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Bis keiner mehr übrig bleibt: Alle spielen Fortnite!

Fortnite ist das Shooterspiel der Stunde. Müssen sich Eltern Sorgen machen, wenn das eigene Kind mitzockt?

Das Computerspiel Fortnite: Battle Royale.
Das Shooterspiel Fortnite: Battle Royale liegt bei Jugendlichen voll im Trend. Bild: Screenshot (© Epic Games)

Fortnite ist ein klassisches Shooterspiel, bei dem es darum geht, alle anderen Spieler abzuknallen. Beim beliebten und kostenlosen Online-Ableger Fortnite: Battle Royale landen 100 Spieler mit dem Fallschirm auf einer einsamen Insel. Alle mit dem Ziel Waffen zu sammeln, Fallen zu bauen oder Verstecke zu zerstören, um selbst zu überleben und alle anderen Gegner zu eliminieren. Dabei zieht sich der Kreis, in dem sich die Spieler aufhalten können, mit der Zeit immer enger und das Spiel wird immer dramatischer. Eine Runde Battle Royale dauert so lange, bis noch ein Spieler steht. Oder rund 25 Minuten.

Obwohl es bei Fortnite hauptsächlich ums Ballern geht, ist Fortnite bereits ab 12 Jahren freigegeben und nach Angaben der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) zwar nicht für kleine Kinder, aber durchaus für Jugendliche geeignet. Kann das sein? 

Wie Medienpädagogen Fortnite bewerten

Viele Eltern sind besorgt und fragen sich, ob das Spiel nicht doch schädlich sei. Kein Wunder, schliesslich haben wir viel gelesen über Jugendliche, die sich in gewaltverherrlichenden Computerspielen verlieren und immer weniger fähig dazu sind, Realität von Fiktion zu unterscheiden. Sorgen machen auch die vergleichsweise harmloseren Folgen einer Gamesucht, die fröhliche Kinder zu ungewaschenen, schlecht ernährten Zombies macht, die weder Freunde treffen noch sich bewegen noch für die Schule lernen möchten.

Manche Eltern verstecken aus Angst die Konsolen, andere konfiszieren das Natel oder informieren sich im Netz, wie man einen Kinderschutz für Fortnite einbauen könnte. Am Ende helfen Verbote aber wenig, sagen Medienpädagogen fast unisono. Fortnite ist wahrscheinlich harmloser als viele Erwachsene befürchten.

Gewalt steht im Vordergrund, ist aber als Fiktion erkennbar

In punkto Gewalt geben viele Spielkritiker Entwarnung. Der Spieleratgeber NRW kommt beispielsweise zur Einschätzung, dass eine Altersfreigabe ab 14 Jahren pädagogisch sinnvoller, das Spiel aber nicht gewaltverherrlichend sei. «Auch wenn bei Fortnite: Battle Royale Waffengewalt als einzige Möglichkeit der Konfliktlösung vorliegt, ist es ein sehr fiktives Setting ohne detailreiche Gewaltdarstellungen.» 

Denn anders als beispielsweise beim bekannten Game Counterstrike oder dem Fortnite-Pendant Playerunknown's Battlegrounds (USK 18), wird die Gewalt in Fortnite nicht realistisch oder drastisch dargestellt. Die Spielgegner sind zwar menschenähnliche, aber comichaft überzeichnete, teilweise skurril gekleidete Fantasiefiguren. Und obwohl die Waffen recht plastisch inszeniert sind, sieht man keine offenen Wunden, keinen Spritzer Blut, keine Leichen. Abgeschossene Gegner verschwinden einfach von der Bildfläche.

Für sehr empfindsame Spieler oder kleine Kinder sei Fortnite dennoch nicht geeignet, bilanziert der Spieleratgeber NRW. Ältere Jugendliche könnten das Geschehen jedoch gut als fiktionales Spiel einordnen. Der Medienratgeber «Schau hin! Was Dein Kind mit Medien macht» weist darauf hin, dass Altersfreigaben immer nur eine erste Orientierung bieten. Eltern würden ihre Kinder am besten kennen und könnten am besten einschätzen, was auf sie beängstigend wirke oder überfordernd sei.

