Alleinerziehende in Armut
Nach einer Trennung oder Scheidung haben Alleinerziehende häufig Geldnöte. Wenn das Geld zum Leben nicht reicht, müssen Singles mit Kindern zum Sozialamt. Eine betroffene Mutter berichtet, wie sie mit knappen Finanzen umgeht. Ausserdem gibt es hier Tipps zum Sparen.
Maria Q. (Name geändert) lebt mit ihren zwei Kindern zusammen. Sie ist Mitte 40, die Tochter ist 17-jährig und der Sohn wird 10 Jahre alt. Sie leben irgendwo in der Schweiz in einer günstigen 4-Zimmerwohnung. Die Mutter ist kaufmännisch ausgebildet und Spezialistin der deutschen Sprache. Die Tochter besucht das Gymnasium im 5. Jahr, der Sohn die 4. Primarklasse.
Maria war nicht verheiratet, die Kinder nicht geplant. Beide Väter wollten die moralische Verantwortung nicht übernehmen. Der Unterhalt für die Kinder wurde per Unterhaltsvertrag bei den zuständigen Gemeinden festgelegt. «Ich habe mich beide Mal für die Schwangerschaft entschieden, da ich nur die finanziellen Schwierigkeiten als Grund für einen Abbruch sah. Ich sagte mir, es kann doch nicht sein, dass eine Frau in der reichen Schweiz die Schwangerschaft aus rein finanziellen Gründen abbrechen muss. Es muss doch Möglichkeiten geben.» Sie kann sich noch gut erinnern, als sie sich während der ersten Schwangerschaft im Voraus über die finanziellen Möglichkeiten auf der damaligen Wohngemeinde erkundigte. Der Vormundschaftsvorsteher sagte ihr, ob sie denn das Kind nicht zur Adoption freigeben wolle.
Auch suchte sie zusammen mit dem Vater eine öffentliche Beratungsstelle für Schwangerschaft und Familienplanung auf, um sich über die bevorstehende Situation zu erkundigen. Dabei kam heraus, dass sich der Vater definitiv nicht auf das Vaterwerden einstellen wollte. «Ich ging nach Hause, duschen, und da fiel meine Entscheidung, dass ich es auch alleine schaffen werde!» Es galt dann vieles zu organisieren neben der normalen beruflichen Tätigkeit, wie zum Beispiel Kleider, ein Bettchen, Wickelkommode und vieles mehr. Den Kinderwagen bekam sie geschenkt von der Mütterberaterin, die sie das erste Mal zuhause aufsuchte. «Irgendwie war das Nötige immer vorhanden.»
Die öffentliche Familienberatungsstelle war der Mutter behilflich, Überbrückungshilfen zu organisieren. Bei drei verschiedenen Institutionen wurden Beträge gesprochen, die es der Mutter ermöglichten, ein halbes Jahr davon zu leben. Danach begann sie mit einem 30 Prozent Pensum auf einem Sekretariat zu arbeiten, später dann 50 Prozent. Zusammen mit Kinderalimente und-zulage reichte es so knapp zum Leben. «Mir war wichtig, so viel Zeit wie möglich für das Kind da sein zu können.» Sie erinnert sich gut, wie schwierig für sie damals das Loslassen war. «Ich war immer ganz aufgeregt, wenn ich meine Tochter in der Kinderkrippe wieder abholen konnte.»
Der damalige Arbeitgeber strukturierte um, so dass sich Maria nach einer neuen Stelle umsehen musste. Es war ihr nicht möglich, flexibel an zwei verschiedenen Standorten 80 Prozent zu arbeiten. Sie fand aber schnell eine neue 50 Prozentstelle, die ihre Existenz sicherte.
Maria entschied sich für die Schwangerschaft und das Kind
Nach einigen Jahren wurde Maria in einer weiteren Beziehung erneut ungewollt schwanger und auch dieses Mal entschied sie sich für die Schwangerschaft. Schon während dieser Zeit tat sich der Vater schwer damit und konnte die nötige moralische Unterstützung nicht bieten. Die Trennung zeichnete sich kurz nach der Geburt ab. Da Maria nicht verheiratet war, konnte sie keine Alimente für sich geltend machen.
