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Baby-led-weaning (BLW): Wenn Babys Fingerfood statt Brei bekommen

Bei Baby-led-weaning (BLW) gibt’s Fingerfood statt Brei. Das Vorurteil, dass diese Methode gefährlich sei, hält sich hartnäckig: Aber wenn man einiges beachtet, profitiert das Kind von Baby-led-weaning. Die Idee des Konzepts ist, dass sich Kinder von Anfang an selbstbestimmt ernähren. Mit Baby-led-weaning kannst du starten, sobald dein Kind selbstständig im Hochstuhl sitzt. Viele Babys sind etwa mit sechs bis acht Monaten dazu in der Lage. Was du wissen musst, wenn du dein Kind mit BLW ernähren oder die Methode mit Brei kombinieren möchtest.

Baby isst Gurke, Pasta und Früchte als Fingerfood so wie im Konzept von Baby-led-weaning vorgesehen.
Fingerfood statt Brei: Bei Baby-led-weaning lernen Kinder von Anfang an selbstbestimmt zu essen. Bild: GettyImages Plus, CStorz

Baby-led-weaning (BLW): Das Wichtigste in Kürze

Laura ist sieben Monate alt. Seit einer Weile bekommt sie die erste feste Nahrung. Ihre Eltern setzen auf Baby-led-weaning statt Babybrei. Zufrieden mümmelt die Kleine gerade ein Stück Banane. Gefüttert wird Laura nicht. Wie viel Banane sie isst, entscheidet sie selbst. 

Baby-led-weaning: Die Idee hinter BLW

Baby-led-weaning (BLW), so heisst das Programm, das auf Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt wurde. Es basiert auf einer Studie, die Gill Rapley, Mütterpflegerin, Hebamme und Stillberaterin aus Kent in England, 2004 durchgeführt hat. Baby-led-weaning bedeutet auf deutsch «vom Baby geführtes Abstillen». In der Praxis sieht die Methode so aus: Das Baby wird nicht gefüttert, sondern nimmt von Anfang an feste Nahrung in Form von Fingerfood zu sich. 

So funktioniert Baby-led-weaning

Die Idee hinter dem Konzept von BLW ist, den natürlichen Entdeckergeist von Kindern anzuregen. Sie sollen selbst herausfinden, was es mit den Nahrungsmitteln auf sich hat. Indem man sie von anfang an selbstbestimmt essen lässt, wird dies gefördert. Anders als bei Babys, die Brei erhalten, entscheiden die Kinder selbst, was und wie viel sie von einem Lebensmittel essen. Auch spielen gehört dazu. Anders als Brei-Kinder erkunden sie selbstständig erst Geschmack und Konsistenz der Nahrung. Nach und nach lernt das Kind so, kleine Stückchen abzubeissen und schliesslich zu kauen und zu schlucken.

Ab wann du mit Baby-led-weaning starten kannst

Du kannst mit Baby-led-weaning starten, sobald dein Kind selbst im Hochstuhl sitzen kann. Bei den meisten Kindern ist dies ungefähr im sechsten Monat der Fall. Das Kind sollte dann alle motorischen Fähigkeiten haben, die es braucht. Sinnvoll ist es, das Baby von Anfang an in die Familienmahlzeiten zu integrieren. So lernt es nicht nur am Vorbild, was essbar ist, es wird auch neugierig. 

Beikost einführen mit Baby-led-weaning: So geht's

Du möchtest gerne mit Baby-led-weaning starten und deinem Kind von Anfang an Fingerfood anbieten? Dann lass dein Baby am Familientisch teilhaben. Das Kind isst, was du isst: Biete ihm immer wieder veschiedene Lebensmittel von eurem Menü an und lass es erkunden und experimentieren. 

Speiseplan: Diese Lebensmittel eignen sich für Baby-led-weaning

Wichtig ist: Das Fingerfood für dein Kind sollte vor allem am Anfang weich sein! Harte Stückchen beinhalten die Gefahr, dass sich das Baby gefährlich verschluckt. Besonders gut geeignet für die ersten Essversuche sind folgende Lebensmittel:

  • weich gekochtes Gemüse wie Broccoli-Röschen, Zucchetti, Kartoffeln
  • weiche Früchte und Beeren: Banane, Himbeeren, Mango, Aprikosen
  • weich gekochte Pasta
  • selbstgemachte Linsenpuffer oder Kartoffelpuffer
  • Spiegeleier
  • Gemüse-Omeletts

Wir zeigen dir hier einfache und praktische Fingerfood-Rezepte für BLW.

Je geübter der kleine Esser wird, desto breiter wird die Palette an Nahrungsmitteln. Lass dein Baby ausprobieren und lernen. Es ist dabei auch ganz egal, wie viel dein Kind isst. «Steck deinem Baby nichts in den Mund, um es so zum Essen zu animieren», mahnt die Autorin des Ratgebers «Die neue Baby-Ernährung» (GU-Verlag), Susanne Klug. «Beim Selbstständig-essen-lernen bestimmt nur das Kind, wann was im Mund landet!»

