Andri Krämer alias Gschichtefritz erzählt fürs Leben gern
Seit mehr als sieben Jahren ist er aktiv, der Gschichtefritz. In Zürich zu Hause, erzählt und produziert der Vater, Onkel und Götti fürs Leben gern gute Geschichten. Wie es dazu kam, dass er seine absolut werbefreien Mundart-Geschichten als Hörbuch nicht verkauft, sondern verschenkt, erzählte er familienleben.ch.
Lieber Gschichtefritz, Sie sind ja ein relativ junger Geschichtenerzähler...
Finden Sie? Ich habe halt gern gute Geschichten. Solche, die ich - als ich klein war - auch gern gehört hätte. Das Erfinden von Geschichten ist eine kreative Arbeit, das passt mir sehr. Alles, was ich kann, ist in dem enthalten, was ich seit 2009 den Kindern und Familien anbiete.
Wie haben Sie denn Ihre Begabung als Gschichtefritz entdeckt?
Die ersten drei Geschichten entstanden für meinen Neffen Fabian. Als er drei Jahre alt war, bekam er die erste Dino-Geschichte und mit vier Jahren die erste Geschichte mit dem Roboter Beni. Er liebte diese Geschichten. Freunde und Familie waren begeistert. So fing es an ...
Und dann kamen Sie darauf, die Geschichten zu verschenken?
Ja. Wissen Sie, ich bin Informatiker und Musiker. Ende 2008 wurde ich Vater und machte deshalb eine Berufspause. So hatte ich Zeit, eine ausgeklügelte, voll automatisierte Administration für die Geschichten zu programmieren. Die Bestellungen werden an meinen Computer geschickt und ich nehme mit diesem die Widmung auf. Diese geht zurück an den Server, welcher die Geschichte als mp3 aufbereitet und den Link zum Download versendet. Oder ich brenne die Geschichten als CD und stecke sie mit dem automatisch gedruckten Lieferschein ins Couvert. So habe ich nicht mehr viel Aufwand mit dem Versand und dem Sprechen der persönlichen Widmung - jede Geschichte wird nämlich mit einer persönlichen Widmung, dem Namen des Kindes und auf Wunsch auch einem Geburtstagsgruss eingeleitet. Kinder brauchen keine Perfektion, sondern gute und lebendig erzählte Geschichten, die sie abholen und ihre Phantasie anregen. Lieder gehören da einfach dazu. Auf das Modell mit dem Verschenken bin ich gekommen, weil es mich Wunder nahm, was passiert, wenn man es den Leuten freistellt, dass sie dafür geben können, was sie möchten.
Bezahlen die Leute denn freiwillig für die Geschichten?
Ja, es funktioniert. Einige bezahlen natürlich nichts. Die Leute finden die Idee mit der persönlichen Widmung aber sehr lässig und viele Familien, die kein Geld haben, sind wirklich froh über das Angebot. Einige nutzen auch gerne die Möglichkeit, für die Geschichten mit Abreisszetteln oder Postkarten kostenlos Werbung zu machen. Mein Vertriebsmodell beruht vollständig auf Freiwilligkeit, man darf mir für die Geschichten etwas bezahlen, muss aber nicht. Aber natürlich bin ich froh um jeden eingezahlten Betrag.
Auch der Versand ist kostenlos?
Ja, auch der. Es gibt aber eine Mengenbeschränkung: Die gleiche Familie darf nicht eine Geschichte mehrfach bestellen und maximal eine Bestellung à 3 Geschichten pro Monat erfassen. Wenn sie zwei Kinder hat, spreche ich die Widmung für beide Kinder.
Sie verdienen also überhaupt kein Geld mit Werbung?
Keinen Rappen. Meine Website, meine Geschichten und Lieder sind vollkommen werbefrei. Das ist mir heilig. Es kommen zwar schon manchmal Produktenamen vor, aber nur als normaler Teil des Lebensalltags. So geht es im Dino-Bastelsong etwa um verschiedene Sorten Leim, mit denen man etwas zusammenkleben kann. Es nahm mich einfach Wunder, was passiert, als ich auf die Idee kam, die Geschichten kostenlos anzubieten mit einem Modell, das vollkommen auf Freiwilligkeit basiert.
Dennoch gibt es aber Abos mit Fixpreis statt freiwilliger Bezahlung?
Göttis, Grosseltern und oft auch Eltern möchten Kindern mehr als drei Geschichten schenken, ohne jeden Monat eine neue Bestellung aufgeben zu müssen. Dabei sind sie gerne bereit, jeweils 15 Franken für eine CD mit drei Geschichten zu bezahlen. Damit die Mengenbeschränkung für solche Kundinnen und Kunden nicht zur Schikane wird, habe ich vor ein paar Jahren “Geschenk-Abos” eingeführt. Geschenk-Abos unterliegen nicht der Mengenbeschränkung und kosten 90 Franken für 6 Lieferungen. So erhält das beschenkte Kind wahlweise jeden Monat während eines halben Jahres oder zweimonatlich während eines ganzen Jahres Post vom Gschichtefritz. Ein perfektes Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk!