Ein schlimmer Schicksalsschlag kam nach dem Mutterschaftsurlaub mit der Kündigung der Stelle durch den Arbeitgeber. Dieser war nicht bereit, ein 30 Prozentpensum anzubieten. «50 Prozent waren mir zu viel.» Da entschied sich Maria für die Sozialhilfe. «Das war ein schwerer Schritt für mich, doch von irgendetwas musste ich leben.» Sie war knapp zwei Jahre Vollzeit als Mutter zuhause. Dann verdiente sie etwas als Haushalthilfe bei einer gemeinnützigen Institution. Die Arbeitszeiten konnte sie nach ihren Kindern richten und es tat ihr gut, aus dem Haus zu kommen. Doch der Lohn reichte bei weitem nicht aus. Auf Frauenalimente hatte sie keinen Anspruch, da sie nicht verheiratet war. «Es war sogar ein Glück, dass ich für das zweite Kind überhaupt Kinderalimente erhielt. Da der Vater verschuldet war, wurde von seinem Anwalt der Versuch unternommen, ihn von der finanziellen Verpflichtung zu befreien. Dies gelang aber nicht. Es ging nicht lange, wurden mir die Alimente bevorschusst. So kam das Geld regelmässig und ich musste mich damit nicht mehr schwertun.»
Mittlerweile hat Maria eine Weiterbildung in Angriff genommen, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. «Ich musste feststellen, wie sehr sich die Arbeitswelt verändert hat in der Zwischenzeit. Und: Ich war als alleinerziehende Mutter auf dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht gefragt! Teilzeitstellen waren Mangelware und wenn es eine gab, dann bewarben sich immer so viele Leute darauf, dass ich schlicht keine Chance hatte. Arbeit hätte ich sofort gefunden, doch ohne oder nur mit geringer Bezahlung, die für mich nicht existenzsichernd war. So hab ich mir zum 40. Geburtstag Geld für meine Weiterbildung gewünscht und mit der zusätzlichen Unterstützung von Stiftungen konnte ich diese finanzieren. Die Sozialhilfe hat nichts dazu beigesteuert.»
Heute arbeitet Maria freiberuflich Teilzeit und auch jetzt reicht das Geld nicht immer aus, so dass die sozialen Dienste gelegentlich die Löcher stopfen müssen. «Ich bin froh darum, denn es nimmt mir einen grossen Druck weg.» Ihre Haupttätigkeit sieht sie immer noch darin, die Kinder zu versorgen und zu erziehen, für sie da zu sein, und die Arbeit, die sich damit und im Haushalt ergibt, zu erledigen. «Ich bin für alles verantwortlich: vom Besorgen der Zahnpasta bis zum Flicken eines kaputten Velos, von der Krankenpflege bis zur Freizeitgestaltung.» Dass sie den beruflichen Einstieg wieder geschafft hat, kommt noch dazu und sie ist darüber sehr glücklich. «Es geht in kleinen Schritten voran und ich bin zuversichtlich, dass ich eines Tages gar keine Unterstützung mehr brauche!»
Verzicht auf Auto, Ausflüge und Ferien
Die Familie verzichtet auf vieles. So kann sie sich zum Beispiel kein Auto leisten. Ausflüge oder Unternehmungen liegen selten drin. Ferien schon gar nicht. «Ich bin jedesmal frustriert, wenn ich in einem Ferienkatalog die Preise während der Hochsaison sehe.» Dass ausgerechnet Familien so tief ins Portemonnaie greifen müssen, während zwei Wochen vor oder nach den Schulferien der gleiche Urlaub nur die Hälfte kostet, empfindet sie als ungerecht.
Die Kinder standen auch noch nie auf den Skiern. «Das Schlimme ist nicht nur das Verzichten an und für sich, sondern auch die Isolation, die dadurch entsteht. Man kann einfach nicht mithalten - und mitreden schon gar nicht. Leider geht vieles nur noch übers Geld.» Es gibt Momente, da fragt sich Maria, wofür sie dies alles tut. Sie hat das Gefühl, auf keinen grünen Zweig zu kommen. Doch die Not macht auch erfinderisch und stark. «Die Kinder sind meine Motivation, nicht aufzugeben. Doch ein Schleck ist es nicht!» Gerade letzte Woche machte Maria auf dem Sozialamt das neue Budget. «Mir ist es wichtig, den Überblick über meine Finanzen zu haben.» Und es war ziemlich frustrierend: kein Teuerungsausgleich trotz teurerem Strom, teureren Lebensmitteln, teurerer Miete usw. «Ich hab dadurch immer weniger Geld zur Verfügung und manchmal weiss ich fast nicht mehr, wie ich das bewältigen soll. Wir sitzen immer mehr zuhause.»
