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Beziehungstipps: «Wenn es den Eltern gut geht, geht es dem Kind gut»

Neben Windeln wechseln und Baby trösten kommt die Liebe zwischen Frau und Mann zu kurz. Die Psychologin Christelle Benz-Fragnière will mit der Studie «Paare werden Eltern» herausfinden, wie werdende Eltern ihre Partnerschaft stärken können. Im Interview gibt sie Beziehungstipps.

Werdende Eltern brauchen ein paar Beziehungstipps für die Partnerschaft nach der Geburt.
In der Schwangerschaft läuft alles noch harmonisch. Das Kind stellt die Beziehung auf eine harte Probe. Foto: pojoslaw, iStock, Thinkstock

«Elternschaft ist für viele Paare das Ende ihrer Ehe», sagt der US-Psychologe und  Liebesforscher John Gottmann. Stimmen Sie ihm zu, Frau Benz-Fragnière?

Nein. Aber der Übergang zur Elternschaft  ist eine der grössten Herausforderungen im Leben. Paare brauchen Zeit, sich daran anzupassen. Denn im Leben gibt es wenige Erfahrungen, die in ihrer Intensität an die Veränderungen herankommen, die ein Baby verursacht. Die erste Zeit mit dem Baby stellt Paare auf eine harte Probe. Deshalb ist es wichtig, sich schon vor der Schwangerschaft Gedanken darüber zu machen.

In Beziehungstipps empfehlen Experten, bereits vor der Geburt zu klären, wer zu Hause bleibt und wer Karriere macht.

Nach der Geburt findet meistens eine Traditionalisierung der Geschlechterrollen statt. Die Frau bleibt zu Hause, kümmert sich um Haushalt und Baby. Manche Männer fühlen sich ausgeschlossen, wenn die Mutter stillt. Sie denken, sie können zu Hause nicht viel helfen, deshalb machen sie Überstunden, um die Familie finanziell zu unterstützen. Die Frauen aber verstehen das nicht. Sie wollen nicht alles alleine machen. Deshalb ist es wichtig, dass ein Paar miteinander redet, um die Bedürfnisse des anderen zu kennen. Häufig erwarten die Paare, dass der andere merkt, was er oder sie braucht. Doch weil viele Eltern unter Schlafmangel leiden und erst herausfinden müssen, was das Kind will, funktioniert das nicht.

Wie kommt es, dass selbst modern aufgestellte Paare in alte Rollenbilder verfallen?

Der Mutterschaftsurlaub könnte hier eine Rolle spielen. Einen Vaterschaftsurlaub bekommen nur wenige Männer. Die Frau hat Mutterschaftsurlaub, ist den ganzen Tag mit dem Kind zu Hause und der Haushalt fällt wie automatisch in ihren Aufgabenbereich. Ausserdem gibt sie möglicherweise eine bereits bestehende Karriere auf. Dies wird von den Frauen als sehr enttäuschend erlebt, sie werden unzufrieden.

Viele Eltern bereiten sich bewusst auf das Kind vor, weil es ein Wunschkind ist. Sie lesen Ratgeber, richten das Kinderzimmer ein und besuchen Geburtsvorbereitungskurse. Was überrascht sie trotzdem, wenn das Kind da ist?

Viele Tipps fokussieren auf die Geburt und das Kind. Aber wie stark das Baby die Partnerschaft verändern kann, daran denken die wenigsten. Es ist wichtig, den Eltern zu vermitteln, dass die beste Voraussetzung für eine gute Entwicklung des Kindes ein gutes Verhältnis der Eltern ist. Wenn es den Eltern gut geht, geht es auch dem Kind gut! Denn dann sind sie entspannter und können feinfühliger auf das Kind reagieren.

Die Teilnehmenden Ihrer Studie «Paare werden Eltern» erhalten Beziehungstipps und ein Training zur Partnerschaftspflege. Brauchen sie das wirklich?

Nein, sie können sich auch selbst Fragen stellen, wie das Elternsein ihre Partnerschaft verändern wird. Viele werdende Eltern haben aber keine realistischen Erwartungen. In unserer Gesellschaft ist es für frisch gebackene Mütter und Väter ein Tabu, auch mal zu sagen: Es geht mir nicht so gut. Denn du hast ein Kind bekommen und sollst jetzt der glücklichste Mensch auf Erden sein. Wir wollen den Eltern den Mut machen, sagen zu können, es ist doch nicht immer so toll, das habe ich mir anders vorgestellt.

Es ist schwer, einzugestehen, dass die eigenen Kinder nerven können.

Über bestimmte Themen wie postnatale Depression und Kinder, die ein schwieriges Temperament haben, sprechen einige schon. Es muss den Eltern bewusst sein, dass es unterschiedliche Kinder gibt. Wir haben einfach noch viel zu oft das Gefühl, dass wir Schuld sind, wenn etwas schlecht läuft. 

Wie funktioniert Ihr Training?

Es geht unter anderem um Kommunikation in der Partnerschaft. Die Paare lernen, sich dem anderen zu öffnen und zuzuhören und besser mit Stress umzugehen. Wir erklären, was man aus der Forschung weiss und die Paare werden dazu ermutigt, miteinander über persönliche Probleme zu sprechen. Die meisten Paare sprechen beispielsweise nicht über das Geburtserlebnis.

Warum nicht?

Der Alltag nach der Geburt ist vollgestopft mit neuen Aufgaben, sodass die Paare nicht dazu kommen, sich auszutauschen. Aber der hauptsächliche Grund ist oft der, dass sie davon ausgehen, dass die Partnerin oder der Partner weiss, wie der andere sich fühlt. Leider ist dies oft nicht der Fall. Beispielsweise die Sexualität verändert sich. Darüber sollten Paare reden. Tun sie es nicht, beeinflusst das die Partnerschaft negativ.

Ist es Paaren bewusst, dass es am Anfang eine Phase ohne Sex geben wird?

Ja, aber vielen ist nicht bewusst, dass die Zweisamkeit allgemein verloren geht. Die Zeit zusammen ohne Kind ist knapp. Deshalb sollten sich Eltern bewusst Inseln schaffen, wo sie nur zu zweit sind.

Wie schaffen sie sich Zeit?

Wenn das Kind schläft, können Eltern zusammensitzen und miteinander reden, Handy und Computer sind ausgeschaltet. Ideal ist es natürlich, wenn zum Beispiel das Grossmami aufs Kind schauen kann. So können die Eltern eine Stunde spazieren gehen. Eine Partnerschaft muss gepflegt werden. Denn zufriedene Eltern und zufriedene Paare nehmen sich Zeit für die Beziehung. Nur so kann sich das Paar wieder als Mann und Frau und nicht nur als Papi und Mami erleben. Die Zeit zu zweit sollten Paare planen.

Auch den Sex?

Ja, vielleicht ist das die Lösung. Für manche Paare führt das aber eher zu einer Blockade. Eigentlich gibt es für den Sex nach der Geburt des Kindes zwei Möglichkeiten: Entweder Paare planen ihn oder sie werden spontaner als je zuvor und nutzen jede Gelegenheit, die sich im Alltag mit einem Kind ergeben kann.

Christelle Benz-Fragnière hat in Zürich Psychologie studiert und in Fribourg über mütterliche Feinfühligkeit promoviert. Die Wissenschaftlerin arbeitet am Institut für Soziale Arbeit und Gesundheit der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und betreut die Studie «Paare werden Eltern». Sie ist Mutter einer zweijährigen Tochter. Bild: zVg

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