Mann schaut zu, wie Kleinkind am Esstisch versucht mit Gabel zu essen.
Mitessen am Familientisch: Wenn Kinder im Hochstuhl sitzen können, können sie dank Baby-led-weaning selbstständig an der Familienmahlzeit teilnehmen. Bild: TommL

Der Würgereflex als Schutz

Wenn du das Abenteuer BLW wagst, wird es immer wieder dazu kommen: Dein Kind wird lautstark würgen. So gruselig und erschreckend das ist – bleib ruhig und hab Vertrauen in dein Kind, rät George Marx, Leitender Gastroenterologe am KISPI St. Gallen und Autor des Buchs «Kinderernährung- Expertenwissen für den Alltag». Der Würgereflex ist bei kleinen Kindern viel weiter vorne als bei Erwachsenen. Das schützt das Kind in den meisten Fällen gut vor der Gefahr, tatsächlich etwas zu verschlucken. Ein Vorteil von Baby-led-weaning: Kinder lernen den Umgang mit fester Kost früher. Bekommt ein Baby Brei, gewöhnt es sich daran, alles sofort zu schlucken. Den Lernprozess des Würgens macht es also erst später. Falls du dich unsicher fühlst, besuch einen Kurs für Notfälle bei Kleinkindern. Dort lernst du, wie du reagieren musst, wenn sich dein Kind verschluckt. 

Mit BLW anfangen: Zuerst grosse Stückchen, später kleine

Was kommt zuerst bei Baby-led weaning? Die eigentliche Frage ist nicht die nach den Lebensmitteln, sondern wie diese zubereitet sind. Denn ob Gemüse, Fleisch oder Früchte: Zunächst sind die Stückchen des Fingerfoods so gross, dass das Baby sie gut in seiner Faust halten kann. Schön, wenn der Rest der Familie das Gleiche isst. So erfährt das Baby: Ich gehöre dazu! Je besser das Kind greifen kann, desto kleiner werden die Stücke.

Babys müssen erste den sogenannten Pinzetten-Griff lernen. Damit können sie dann auch kleine Stücke greifen. Nach und nach werden die Stückchen kleiner. Eltern staunen oft, mit wie viel Geduld das Baby kleine Essensstücke dank Pinzetten-Griff aufpickt. Nach und nach werden die Mengen immer grösser. Gleichzeitig wird die Menge an Milch, die es trinkt, immer kleiner.

Keine Angst vor der Sauerei: Essen will gelernt sein

Mach dir keine falsche Hoffnungen: Baby-led-weaning wird für Geschmiere sorgen – die Banane wird zermantsch, das Tomätchen in der Faust zerdrückt und die Sauce auf dem Tisch verstrichen. So erforschen Kinder die Konsistenz der Nahrungsmittel. Und immer wieder wird auch Essen auf dem Boden landen. Versuche, dies gelassen zu nehmen. Eine abwaschbare Unterlage unter dem Kinderstuhl und auf dem Tisch sowie ein grosser Latz sind jetzt praktisch!

Kleinkind sitzt am Tisch, vollgeschmiert mit Tomatensauce, und spielt mit Spaghetti.

Mit allen Sinnen: Bei BLW lernen Kinder die Konsistenz, den Geschmack und die Form des Essens kennen und damit umzugehen. Bild: lisegagne, GettyImages Plus

Ist Baby-led-weaning gefährlich?

Bis heute hält sich das Vorurteil, das Baby-led-weaning gefährlich sei, da Kinder mit dem Essen eher spielen würden und so nicht genügend Nährstoffe bekommen. Ausserdem besteht natürlich immer die Gefahr des Verschluckens. Doch wenn die Beikostreife abgewartet wird, ist die Gefahr nicht grösser als bei Brei. Kinder profitieren sogar von BLW: Sie lernen nämlich früher als Brei-Babys, Nahrung im Mund bewusst zu manövrieren und zu bearbeiten.

Das sagt der Experte:

Baby-led-weaning beinhaltet den Beginn der Einnahme von fester Nahrung zu einem frühen Zeitpunkt, meist zwischen dem 6. und 8. Lebensmonat – je nach Fähigkeiten des Säuglings. Der Säugling muss dazu bereit sein, die motorischen und neurologischen Fähigkeiten haben. Gleichzeitig müssen die Eltern ein grosses Vertrauen in ihr Kind haben. Das sind die Voraussetzungen.

Die Vorteile von Baby-led-weaning sind, dass die Kinder frühzeitig lernen, mit fester Nahrung umzugehen, sie lernen Strukturen, Farben und Konsistenzen besser kennen und werden früher autonom. Zudem ist es oft so, dass sie früher lernen das Hungergefühl zu regulieren und neigen weniger zu frühkindlichen Ess- und Futterstörungen. Ebenfalls sind Kinder, die so ernährt werden weniger häufig übergewichtig. Zudem werden sie auch oft  länger gestillt. Das ist alles sehr positiv.

Aber Baby-led-weaning ist wirklich nur eine Methode ist für gut entwickelte Säuglinge. Schwächere oder unreifere Säuglinge sind dafür nicht geeignet, sie verschlucken sich öfter und bekommen auch nicht genügend Nahrung und neigen zur Mangelernährung. Kinder die krank, oder neurologisch auffällig, oder von ihrer Entwicklung etwas verzögert oder vom Wachstum eher verzögert sind, eignen sich nicht fürs BLW. Auch bei Säuglingen mit eher ängstlichen Eltern sollte diese Methode nicht angewendet werden.

George Marx, Leitender Gastroenterologe am KISPI St. Gallen und Autor des Buchs «Kinderernährung- Expertenwissen für den Alltag»

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