Was ihr am meisten fehlt, ist die Anerkennung für das, was sie tut. «Und dann gibt es noch Leute, die einen beneiden. Das nagt dann schon ein paar Tage und die Wut steigt, vor allem wenn ich sehe, wie der Staat Milliarden an die Banken verschleudert. Doch dann werde ich wieder zufrieden und blicke nach vorn. Ich habe dadurch auch gelernt, meine Energie gut einzuteilen und mich nicht unnötig aufzuregen.» Sie hat nicht das Gefühl, dass ihre Kinder unter der Armut leiden. Oft dient ihr diese sogar als Argument. «Und die Kinder lernen von Anfang an, dass sie nicht alles haben können. Vielleicht lernen sie auch, zufriedener zu sein mit dem, was sie haben.»
Sozialhilfe in der Schweiz
Wer Sozialhilfe geltend machen will, meldet sich beim Sozialamt der Wohngemeinde. Dort wird ein Budget erstellt und abgeklärt, ob überhaupt ein Anspruch besteht. Im Sozialhilfegesetz ist geregelt, wer anspruchsberechtigt ist. Die Höhe der ausgerichteten Unterstützung richtet sich in den meisten Kantonen nach den SKOS-Richtlinien (SKOS – Schweizerische Konferenz der öffentlichen Sozialhilfe). Das Sozialamt informiert über die Konsequenzen wie z.B. Verwandtenunterstützung oder Rückzahlbarkeit.
Text: Christine Reber
Grundsätzlich hilft
- sich nicht von Aktionen verleiten lassen. Zuerst immer überlegen, ob man etwas wirklich braucht oder nicht. Etwas nicht kaufen, spart am meisten Geld!
- wenn möglich Läden und Shoppen als Freizeitbeschäftigung meiden.
- vor einem Kauf immer Kosten vergleichen.
- sich Bedenkzeit geben, also keine Schnellkäufe machen.
Mobilität
- ÖV statt Privatauto, evtl. Abo kaufen
- Halbtaxabo für 3 Jahre (1 Jahr Fr. 150.00, 3 Jahre Fr. 333.00)
- Juniorkarte für Kinder von 6 – 16 Jahren (jährlich Fr. 20.00 pro Kind)
- Velo fahren
Haushalt
- Einkäufe planen und Einkaufsliste machen
- Zuhause essen statt auswärts
- Tischlein-deck-dich: überproduzierte einwandfreie Lebensmittel für 1 symbolischen Franken beziehen. Ausweis erforderlich, wird vom Sozialamt ausgestellt, www.tischlein.ch
- Abfall trennen (spart teure Gebührensäcke)
- Niedertarifzeiten für Strom nutzen
- Ladegerät für Batterien
- Energiesparlampen
- bei elektronischen Geräten auf Stromverbrauch achten
Schule
- Sozialtarif beantragen laufend pro Schuljahr für Zahnarzt, Musikschule, Lager
Gesundheitskosten
- Prämienvergleichen auf www.comparis.ch und allenfalls die Kasse rechtzeitig wechseln.
- Prämienverbilligung beantragen
- evtl. auf Zusatzversicherungen verzichten
- günstiger Zahnarzt (Taxpunktwert Fr. 3.10)
- Generika kaufen. Info in Apotheke oder www.kompendium.ch
Telefon/Internet
- Anrufe übers Festnetz statt Handy tätigen
- evtl. Prepaid statt Abo (schützt vor bösen Überraschungen)
- Kosten der Telefonanbieter vergleichen www.comparis.ch, www.teltarif.ch
Freizeit/Ferien
- Ferien zuhause
- Ferienwohnung statt Hotel
- Ferienpass www.ferienpass.ch
- Reka-Ferien www.reka.ch
- Gratis-Museen und Freizeitangebote nutzen www.kulturlegi.ch
- Kino am Montag (vergünstigter Eintritt)
- Für Bücher, CDs, DVDs und Videos Leihbibliotheken nutzen, Spielzeugverleih
- vergünstigte SBB-Railway-Angebote für Ausflüge (monatliche Angebote)
Kleider
- Börsen
- Secondhand-Läden, Brockenhaus
- Ausverkauf
- Fabrikläden www.fabrikladen.ch, www.fundgrueb.ch
Haustiere
- statt ein eigenes Tier das vom Nachbarn oder Freunden hüten
Versicherungen
- Prämien vergleichen bei Hausrat- und Haftpflichtversicherungen
- Überversicherung prüfen
Möbel
- Brockenhaus
- Fabrikläden
Die Auflistung entbehrt der Vollständigkeit. Die Tipps stammen mehrheitlich aus der Broschüre „Spartipps“ der Caritas Zürich.
Quelle: Der Bericht und die Infobox erschienen in EinElternForum 1/2009, herausgegeben von: Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter und Väter SVAMV, Caritas Bern, Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn, Verein frabina Beratungsstelle für Frauen und binationale Paare. www.einelternforum.ch