Vorsicht gilt allerdings bei sogenannten In-App-Käufen. Fortnite ist zwar kostenlos, es können aber Ausrüstungen und spezielle Looks hinzugekauft werden. Diese bringen zwar keinen effektiven Spielvorteil, sind aber dennoch beliebt.

Harmloses Ballergame, das süchtig machen kann

Verherrlichende Gewaltdarstellungen sind es nicht, die über hundert Millionen von Nutzern an den Bildschirm fesseln, sondern das Spielkonzept des Fortnite: Battle Royale. Der Online-Modus, bei dem man allein gegen 99 andere reale Mitspieler in Echtzeit kämpft, verspricht eine besonders spannende Spielerfahrung und arbeitet mit einem effektiven Belohnungssystem. Eine ähnlich breite Begeisterung wurde zuletzt beim Spiel Minecraft beobachtet.

Fortnite setzt gezielt Anreize aus Herausforderungen und Belohnungen, die bei den Spielern kurze, aber dafür ganz besondere Glücksmomente freisetzen können und die dazu animieren, immer wieder von neuem zu beginnen. Der Rausch des Sieges, wenn man als einziger gegen 99 Gegner gewinnt, verlangt direkt nach dem nächsten Kick. Und wenn man verliert, will man es erst recht nochmal versuchen. Beim nächsten Mal klappt’s bestimmt! Oder danach. Oder danach. 

Online-Spiele wie Fortnite weisen daher ein besonders hohes Suchtpotential auf. Dennoch tun Eltern gut, die Zockerei etwas entspannter zu sehen. Vor 20 und 30 Jahren haben Eltern ähnlich genervt auf Spielkonsole-Arien bei schönstem Wetter oder nächtliche LAN-Partys reagiert.

Wer sich selbst noch an seine Super-Mario-Jugend erinnern kann, kennt diesen Thrill vielleicht. Nur, dass die Pilze, die zu Extra-Bonus-Punkten verpuffen, wenn man drauf hüpft, heute keine Pilze mehr sind, sondern virtuelle Kampfduelle in Echtzeit. Und mit echten Mitspielern, die sich online vernetzen und via Headset sogar miteinander sprechen können. Welch Fortschritt der Technik und welche Plage für unseren Familienalltag!

Wenn Kinder nicht mehr mit dem Spielen aufhören wollen.
Bild: iStock / Getty Images Plus

Einige Kinder wollen tatsächlich einfach nicht mehr mit dem Zocken aufhören. Jede freie Minute nach der Schule, am Wochenende rund um die Uhr und am liebsten bis zum Morgengrauen wird Fortnite gespielt. Auch das bleibt nämlich beim Alten, Grenzen werden ausgereizt und Regeln müssen immer neu verhandelt werden.

Generelle Spielverbote bringen meistens wenig und sind auch nicht zu empfehlen. Denn wer keine Medienerfahrung machen darf, kann auch keine Medienkompetenz entwickeln. Kinder sind dann erst recht überfordert, wenn sie bei Kollegen zum ersten Mal Computerspiele ausprobieren. Der Spieleratgeber NRW empfiehlt Eltern stattdessen selbst mitzuspielen und dann gemeinsam mit dem Kind klare Regeln und Zeitbudgets zu vereinbaren.

Erst mitspielen, dann mitreden

Als Erwachsener einmal in die Welt von Fortnite reinzuschnuppern ist jedenfalls einen Versuch wert. Denn nur, wer es selbst gesehen oder gespielt hat, kann die Begeisterung nachempfinden und mit dem Kind besser über Vor- und Nachteile sprechen.

«Eltern können das Wunschspiel des Kindes zunächst alleine testen – das empfiehlt sich vor allem bei jüngeren Kindern. Besonders gemeinsames Spielen – zumindest am Anfang – hilft Eltern, das Speil selbst kennenzulernen und potenzielle Risiken zu erkennen», rät der Medienratgeber SCHAU HIN.

