»

Eine Mutter kocht mit ihrem kleinen Kind und fördert damit die Feinmotorik ihrer Tochter.
Gemeinsames Kochen ist ein gutes Mittel, um die Feinmotorik zu trainieren. © Getty Images / Valerii Apetroaiei

Diese Spiele fördern die Feinmotorik

Zeichnen macht Kindern jedes Alters Spass. Die Kleinen beginnen im zweiten Lebensjahr mit Fingerfarben und probieren sich danach mit dicken Buntstiften aus. Ausmalen ist dabei ein besonders gutes Mittel, womit die Kinder ihre Feinmotorik trainieren können. Ausmalbilder findet man online problemlos - und wenn's da auch noch die Lieblings-Superhelden der Kinder gibt, ist das Interesse meist schon geweckt. Wer es schwieriger mag, hier ein Tipp der Redaktion: Mandalas sind sehr gut geeignet für die Feinmotorik. Diese auszumalen hat ausserdem eine beruhigende Wirkung. Auch auf die Eltern, die gerne mitmachen dürfen.

Weitere Tipps

  • Ab 9 Monaten: Stapelspiele, Steckspiele, erste Bauklötze
  • Ab 18 Monaten: Perlen auffädeln
  • Ab 3 Jahren: Kaufladen
  • Ab 4 Jahren: Hämmerchenspiel 
  • Ab 5 Jahren: Laubsägen

 

So äussert sich eine Feinmotorikstörung

Kinder mit einer Feinmotorik-Störung verhalten sich oft ungeschickt und sind langsamer als andere Kinder. Dabei können sie ein Vermeidungsverhalten entwickeln. Weil sie merken, dass ihnen die Handgriffe schwerfallen, wollen sie zum Beispiel nicht malen und nicht basteln. Dieses Vermeidungsverhalten führt dazu, dass sie ein Erfahrungsdefizit entwickeln und sich nur in kleinen Schritten feinmotorisch weiterentwickeln.

«Wenn Eltern ein solches Vermeidungsverhalten bemerken, sollten sie darauf achten, die Anforderungen so herunterzufahren, damit das Kind trotzdem Erfolgserlebnisse haben kann», sagt Ruth Etter. «Wenn es durch feinmotorische Schwierigkeiten im Alltag stark leidet, ist eine professionelle Therapie wie eine Ergotherapie oder eine Psychomotoriktherapie angezeigt.»

 

Dr. Ruth Etter

Dr. med. Ruth Etter ist Oberärztin für Entwicklungspädiatrie und Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin im Universitätsspital Zürich. 

 

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