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Warum gewisse Kinder beissen und wie Eltern richtig reagieren

Dein Kind hat ein anderes Kind gebissen oder beisst gar ab und zu Mama oder Papa? Eltern reagieren darauf oft bestürzt und beschämt. Doch Beissen tritt bei Kindern häufig auf, vor allem in der Trotzphase. Handeln Eltern ruhig, klar und besonnen, ist es wahrscheinlich, dass das Kind das Beissen bald aufgibt. 

Zwei kleine Jungen streiten um ein Spielzeug, der eine hält einen Kochlöffel und schlägt damit
Beissen, schlagen, kratzen: Kleinen Kinder fehlt in Konflikten oft der Wortschatz und die Emotionskontrolle.  © Getty Images, Dejan_Dundjerski

Eben haben Emma und Leon noch friedlich miteinander im Sandkasten gebuddelt und gebaut. Doch jetzt wollen beide den bunten Bagger haben – unbedingt! Als Emma das Fahrzeug aus Leons Händen reissen will, beisst er ihr in den Arm. Emma schreit auf und weint. Die Eltern sind erschrocken über Hannes Verhalten.

Die Autonomiephase ist auch oft das Beiss-Alter

«Viele Kinder bis zu drei Jahren oder allgemein Kinder in der sogenannten Autonomiephase beissen – zum Beispiel das Geschwisterkind, die Eltern oder in der Kita», weiss Stéphanie Bürgi-Dollet, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Programme beim Kinderschutz Schweiz in Bern. Die Ursachen dafür unterscheiden sich je nach Altersstufe.

Wann ist die Phase des Beissens vorüber?

«Meist löst sich das Problem, sobald das Kind älter ist und über grösseren Wortschatz verfügt», beruhigt Stéphanie Bürgi-Dollet. Sollten dennoch aggressive Verhaltensweisen bleiben, rät sie Eltern, sich an die Mütter-Väter-Beratung oder an die Kinderärztin bzw. den Kinderarzt zu wenden.

Warum Kinder beissen: Die häufigsten Gründe

Für Babys ist es normal, die Welt mit dem Mund zu erkunden. «Da kann das Beissen schon mal zu einer unangebrachten Handlung werden, die einer anderen Person wehtun kann, vor allem dann, wenn schon Zähne im Spiel sind», so Stéphanie Bürgi-Dollet.

Bei Zwei- oder Dreijährigen Kinder liegt der Grund für das Beissen meist in einer emotionalen Überforderung. Sie stehen unter Spannung, weil starke Emotionen sie durchfluten. «Mit dem hohen Mass an Freude, Begeisterung, Aufregung, Ärger oder Enttäuschung können sie nicht umgehen», erklärt Stéphanie Bürgi-Dollet. Dennoch fehlt ihnen die Fähigkeit, ihre Gefühle zu erkennen und mit Worten auszudrücken.» Das Beissen sei eine ganz impulsive Handlung.

Richtig reagieren, wenn dein Kind beisst

Wenn ein zwei- oder dreijähriges Kind beisst, werden Erwachsene in der Regel unruhig. «Beisst das Kind, so sind die Eltern über deren Verhalten sehr erschrocken, da Beissen als aggressiv gilt», so Stéphanie Bürgi-Dollet. Doch es habe nicht die Absicht, eine andere Person zu verletzen oder ihr Schmerz zuzufügen. «Es kann die Folgen des Beissens noch nicht nachvollziehen.»

Wenn dein Kind ein anderes beisst, ist es wichtig, sofort einzugreifen. Kümmere dich zuerst um das gebissene Kind, tröste es und versorge gegebenenfalls seine Wunde. Danach widmest du dich dem Kind, das gebissen hat. Wichtig ist eine Reaktion auf den Vorfall. Du solltest das Beissen nicht ignorieren.

