Kunsttherapie: Wie sie Kindern und Erwachsenen helfen kann
Man muss kein Künstler sein, um bei Leo Lalkaka in eine Kunst- und Ausdruckstherapie einzusteigen. In seiner Kunsttherapie geht es nicht um das Kunstwerk, sondern um den künstlerischen Prozess. Wie die Therapie gestressten Kindern oder Eltern helfen kann, erklärt er im Interview.
Immer mehr Eltern fühlen sich durch Job, Haushalt und Kinder gestresst, manche leiden sogar an einem Burnout. Könnte ihnen eine Kunsttherapie helfen?
Leo Lalkaka: Ja, denn die Kunst kann sehr entspannend wirken, aber auch Spannung bringen. Es geht darum, über die Kunst die Balance zwischen Anspannung und Entspannung wieder zu finden.
Geht es nur um Kunst oder werden Probleme auch angesprochen?
Ja, wir schauen Probleme gemeinsam an. Die Lösung muss der Betroffene selbst finden. Wir als Therapeuten unterstützen ihn dabei mit unserer kompetenten Begleitung.
Wie läuft eine Kunsttherapie ab?
Zuerst reden wir miteinander über die Probleme und Anliegen des Klienten. Dann werden wir künstlerisch tätig. Die Kunst wird so zur Brücke zwischen Problem und Lösung. Denn der Betroffene sieht sein Problem durch den künstlerischen Prozess von einem anderen Standpunkt aus. Dann kommen wir zurück in das Gespräch und schauen, was der künstlerische Prozess ausgelöst hat. Es geht darum, durch die Kunst, die Sensibilität für den Körper und Geist zu schärfen und nicht darum, ein künstlerisches Endprodukt zu erhalten.
Können Sie ein Beispiel geben?
Zu mir kam ein Mann, der nicht wusste, ob er seinen Job behalten sollte. Nachdem wir über sein Problem gesprochen hatten, gab ich ihm Zeit, ein Bild zu gestalten. Er malte ein Muster mit verschiedenen Farben. Danach hatte er die Möglichkeit, aufzuschreiben, was das Bild in ihm ausgelöst hatte.
Hatte das mit seinem Problem zu tun?
Im Schreibprozess wurde schnell klar, dass nicht der Job an sich das Problem war, sondern seine Einstellung gegenüber der Arbeit. Er erkannte, dass sein Leben nicht nur aus Arbeit bestehen sollte, sondern, dass er bewusst kreative Pausen einlegen sollte. Es hat nur etwa drei Sitzungen gebraucht, bis er sagen konnte, es geht mir gut bei dem was ich jetzt mache. Das war ein schönes Erlebnis.
Kann jeder mit seinen Problemen zu Ihnen kommen?
Die Kunst- und Ausdruckstherapie ist für alle Menschen geeignet, die an sich arbeiten möchten. Es können Menschen sein, die kreativ sein wollen oder die stark traumatisiert sind.
Zur Person
Leo Lalkaka ist Kunst- und Ausdruckstherapeut MA. In Affoltern am Albis (ZH) leitet er die Kinderkrippe Müsliburg und bietet dort auch Kunst- und Ausdruckstherapie an. (Bild: Angela Zimmerling)
Brauchen Menschen mit traumatischen Erlebnissen nicht eher eine Psychotherapie?
Auch sehr schwerwiegende traumatische Erlebnisse können von einem Kunst- und Ausdruckstherapeuten behandelt werden, wenn die Erfahrung des Therapeuten dafür ausreicht. Kunsttherapeuten mit MA Abschlüssen gehören in die Charta der Psychotherapeuten.
Wie unterscheidet sich die Kunst- und Ausdruckstherapie von der Psychotherapie?
Wir arbeiten in der Kunst- und Ausdruckstherapie ressourcenorientiert. Wir bauen auf den Stärken auf. Wir probieren diese weiter zu fördern, um mit den Problemen besser umgehen zu können oder neue Energien frei zu setzen. Und wir nutzen die Kunstformen als Möglichkeit eine Dezentrierung weg von der Problematik hin zur Lösung zu schaffen.
Ist die Kunst- und Ausdruckstherapie auch für Kinder geeignet?
Kinder haben sowieso einen leichten Zugang zur Kunst, so gesehen ist die Kunsttherapie eine sehr geeignete Therapieform. Das künstlerische Spiel steht hier an vorderster Stelle.
Wie haben Sie einem Kind mit Ihrer Therapie helfen können?
Zu mir kam ein Junge, der sehr aggressiv war. Ich hatte zunächst mit den Eltern ein Gespräch. Dann habe ich dem Jungen eine Auswahl an Musikinstrumenten gezeigt, wovon er sich eins aussuchen sollte. Er war sehr wild, ist von Instrument zu Instrument gesprungen und hat versucht möglichst laut auf den Instrumenten zu spielen. Schliesslich hat er sich für eine Ocean Drum entschieden, eine Trommel mit Kügelchen. Wir haben darüber gesprochen wie man die Trommel benutzen kann. Bewegte man sie langsam, war sie leise, bewegte man sie schnell, war sie laut. Er hat mir dabei zugehört. Ich sagte zu ihm: Wenn du im Kindergarten bist, geht es auch darum, zu zuhören: Wie bewege ich mich im Raum? Wenn ich schneller bin, bin ich lauter. Wir haben achtmal zusammen gearbeitet. Die Eltern haben mir später bestätigt, dass er mit der Zeit besser zuhören und sich in der Kindergartengruppe besser integrieren konnte.