Baby > EntwicklungFeinmotorik trainieren: Der Alltag bietet viele MöglichkeitenDie Feinmotorik bei Kindern entwickelt sich schon früh. Kinder mit 3 Jahren oder 4 Jahren haben bereits viele Fähigkeiten, die sie durchs Basteln oder sonstige Spiele trainiert haben. Möchte man die Feinmotorik trainieren, bietet der Alltag dafür mehr als genug Möglichkeiten. Malen und Basteln, Kochen und Backen – all diese Übungen schulen die Fingerfertigkeit. Sigrid Schulze InhaltsverzeichnisBedeutungEntwicklung allgemeinEntwicklung im KleinkindalterFeinmotorik bei einem Kind von 3 JahrenFeinmotorik bei einem Kind von 4 JahrenFörderungAlltagsübungenSpieleTippsMehr anzeigen Feinmotorik ist nicht nur für spezifische Arbeiten wichtig, sondern im ganzen Alltag. © D-Keine Der Knopf will nicht durchs Knopfloch rutschen, der Schnürsenkel geht immer wieder auf und die Schrift ist völlig unleserlich: Oft steckt der Alltag voller Schwierigkeiten. Eine gute Feinmotorik ist notwendig, damit die kleinen Dinge im Alltag funktionieren. Kinder müssen diese erst einmal lernen. Darum ist Feinmotorik wichtig für Kinder «Feinmotorik ist im Leben extrem wichtig», weiss Dr. Ruth Etter, Oberärztin Entwicklungspädiatrie am Universitäts- Kinderspital Zürich. Der Grund ist einleuchtend: «Wir sind im Alltag ständig auf Feinmotorik angewiesen.» Eltern können davon ein Lied singen. Je nach Alter fällt es ihren Kleinen noch schwer, die Gabel unter das Essen zu schieben und zum Mund zu führen, ohne dass etwas hinunterfällt. Auch beim Malen und Basteln, Werken und Graben, Waschen und Anziehen müssen sich Kinder oft helfen lassen. Wie sich die Feinmotorik bei Kindern entwickelt Die Zeitangaben zur Entwicklung von Kindern sind nur ein allgemeiner Anhaltspunkt, denn jedes Kind entwickelt sich anders. Es gibt eine breite Spanne, wann Kinder bestimmte Fähigkeiten erlernen können. Die Monatsangaben zeigen lediglich, in welchem Alter ein Grossteil der Kinder bestimmte Entwicklungsschritte macht. Neugeboren – Greifreflex Als Neugeborenes kann das Baby einen Finger oder einen Gegenstand fest umklammern – dank seines Greifreflexes. Ca. 0-3 Monate: Auge-Hand-Koordination Wochenlang sind die Hände des Babys sein liebstes Spielzeug. Es lutscht und saugt an den Fingern, hält seine Hände vors Gesicht und beobachtet, wie sich die Finger bewegen. Es lernt, seine Handbewegungen und das Sehen zu koordinieren. Ab 3-5 Monaten: Greifen Zwar konnte das Neugeborene schon reflexartig einen Gegenstand festhalten. Jetzt aber beginnt es, die Hände gezielt einzusetzen und zuzugreifen. Sein Wille steuert die Handlung. Ab 6-7 Monaten: Hand-Hand-Koordination Jetzt klappt auch das Teamwork der Hände. Das Baby kann Gegenstände von einer Hand in die andere wechseln. Ab 7-8 Monaten: Scherengriff Kleine Gegenstände zwischen Daumen und Zeigefinger zu fassen fällt dem Baby nicht mehr schwer. So kann es jetzt die Schnur seines Nachzieh-Spielzeugs halten – und es mit Hilfe der Schnur sogar an sich heranziehen. Scherengriff nennt sich das. 12 Monate – Pinzettengriff Das Kind hat nun einen präzisen Griff. Es kann mit ausgestrecktem Daumen und Zeigefinger gezielt einen Gegenstand ergreifen. Um 18 Monate: Drehbewegungen Viele Kinder haben jetzt bereits Drehbewegungen gelernt, mit denen sie zum Beispiel einen Schraubverschluss lösen können. Entwicklung im Kleinkindalter Die Entwicklung der Feinmotorik im Kleinkindalter ist eine entscheidende Phase, in der Kinder komplexere Bewegungen erlernen, die für das tägliche Leben notwendig sind. In dieser Zeit verbessern sie Fähigkeiten wie das Halten von Stiften, das Zusammenbauen kleiner Teile oder das Umgreifen von Objekten. Diese Fertigkeiten sind für die Selbstständigkeit und für schulische Aktivitäten wie Schreiben und Zeichnen wichtig. Faustgriff: «Zuerst umklammern Kinder einen Stift mit der ganzen Hand – Faustgriff wird das genannt», erklärt Ruth Etter. Ca.19 Monate: Übergangsgriff Die meisten Kinder entwickeln mit etwa 19 Monaten den Übergangsgriff. «Die ersten Kinder sind im Alter von etwa 15 Monaten dabei, manche