Kinderbuch-Illustratorin Popy Matigot zeigt uns, warum Reden Gold ist
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, aber ganz ohne Worte sollte man auch nicht leben. Die französische Illustratorin Popy Matigot hat ein Kinderbuch zum Thema Kommunikation gestaltet, das uns ermutigt, wieder mehr miteinander zu sprechen. Mit uns hat sie auch gesprochen: Über Dialoge, Missverständnisse und die Sprache der Bilder.
Haben Sie heute schon mit Ihrem Nachbarn geredet? Vielleicht sollten Sie es tun, solange Sie noch die Chance dazu haben. Bei den Wolkenheimern hat sich die Gelegenheit für Plaudereien unter Nachbarn buchstäblich in Luft aufgelöst, als sie beschlossen, in luftiger Höhe zu leben. Eines schönen Tages hatte einer von ihnen sein Haus auf hohe Stelzen gestellt. Dem nächsten gefiel die Idee so gut, dass er seine Bleibe direkt darüber baute, und dann wollten auch alle anderen möglichst hoch droben wohnen. Zum Glück war da der kleine Matti, der flugs zwischen den Leuten hin und her kletterte und Nachrichten überbrachte. Bis er den Faden verlor und ein grosses Durcheinander schuf. Das Gute ist, dass das Durcheinander die Nachbarn am Ende wieder näher zueinander brachte.
Das von Popy Matigot illustrierte Kinderbuch «Ihr da oben!» ist amüsant, aktuell und einzigartig. Wir wollten von der französischen Illustratorin mehr erfahren über die Idee, die fehlende Kommunikation zwischen den Wolkenheimern, die wir alle auch immer wieder im Alltag erleben – und ihre Bilder, die das Kinderbuch unverwechselbar machen. Mit uns hat sie über ihre Arbeit gesprochen.
Popy Matigot, wie entstand die Idee zu Ihrem Kinderbuch «Ihr da oben!» und was möchten Sie Kindern damit auf den Weg geben?
Ich habe zuerst einfach gezeichnet, ohne ein bestimmtes Ziel. Doch nach und nach erschuf ich Teile dieses Universums, insbesondere die Häuser auf hohen Stelzen. Erst dann dachte ich darüber nach, welche Geschichte diese kleinen Teile eines Universums erzählen könnten. Und dann, während einer Zugfahrt – denn Ideen kommen oft zu unwahrscheinlichen Zeiten oder an unwahrscheinlichen Orten, etwa wenn wir uns langweilen oder nachdenken –, fügte sich die Geschichte von «Ihr da oben!» in meinem Kopf zu einem Bild zusammen. Ich wollte mit dieser Geschichte Fragen zu unseren Beziehungen zu anderen, zum Zusammenleben und zur Bedeutung der Kommunikation aufwerfen.
Ihr Buch thematisiert das Thema Kommunikation. Wieso ist Ihnen genau dieses Thema so wichtig?
Der Dialog zwischen Nachbarn, zwischen Jung und Alt, zwischen verschiedenen sozialen Schichten und zwischen Gemeinschaften kommt immer mehr abhanden. Dies ist jedenfalls der Eindruck, den ich habe, und es scheint mir, dass die Spannungen dadurch zunehmen, was Missverständnisse und Konflikte erzeugt. Es ist ein bisschen banal, aber für mich sind der Dialog, das Verständnis und die Akzeptanz des Anderen von grösster Bedeutung, ja sogar essenziell.
Glauben Sie, dass Illustrationen genauso viel ausdrücken können wie Text?
Da bin ich mir sicher. Aber auf andere Weise: Vielleicht lässt ein Bild mehr Raum für Interpretation oder Reflexion.
Wie kamen Sie als Illustratorin dazu, für Ihre neue Veröffentlichung selber Texte zu schreiben?
Ich arbeite sehr gerne mit Autorinnen und Autoren zusammen, wie etwa Sandra Le Guen, mit der ich zwei Bilderbücher (Petite Pousse und A l'horizon) veröffentlicht habe, und ich werde zweifellos weiterhin mit einer Partnerin oder einem Partner arbeiten. Aber als mir die Idee für «Ihr da oben!» kam, verspürte ich die Lust, über dieses Buch in seiner Gesamtheit nachzudenken und es auch ein wenig persönlicher zu gestalten als andere. Und dies, obwohl mir die Schreibarbeit noch nicht natürlich und spontan von der Hand geht und ich mich noch nicht vollkommen wohl fühle.
Worin besteht für Sie der Unterschied zwischen Illustrationen für Erwachsene und für Kinder?
Ich habe eine ziemlich «naive» Seite an mir, denn für mich gibt es keinen grossen Unterschied zwischen einer Illustration für Erwachsene und einer Illustration für Kinder. Ich gehe sie auf dieselbe Weise an. Vielleicht ist es eher das Thema der Illustration, das den Unterschied macht. Aber ich mag die Kategorien «Kinderbuchillustratorin» und «Erwachsenenillustratorin» nicht wirklich.
Sehen Sie wirklich gar keinen Unterschied?
Man sagt, dass für kleine Kinder die Illustrationen klar und einheitlich sein müssen, aber ich denke, dass eine gute Illustration für die Presse oder beispielsweise für ein Poster dieselben Eigenschaften verlangt, um ihre Wirkung zu entfalten. Und wenn wir über Farben sprechen, so bin ich keineswegs der Meinung, dass man für Kinder zwingend mehr Farben einsetzen muss als für Erwachsene. Ich arbeite gerne, überall und viel mit Farben. Davon abgesehen, glaube ich, dass ein Kind auch ein Buch in Schwarz und Weiss schätzen kann.