Flexible Zeitbudgets sind besser durchsetzbar

Wer exakt nach 25 Minuten Spielzeit offline gehen muss, kann nur hoffen, dass er jetzt nicht gerade mitten im Finale eines erfolgsversprechenden Matchs steckt. Spiele wie Fortnite sind zeitlich variabel angelegt. Allzu strenge Zeitlimits sorgen deshalb für unnötigen Frust. Besser sind daher flexible Zeitkontigente: Das Kind bekommt beispielsweise fünf Stunden Spielzeit pro Woche zur freien Einteilung. Voraussetzung dafür könnten erledigte Hausaufgaben, Hilfe im Haushalt, ein aufgeräumtes Zimmer und ausreichend Bewegung sein.

Computerspiele hingegen als Belohnung oder Bestrafung einzusetzen wäre dabei aber kontraproduktiv. Das verleihe dem Spiel nur noch einen grösseren Status, als es ihn ohnehin schon habe.

Eltern, die die Zockerei trotzdem nervt, schenkt vielleicht diese Nachricht Trost. Jedes Spiel geht einmal zu Ende und verliert mit der ständigen Wiederholung bald seinen Reiz.

Kriterien, die auf eine Gamesucht hindeuten

Wenn Spielen zur Gamesucht wird.
Bild: iStock / Getty Images Plus

Ausgedehnte Spielzeiten weisen noch nicht auf eine problematische Störung durch das Spielen von Online-Games hin. Laut der James-Studie von 2016 spielen 91 Prozent der Schweizer Jungen und 42 Prozent der Mädchen zwischen 12 und 19 Jahren am PC oder Smartphone. Nach eigenen Angaben spielen sie im Durchschnitt täglich ca. 1 Stunde werktags und 2 Stunden an Wochenendtagen.

Das noch junge Phänomen der Online-Gamesucht ist in der Schweiz jedoch noch kaum erforscht. Eine Studie zur Gamesucht aus Deutschland von 2017 bietet Orientierung. Ärzte und Psychologen des Uniklinikum Hamburg-Ependorf kommen in einer Studie zum Ergebnis, dass etwa 8,4 Prozent der jungen Männer und 2,9 Prozent der Frauen zwischen 12 und 25 Jahren ein problematisches Spielverhalten aufweisen, das ihre psychosoziale Gesundheit beeinträchtigt.

Um eine Gamesucht (im Fachjargon: Internet Gaming Disorder (IMG)) zu diagnostizieren, müssen nach dem Handbuch für psychische Störungen (DSM-5,2015) fünf von neun Kriterien in den letzten zwölf Monaten zutreffen:

  1. Übermässige Beschäftigung mit Computerspielen im Alltag (z.B. gedankliche Vereinnahmung durch Computerspiel)
  2. Psychische Entzugssymptome, wenn das Spielen wegfällt (z.B. leichte Reizbarkeit, Ängstlichkeit oder depressive Stimmungen)
  3. Bedürfnis nach immer länger werdenden Spielzeiten 
  4. Spielverhalten entgleitet der Kontrolle (d.h. man möchte beispielsweise weniger Spielen und schafft es nicht)
  5. Frühere Hobbys und Freizeitaktivitäten interessieren nicht mehr
  6. Betreffende/r spielt weiter, obwohl sie/er sich bewusst ist, dass das negative Konsequenzen hat
  7. Täuschung der Familienangehörigen oder anderen Vertrauenspersonen über tatsächliches Ausmass der Spielzeiten
  8. Spiel dient auch als Ablenkung bei negativen Gefühlen (z.B. Traurigkeit, Schuldgefühlen, Hilflosigkeit oder Angst)
  9. Verlust einer Beziehung, Ausbildungsmöglichkeit oder Arbeitsstelle aufgrund des Spielverhaltens

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