Gab es weitere Veränderungen über all die Jahre?
Oh ja! Kaum hatte sich jeweils wieder Geld im Gschichtefritz-Kässeli angesammelt, freute ich mich schon, das nächste Projekt in Angriff zu nehmen. So gibt es mittlerweile auch eine CD “Dino-Songs” mit Liedern aus den Geschichten, die ich mit einer grossartigen Begleitband neu arrangiert und eingespielt habe. Auch diese CD gibt’s gegen freiwillige Bezahlung. Dazu hab ich auch noch ein schön illustriertes Liederheft gemacht. Zudem gibts gratis Malvorlagen und Malhefte. Neu gibts auch Geschichten auf Hochdeutsch. Zudem trete ich inzwischen auch live auf, zum Beispiel an Kinderfestivals, in Schulen und Bibliotheken oder ich lese und singe an Quartierfesten oder Kita-Jubiläen. Natürlich macht es mir aber nach wie vor Spass, regelmässig neue Geschichten zu schreiben.
Macht der Gschichtefritz alles selbst?
Fast alles. Nur das Cover der CDs lasse ich von einem professionellen Zeichner gestalten. Geschichten und die Lieder stammen von mir und sind auch bei der SUISA angemeldet. Ich spreche die verschiedenen Charaktere mit jeweils veränderter Stimme. Es soll einfach in lebendiger Form vorgetragen, aber kein Hörspiel sein. Geschichten und Lieder produziere ich zwar im eigenen kleinen Tonstudio, doch ich habe keinen hundertprozentigen Anspruch auf Perfektion.
Was für Geschichten erzählen Sie denn?
Gestartet bin ich mit sechs Geschichten in zwei Serien, dem „blauen Dino" und dem „Roboter Beni". Dino ist für Kinder ab drei Jahren gestaltet, extra kurz und mit kindgerechten Liedern, die zur Geschichte passen, wie dem Bastelsong vom blauen Dino. Der Roboter Beni ist für etwas grössere Kinder so ab fünf Jahren. Diese Geschichten sind etwas länger und komplexer und enthalten auch eingespielte Lieder. Inzwischen gibt es bereits mehr als 55 Geschichten mit einer Gesamtspieldauer von über 24 Stunden. Das reicht auch für richtig lange Autofahrten (lacht).
Haben Ihre Geschichten einen pädagogischen Anspruch?
Ja sicher. Bei den Geschichten des Roboters Beni geht es um Verantwortung und einen Lernanspruch. Aber mit Humor und ohne hochgehaltenen Zeigefinger bitte! So überfällt der Roboter in der ersten Folge eine Bank und muss anschliessend lernen, sich in die Gemeinschaft einzufinden. Die Geschichten enthalten auch Elemente, die Kinder motivieren, Dinge selbst zu machen. Der Roboter Beni wird zum Beispiel auch in einer der Geschichten zum besten Zugverkäufer am Minibarwägeli und die Kinder bestücken es mit selbstgemachten Sandwiches und Getränken. Und der blaue Dino ist einfach ein Gemütskerl, der allen aus der Patsche hilft und alles reparieren kann.
Und die Geschichten sind vollumfänglich kindgerecht?
Absolut. Mir persönlich ist es wichtig, dass die Geschichten nicht nur moralisch, sondern auch lustig und lebendig sind. Ob die Geschichten die Kinder ansprechen, liegt eben schon auch an der Art und Weise, wie sie erzählt und vermittelt werden. Wissen Sie, meine Frau ist Handarbeitslehrerin. Sie hört sich alle Geschichten mehrmals an, bevor sie erscheinen. Doch die besten Geschichten-Kritiker sind natürlich meine drei Kinder.
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So kommen Sie an die Gschichten vom Gschichtefritz: Einfach Homepage besuchen und Formular ausfüllen. Bei Neuerscheinungen werden Sie anschliessend automatisch per E-Mail avisiert.
Seit kurzem kann man den Gschichtefritz auch live erleben. Zum Dino-Lied «Ich bin de Dino stampf stampf» hat Andri Krämer zwei Spiele-Apps für Kinder von 3 - 6 Jahren entwickelt. Alle Geschichten, Lieder, Musik, E-Books, Malhefte und vieles mehr gibt es im Online-Shop: www.gschichtefritz.ch. Bezahlung - wie immer - nach Gutdünken.
Auf der Homepage vom Gschichtefritz können zu jeder erschienenen Folge unterhaltsame Malvorlagen heruntergeladen werden. Bild: Gschichtefritz.
Interview: Kathrin Fischer