erst mit 26 Monaten», so Ruth Etter. «Dabei wird der Stift wie ein Schlüssel gehalten.» Ab 26 Monaten: Drei-Punkt-Griff: Der Übergangsgriff geht im Alter von 26 Monaten in den Drei-Punkt-Griff über. Ruth Etter: «Das ist die reife Form des Stifthaltens, den auch Erwachsene nutzen. Ab Kindergartenalter können das die meisten Kinder.» Mit diesen Schritten haben die Kinder die feinmotorischen Grundfertigkeiten erlernt. «Bei älteren Kindern prüfen wir nicht mehr Meilensteine», erklärt Ruth Etter. Jetzt gehe es darum, schneller und geschickter zu werden – zum Beispiel beim Einfügen eines Steckers in ein Steckbrett oder beim Auffädeln von Perlen. Feinmotorik bei einem Kind von 3 Jahren: Ein Kind mit 3 Jahren kann mit einer Kinderschere schneiden, einen Stift richtig zwischen den Fingern halten, Dinge aufbauen (zum Beispiel mit Bauklötzen einen hohen Turm bauen oder die Spielsachen so stapeln, dass sie nicht umfallen), Deckel zuschrauben, mit Legos und Puzzles spielen und mit Löffel und Gabel essen. Feinmotorik bei einem Kind von 4 Jahren: Ein Kind mit 4 Jahren kann einfache Formen und Linien nachzeichnen, mit Knete Figuren erschaffen und mit einer Schere einer Linie entlangschneiden. Wie Eltern die Feinmotorik bei Kindern fördern Der Alltag steckt voller Möglichkeiten für Kinder, sich feinmotorisch auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. «Die Übungen stecken im Leben. Sie sind im Alltag inklusive», sagt Ruth Etter. Eltern müssten daher die Feinmotorik ihrer Kinder nicht mit speziellen Übungen fördern, sondern die Ruhe und Geduld aufbringen, ihrem Kind das Experimentieren zu erlauben und sie wenn nötig dabei zu begleiten. Diese Alltagsübungen fördern die Feinmotorik Schon kleine Kinder können beim Kochen mitmachen und weiche Lebensmittel schneiden – wie eine Gurke. «Natürlich dürfen Eltern das Kind mit dem Messer nicht alleine lassen. Und sicher geben sie ihm nicht das schärfste Messer, sondern ein stumpfes Kindermesser», sagt Ruth Etter. «So kann es erste Erfahrungen mit dem Schneiden machen. Was Eltern brauchen, sind allerdings Zeit und Geduld, das Kind machen zu lassen.» Gemeinsames Kochen ist ein gutes Mittel, um die Feinmotorik zu trainieren. © Getty Images / Valerii Apetroaiei Diese Spiele fördern die Feinmotorik Zeichnen macht Kindern jedes Alters Spass. Die Kleinen beginnen im zweiten Lebensjahr mit Fingerfarben und probieren sich danach mit dicken Buntstiften aus. Ausmalen ist dabei ein besonders gutes Mittel, womit die Kinder ihre Feinmotorik trainieren können. Ausmalbilder findet man online problemlos - und wenn's da auch noch die Lieblings-Superhelden der Kinder gibt, ist das Interesse meist schon geweckt. Wer es schwieriger mag, hier ein Tipp der Redaktion: Mandalas sind sehr gut geeignet für die Feinmotorik. Diese auszumalen hat ausserdem eine beruhigende Wirkung. Auch auf die Eltern, die gerne mitmachen dürfen. Weitere Tipps Ab 9 Monaten: Stapelspiele, Steckspiele, erste Bauklötze Ab 18 Monaten: Perlen auffädeln Ab 3 Jahren: Kaufladen Ab 4 Jahren: Hämmerchenspiel Ab 5 Jahren: Laubsägen So äussert sich eine Feinmotorikstörung Kinder mit einer Feinmotorik-Störung verhalten sich oft ungeschickt und sind langsamer als andere Kinder. Dabei können sie ein Vermeidungsverhalten entwickeln. Weil sie merken, dass ihnen die Handgriffe schwerfallen, wollen sie zum Beispiel nicht malen und nicht basteln. Dieses Vermeidungsverhalten führt dazu, dass sie ein Erfahrungsdefizit entwickeln und sich nur in kleinen Schritten feinmotorisch weiterentwickeln. «Wenn Eltern ein solches Vermeidungsverhalten bemerken, sollten sie darauf achten, die Anforderungen so herunterzufahren, damit das Kind trotzdem Erfolgserlebnisse haben kann», sagt Ruth Etter. «Wenn es durch feinmotorische Schwierigkeiten im Alltag stark leidet, ist eine professionelle Therapie wie eine Ergotherapie oder eine Psychomotoriktherapie angezeigt.» Dr. med. Ruth Etter ist Oberärztin für Entwicklungspädiatrie und Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin im Universitätsspital Zürich.