Es ist wichtig, dass Erwachsene auf das Beissen reagieren, damit es in der Zukunft möglichst selten und dann gar nicht mehr vorkommt. «Dabei sollte das Beissen weder bagatellisiert noch dramatisiert werden», betont Stéphanie Bürgi-Dollet. «Das Kind braucht eine ruhige und klare Reaktion.»

Wenn ein Kind beisst, sollten Eltern nicht...

… überreagieren oder schreien, denn das macht dem Kind Angst oder kann der Handlung auch eine zu hohe Aufmerksamkeit schenken.

… das Kind verurteilen, denn negative Bewertungen bauen das Selbstwertgefühl ab.

… zurückbeissen, denn Eltern sind Vorbilder und müssen entsprechend handeln. Stéphanie Bürgi-Dollet: «Auch ist es keine Art, wie man miteinander kommuniziert.»

… das Kind bestrafen, denn Strafen beschädigen die Beziehung zwischen Eltern und Kind und bewirken in der Regel das Gegenteil.

… das Kind zu einer Entschuldigung zwingen, denn das schafft neuen Druck. Und eine erzwungene Entschuldigung kommt selten von Herzen.

Das solltest du tun, wenn dein Kind beisst

 Wenn ein Kind gebissen hat: Empathisch zuhören 

Ist das Kind sehr aufgeregt, ist es hilfreich, es zuerst zu beruhigen und ihm dann empathisch zuzuhören. «Was ist passiert?», können Eltern fragen. Denn nur ein Kind, dem wirklich zugehört wird, kann sich verstanden und angenommen fühlen. Dabei hören die Eltern vor allem die Emotionen heraus und spiegeln sie dem Kind. Das kann so lauten: «Ah, ich verstehe, du warst also ziemlich wütend.»

«Eltern sollten wissen: Alle Gefühle sind erlaubt und werden akzeptiert – aber nicht alle Handlungen!», betont Stéphanie Bürgi-Dollet. «Denn Kinder, die gezwungen werden, Gefühle zu unterdrücken, können später schlecht für ihre eigenen Bedürfnisse sorgen. Zudem kann es sein, dass sie später auch unter Beziehungsproblemen oder auch psychischen Problemen leiden.» Im Fokus steht das Verhalten des Kindes und nicht das Kind selbst oder seine Gefühle.

 Mit dem Kind bestimmt sprechen

Hat sich das Kind beruhigt, braucht es eine klare Ansprache. Die kann zum Beispiel so lauten: «Du warst also wütend und hast Emma gebissen. Jetzt weint Emma. Du hast ihr weh getan. Hannes, ich möchte nicht, dass du andere Kinder beisst.»

 Über die Folgen sprechen und Lösungen finden

«Sinnvoll ist es auch, mit dem Kind zu überlegen, was es nun tun kann», so Stéphanie Bürgi-Dollet. Oft haben Kinder eigene Ideen. Vielleicht schlägt Leon vor, zu schauen, wie es Emma jetzt geht, ihr ein tröstendes Kuscheltier zu holen oder sich zu entschuldigen. Vielleicht fragt er sie auch selbst, was ihr helfen kann, damit sie wieder fröhlich wird.

Alternative Strategien entwickeln

Darüber hinaus ist es hilfreich, mit dem Kind zusammen alternative Strategien zum Beissen zu entwickeln. Vielleicht gibt es ein Schaumstoffteil, in das es hineinbeissen kann, wenn es emotional unter Spannung steht? Oder ein Kissen, in das es hineinschlagen kann? Oder einen Eimer, in den es hineinbrüllen kann? Bei der Umsetzung der Strategien braucht das Kind Hilfe. «Wenn Eltern bemerken, dass es unruhig wird, können sie das Kind an die besprochenen Strategien erinnern. Die Rolle der Erwachsenen ist die eines «Co-Regulators«: Sie helfen dem Kind, seine Emotionen zu regulieren, bis es das selbst tun kann»

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