So kannst du Alimente berechnen und einfordern
Unterhaltszahlungen – auch Alimente genannt – sollen das Wohlergehen von Kindern sichern, wenn sich deren Eltern trennen. Wie der Anspruch geregelt ist, die Höhe der Unterhaltszahlungen vereinbart wird und ausbleibende Alimente eingefordert werden. Die Rechtsanwältin Noemi Attanasio gibt Tipps und teilt Erfahrungen aus ihrem Berufsalltag.
Alimenten berechnen: Das Wichtigste in Kürze
- Wenn sich ein Paar mit Kindern trennt, stellt sich die Frage nach den Unterhaltszahlungen. So ist der Anspruch geregelt.
- Wie hoch sind Alimente und woraus setzen sich diese zusammen? Bar- und Betreuungsunterhalt sowie Überschussverteilung kurz erklärt.
- Die Höhe der Unterhaltszahlungen können Eltern entweder bilateral festlegen, in einer Mediation klären oder durch einen Gerichtsentscheid regeln lassen. Die Optionen im Überblick.
- Auch wenn Unterhaltszahlungen festgelegt sind, können sich diese Bedingungen mit der Zeit ändern. Das kann aufgrund veränderter Lebensumstände oder der Teuerung geschehen.
- Wenn Unterhaltszahlungen ausbleiben, kann es für den betreuenden Elternteil finanziell schnell eng werden. Diese Optionen gibt es, Alimente einzufordern.
Das Leben hält so manche Herausforderungen bereit und macht dabei auch vor dem Familienglück nicht Halt. Denn: Gemeinsamer Nachwuchs geht nicht immer mit einer harmonischen Paarbeziehung der Eltern einher. Damit einerseits das Wohl der Kinder dennoch gesichert ist, andererseits auch die Finanzen des betreuenden Elternteils nicht in Schieflage geraten, gibt es Alimente.
Zivilstand für den Anspruch auf Alimente irrelevant
Der Zivilstand der Kinds-Eltern spielt für einen Anspruch keine Rolle. Ob man mit dem Vater resp. der Mutter des gemeinsamen Kindes verheiratet ist oder war, ist bei der Beurteilung des Anspruchs nicht relevant. Wichtig aber ist, dass die Vaterschaft offiziell anerkannt ist. «Wenn der Vater der Mutter bekannt ist, dieser aber die Vaterschaft nicht freiwillig anerkennt, kann die Mutter eine Vaterschaftsklage gegen den Vater einreichen», sagt Rechtsanwältin Noemi Attanasio. Die Vaterschaftsklage könne direkt mit einer Unterhaltsklage verbunden werden. «In diesem Fall wird in einem ersten Schritt entschieden, ob der Beklagte der Vater des Kindes ist. Wenn dies der Fall ist, werden direkt die Unterhaltsbeiträge festgelegt, welche der Vater an das Kind bezahlen muss», führt Attanasio weiter aus. Ist die Vaterschaft unbekannt oder macht die Mutter dazu keine Angaben, kann man die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) zur Hilfe beiziehen. In einer Beistandschaft geht diese der Aufgabe nach, den Vater ausfindig zu machen und kann auch die entsprechenden Klagen für das Kind einreichen.
Zur Person:
Noemi Attanasio ist Rechtsanwältin und hat 2020 ihre eigene Anwaltskanzlei «Attanasio Rechtsanwälte AG» in Zürich gegründet und im 2022 einen weiteren Standort auf dem Hirzel eröffnet. Sie verfügt unter anderem in den Rechtsgebieten Ehe-, Familien- sowie Kindesrecht über grosse Erfahrung.
Wer bezahlt Alimente?
Alimente bezahlt ein Elternteil an den anderen, welcher hauptsächlich die Kinderbetreuung übernimmt. Die Unterhaltspflicht entfällt, wenn der entsprechende Elternteil unter dem Existenzminimum lebt und – beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen – kein höheres Einkommen zugemutet werden kann. So meint Noemi Attanasio weiter: «Eltern haben aber grundsätzlich die Pflicht, ihre Leistungsfähigkeit voll auszuschöpfen, damit der Bedarf des Kindes gedeckt ist». Wenn das Einkommen aufgrund eines freiwilligen Teilzeitpensums der unterhaltspflichtigen Person nicht ausreicht, könne ein «hypothetisches Einkommen» festgelegt und auf deren Basis die Unterhaltsbeiträge bestimmt werden.
Sozialhilfe als Auffangnetz
Wenn eine unterhaltspflichtige Person aufgrund von zu geringem Einkommen nicht in der Lage ist, Alimente zu leisten, kann die Sozialhilfe den betreuenden Elternteil respektive deren Kinder finanziell stützen. Dabei ist eine allfällige Verwandtenunterstützungspflicht zu berücksichtigen. Diese schreibt vor, dass in Not geratene Personen von direkten Verwandten in auf- und absteigender Linie finanziell unterstützt werden müssen, sofern letztere in «günstigen finanziellen Verhältnissen» leben. Diese günstigen finanziellen Verhältnisse beginnen ab einem steuerbaren Einkommen von CHF 120'000 bei Alleinstehenden respektive CHF 180'000 bei verheirateten Paaren. Da die Sozialhilfe und eine allfällige Verwandtenunterstützungspflicht kantonal geregelt sind, muss immer die jeweilige Rechtsgrundlage berücksichtigt werden. Eine Auflistung der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) schafft einen Überblick. Ferner kann auch die freiwillige Unterstützung durch Freunde und Familie Abhilfe schaffen.
