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Geburtstrauma statt Traumgeburt: Wenn die Geburt seelische Wunden hinterlässt

Eine Geburt ist oft ein schwieriges Erlebnis und kann manchmal sogar zu einem Trauma führen. In manchen Fällen leiden Betroffene  an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ein Geburtstrauma kann nicht nur Gebärende, sondern beide Elternteile treffen. 

Ein Geburtstrauma kann einen Schatten über das Elternglück werfen.
Ein Geburtstrauma kann einen Schatten über das Elternglück werfen. © Getty Images, rudi_suardi

Geburtstrauma: Das Wichtigste in Kürze

Die Geburt eines Kindes ist ein Erlebnis, das in der Regel grosse Freude auslöst. Doch manche Geburten sind so problematisch, dass Mütter seelisch und körperlich unter den Folgen des Geburtserlebnisses leiden.

Geburtstrauma Auslöser: So entsteht ein Geburtstrauma

Ein Geburtstrauma entsteht oft durch schwierige Komplikationen unter der Geburt, die starke seelische Verletzungen auslösen. Manche Betroffenen haben besonders starke Schmerzen gehabt. Andere haben sich besonders grosse Sorgen um ihr Kind oder um die eigene Gesundheit gemacht.

Frauen, deren Geburt fremdbestimmt wurde, leiden besonders häufig unter einem Geburtstrauma. Vor allem Kontrollverlust, das Gefühl den Wehen oder auch dem Personal (Hebammen, Ärzte) ausgeliefert zu sein und selbst keinen Einfluss auf das zu haben, was in ihnen und um sie herum passiert, erleben einige Frauen als traumatisch.

Eine Geburt im Spital ist oft wenig selbstbestimmt. Im Liegen und Sitzen ist die Bewegungsfreiheit so stark eingeschränkt, dass die Mutter das Baby nicht durch Beckenbewegungen aktiv auf seinem Weg durch den Geburtskanal unterstützen kann. Auch fehlt die unterstützende Wirkung der Schwerkraft, die das Kind förmlich auf die Welt zieht. Geburten im Liegen sind nicht nur länger, sondern verursachen auch mehr Schmerzen.

Wie viele Geburten sind traumatisch?

In Deutschland erleben laut dem Verein «Schatten & Licht» jedes Jahr 100’000 Mütter ein Geburtstrauma. Zahlen für die Schweiz sind keine bekannt.

Gewalt unter der Geburt: Ein Tabuthema

Ein weiterer Grund für ein Geburtstrauma ist Gewalt unter der Geburt. Das Thema ist stark tabuisiert, obwohl es öfters vorkommt, als man denkt. Eine Studie der Berner Fachhochschule hat ergeben, dass über ein Viertel aller Frauen während der Geburt Zwang erlebt. Die Gebärenden berichteten von Einschüchterungen oder Beleidigungen von Fachpersonen sowie einseitige Informationen zu Eingriffen. 

Wie äussert sich ein Geburtstrauma?

Ein Geburtstrauma ist zwar eine seelische Verletzung, doch sie kann sich körperlich auswirken, zum Beispiel durch erhöhten Puls, Schlaflosigkeit oder durch chronische Schmerzen. Seelische Folgen können starke Angststörungen und Depressionen sein.

Oft fällt betroffenen Müttern schwer, eine intensive Beziehung zum Baby zu knüpfen. Auch die Beziehung zum Partner kann leiden.

❓ Test: Habe ich ein Geburtstrauma? ❓

  • Flashbacks, häufige intensive Erinnerungen an die Geburt
  • Mühe mit Nähe und Berührungen
  • Panikattacken
  • Extreme Erschöpfung
  • Postnatale Depressionen
  • Apathie

Falls du das Gefühl hast, an einem Geburtstrauma zu leiden, wende dich unbedingt an eine Fachperson. Tue das unbedingt auch, wenn die typischen Symptome nicht auf dich zutreffen. Jeder Mensch reagiert etwas anders auf traumatische Ereignisse.

Welche Spätfolgen kann ein Geburtstrauma haben?

Wenn ein Geburtstrauma nicht verarbeitet wird, kann daraus eine post-traumatische Belastungsstörung entstehen. Dabei handelt es sich um eine psychische Erkrankung. Betroffene erleben die traumatischen Situationen innerlich immer wieder, vermeiden Aktivitäten oder Situationen, welche sie an das Ereignis erinnern und leben manchmal mit dem Gefühl der ständigen Bedrohung.

Geburtstrauma Mann: Können Männer Geburtstrauma haben?

Eine Studie der Oxford University ergab kürzlich, dass auch Männer ein Geburtstrauma erleben können. Dies kommt vor allem vor, wenn die Geburt schwer oder gar lebensgefährlich für die Partnerin war. Die betroffenen Männer erzählten davon, wie sie allein gelassen wurden und niemand sie darüber informiert habe, was mit ihren Partnerinnen und Kindern geschieht. Die Ängste der Männer würden im Geburtskontext oftmals ignoriert.

Wie Eltern Traumata an ihre Kinder vererben

Unverarbeitete Erfahrungen können an den Nachwuchs weitergegeben werden.
Unverarbeitete Erfahrungen können an den Nachwuchs weitergegeben werden. © E+

Panikattacken, Depression oder Aggression müssen ihre Ursachen nicht im Leben der Betroffenen selbst haben. Traumata können auch vererbt werden. Wie das geschieht und welche Familien betroffen sein könnten, liest du in unserem Artikel dazu. 

Wie kann man eine traumatische Geburt verarbeiten?

Wichtig ist, über das Erlebte zu sprechen – mit dem Partner, mit Freunden, mit Familienmitgliedern. Verständnis haben vor allem andere betroffene Frauen, die sich zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe finden lassen. Sinnvoll kann es sein, den Geburtsverlauf zu rekonstruieren, um ihn besser zu verstehen und zu verarbeiten. Durch eine Nachbesprechung der Geburt mit Personen, die dabei anwesend waren (Hebamme, Arzt) kann es auch gelingen, die zunächst nur bruchstückhaft vorhandenen Erinnerungen zu einem sinnvollen Ganzen zu rekonstruieren. Es ist auch möglich, den Geburtsbericht anzufordern und zu besprechen.

❣️ Geburtstrauma: Du bist nicht allein ❣️

Wenn du eine traumatische Geburt erlebt hast, kannst du dir Hilfe holen. Das Schweizer «Netzwerk Verarbeitung Geburt» vermittelt Adressen von Therapeuten in der Schweiz, die sich auf die Überwindung von Geburtstraumata spezialisiert haben.

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