Wenn die Scheidung droht, halbiert sich die Pension
Bei einer Scheidung müssen die Ehepartner über die Aufteilung ihrer finanziellen Mittel verhandeln – so auch über ihre Ersparnisse in der 2. Säule. Wir zeigen, wie die Aufteilung der Pensionskasse bei einer Scheidung funktioniert.
«Kein System konnte erdacht werden, das mit mehr Eifer das menschliche Glück befehdet hat, als die Ehe». Betrachtet man die heutige Scheidungsrate in der Schweiz, so hatte es der englische Lyriker Percy Bysshe Shelley schon vor 200 Jahren vorhergesehen: 2015 liessen sich in der Schweiz 41 Prozent der Ehepaare scheiden. Die Scheidungsrate ist zwar seit 2010 wieder rückläufig, doch im Vergleich zur Scheidungsrate von 13 Prozent im Jahr 1970 ist sie immer noch sehr hoch.
Nebst den emotionalen Schwierigkeiten spielen bei einer Scheidung oft die finanziellen Konsequenzen eine grosse Rolle. Massgebend für die Aufteilung der meisten monetären Aspekte ist der vereinbarte Güterstand. Der in der Schweiz am häufigsten vorkommende ist die sogenannte Errungenschaftsbeteiligung. Das heisst, dass die Ehepartner bei einer Scheidung die während der Ehe erwirtschafteten Errungenschaften – wie das Gehalt, Zinsen und Vorsorgebeiträge – teilen. Die Errungenschaftsbeteiligung gilt, wenn die Ehepartner nichts anderes vereinbaren.
Die zweite Variante ist die Gütertrennung, bei der es keine gemeinsamen Güter gibt und jeder Ehepartner sein Vermögen selbst verwaltet. Der letzte und seltenste Güterstand ist die Gütergemeinschaft, der mit einem Ehevertrag abgeschlossen werden muss. In dem Fall ist das Vermögen und die Einkünfte der Ehegatten zu einem Gesamtgut vereinigt, das von beiden Partnern verwaltet und bei einer Scheidung aufgeteilt wird. Gegenstände, die von Gesetzes wegen Eigengut sind, gehören nicht zum Gesamtgut.
Die Aufteilung der Pensionskasse
Unabhängig des vereinten Güterstandes wird das Geld, das die Ehepartner während der Ehe in die Pensionskasse eingezahlt haben, geteilt. Bei diesem sogenannten Vorsorgeausgleich oder «Splitting» wird zuerst die Differenz der angesparten Summen in den Pensionskassen der beiden Eheleute berechnet. Derjenige Ehepartner, der eine grössere Altersvorsorge hat, zahlt bei der Scheidung die Hälfte dieser berechneten Differenz in die Pensionskasse seines ehemaligen Partners. Falls dieser zur Zeit keine Pensionskasse besitzt, geht das Geld auf ein Freizügigkeitskonto. Das Geld, das vor der Heirat in der Pensionskasse war, wird bei der Scheidung nicht aufgeteilt. Das «Splitting» ist seit der Einführung des revidierten Scheidungsrechts anfangs Januar 2001 in Kraft und gilt auch für eingetragene Partnerschaften.
Fallbeispiel:
Peter und Anna Schneider lassen sich nach 24 Jahren Ehe scheiden. Peter ist kaufmännischer Angestellter und war während der Ehe immer berufstätig, Anna ist Primarlehrerin und hat nach dem zweiten Kind aufgehört zu arbeiten. Anna hat dementsprechend ein kleineres Pensionskassenguthaben als Peter: Ihre Austrittsleistung beträgt 90'000 Franken, diejenige von Peter 450'000 Franken. Der Differenzbetrag von 360'000 Franken wird nach der Scheidung auf die Eheleute aufgeteilt, so dass beide 270'000 Franken Vorsorgekapital besitzen.
Der Vorsorgeausgleich kann vor allem ältere Paare, die schon lange verheiratet sind und kurz vor der Rente stehen, in eine schwierige finanzielle Lage bringen. Die Teilung der Pensionskasse ist zwar fair, aber sie schmälert die Altersrente der beiden Ehepartner und es bleibt wenig Zeit, die entstandene Lücke vor der Rente auszubessern. Dazu kommen oft höhere Wohnkosten, weil nach der Scheidung zwei Haushalte geführt werden. Jüngere Paare hingegen sind bei einer Scheidung weniger von finanziellen Einbussungen betroffen: Sie haben weniger Geld in der Pensionskasse und mehr Zeit, die Lücke in der Altersvorsorge aufzufüllen.
Einkäufe aus der Pensionskasse
Einkäufe in die Pensionskasse können vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden und sind somit ein legaler Weg, Steuern zu sparen. Bei der Aufteilung dieser Einkäufe nach der Scheidung kommt es darauf an, wem das Geld gehört. Wenn der eingezahlte Betrag Eigengut des einen Ehepartners ist, behält er es nach der Scheidung. Bei Einkäufen in die Pensionskasse, die als gemeinsame Errungenschaft gelten, hat jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte. Zum Eigengut gehört Kapital, das in die Ehe mitgebracht wurde sowie Schenkungen und Erbschaften während der Ehe.
Verzicht auf Austrittszahlung
Es gibt Situationen, in denen ein Ehepartner freiwillig auf die Austrittszahlungen verzichtet. In einem solchen Fall muss das Gericht überprüfen, ob der verzichtende Ehepartner eine andere Alters- oder Invaliditätsvorsorge besitzt. Der Vermögenswert dieser Alternative muss dem Betrag entsprechen, der beim Vorsorgeausgleich dem Ehepartner mit der kleineren Pensionskasse vergütet würde.
Einige Bestimmungen des revidierten Scheidungsrechts wurden anfangs Januar 2017 überarbeitet. Bisher wurde demjenigen Partner, der beim Zeitpunkt der Scheidung schon eine Alters- oder Invaliditätsrente bezog, eine angemessene Entschädigung gezahlt. Neu werden Vorsorgeansprüche auch dann geteilt, wenn bei einer Partei bereits ein Vorsorgefall eingetreten ist. Zudem gilt für die Berechnung des Vorsorgeanspruchs neu der Zeitpunkt des eingeleiteten Scheidungsverfahrens und nicht mehr der Tag, an dem das Scheidungsurteil rechtsgültig ist. Paare, die einvernehmlich eine Lösung finden, werden zukünftig mehr Flexibilität beim Vorsorgeausgleich haben.