Dauer der Unterhaltspflicht
Grundsätzlich endet der Anspruch auf Unterhaltszahlungen mit der Volljährigkeit eines Kindes, de facto aber erst mit dem Abschluss einer beruflichen Erstausbildung. Diese berufliche Erstausbildung kann eine Berufslehre oder ein Hochschulstudium sein. Ob bei einem Hochschulstudium die Erstausbildung mit dem Bachelor- oder erst mit dem Masterabschluss endet, hängt von der individuellen Studienrichtung ab.
Mit wieviel Unterhalt pro Kind ist zu rechnen?
Eine Pauschalaussage über die Höhe von Unterhaltsbeiträgen pro Kind zu tätigen, ist nicht möglich. Denn diese ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie dem Kostenbedarf des Kindes, dem Einkommen und Lebensstandard des unterhaltspflichtigen sowie den Lebenshaltungskosten und Erwerbssituation des primär betreuenden Elternteils.
So setzen sich Alimente zusammen
Die Alimente setzen sich aus zwei respektive drei Teilen zusammen – dem Bar- und dem Betreuungsunterhalt sowie einem allfälligen Betreuungsüberschuss.
Barunterhalt
Unter dem Barunterhalt versteht man all jene Kosten, welche für das Kind selbst anfallen. Das sind unter anderem Kosten für Lebensmittel, Kleidung oder Krankenkasse. Aber auch die Wohn- und allfällige Fremdbetreuungskosten fallen darunter. Die Zürcher Kinderkosten-Tabelle bietet dabei Richtwerte.
Betreuungsunterhalt
Beim Betreuungsunterhalt wird eine allfällige Lücke geschlossen, welche zwischen dem eigenen Erwerb und den effektiven Lebenshaltungskosten des betreuenden Elternteils besteht. Dies ist der Fall, wenn der betreuende Elternteil aufgrund der Betreuung des Kindes respektive der Kinder keiner Arbeit nachgehen kann oder dies nur in einem Teilzeitpensum möglich ist.
Betreuungsüberschuss
Standardmässig wird der familienrechtliche Unterhalt anhand der «zweistufigen Methode mit Überschussverteilung» festgelegt. Dabei wird in der ersten Stufe der finanzielle Grundbedarf aller Familienmitglieder (inklusive des unterhaltspflichtigen Elternteils) ermittelt. Besteht nach Abzug der einzelnen Bedarfs-Beträgen vom Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils ein Überschuss, wird dieser auf die Familienmitglieder verteilt. Die Erwachsenen haben dabei in der Regel Anspruch auf einen doppelt so hohen Anteil dieses Überschusses wie die Kinder.
Wer entscheidet final, wie hoch die Alimente sind?
Je nach Verhältnis zwischen den Kindseltern unterscheidet sich der Rahmen, in welchem die Unterhaltszahlungen festgelegt werden.
Vereinbarung zwischen den beiden Elternteilen
Sollte es möglich sein, ist eine gütliche Einigung zwischen den beiden Elternteilen oftmals die beste Lösung. Da das Organisieren eines getrennten Alltags mit gemeinsamen Kindern ohnehin schon eine Herausforderung ist, sollte man die psychische und finanzielle Zusatzbelastung allfälliger Verhandlungen mit Drittparteien nicht unterschätzen. Entstehen Unklarheiten oder kann man sich bei gewissen Punkten nicht einigen, besteht immer die Möglichkeit, eine Drittpartei beizuziehen. Auch wenn sich die Eltern einvernehmlich einigen können, wird dennoch eine schriftliche Regelung mit anschliessender Genehmigung durch die KESB empfohlen.
Einigung durch Mediation
Gerade wenn eine Einigung nur in einzelnen Punkten schwierig ist, bietet sich der Weg über die Mediation an. Dabei liegt der Fokus auf einer gemeinsamen, konkreten und schnellen Lösungsfindung. In der Mediation werden beide Parteien angehört – ob gemeinsam oder getrennt voneinander. Mit Kosten von ungefähr 150 Franken pro Sitzung ist die Mediation gegenüber einer Anwalts-Konsultation zudem auch finanziell weniger belastend.
Rechtlicher Beistand durch Anwalt/Anwältin und anschliessender Gerichtsentscheid
Leider sind unkomplizierte Vereinbarungen nicht immer möglich und das Beiziehen von Anwältinnen oder Anwälten sowie der Gang vors Gericht unumgänglich. «Es kommt immer wieder vor, dass einvernehmliche Lösungen nicht möglich sind, weil Unterhaltspflichtige die Unterhaltsbeiträge vom Kontakt mit dem Kind abhängig machen wollen und somit nicht dazu bereit sind eine Vereinbarung über die Unterhaltsbeiträge zu finden, wenn der Kontakt mit dem Kind nicht nach ihrem Gutdünken stattfindet», weiss Rechtsanwältin Noemi Attanasio aus ihrer täglichen Arbeit. Auch das Gefühl «wie eine Zitrone ausgepresst» zu werden, während sich die andere Partei «ein schönes Leben» mache, sei bei unterhaltspflichtigen Personen oftmals ein Grund, sich bei einer Lösungsfindung querzustellen. Wenn die Eltern der Kinder sich beim Festlegen der Unterhaltszahlungen nicht einig werden, entscheidet ein Gericht über die Höhe der Beiträge. Dieses Prozedere kann viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen. Die dabei definierten Unterhaltsbeiträge werden in einem Gerichtsentscheid festgelegt.
Der geschuldete Unterhalt kann sich verändern
Ein vereinbarter Unterhaltsbeitrag ist nicht in Stein gemeisselt. Wenn sich Voraussetzungen verändern, hat dies Einfluss auf die Höhe der Alimente. Diese Veränderung kann die Lebensumstände betreffen, aber auch die Teuerung.
Veränderung Lebensumstände
Über die Jahre können sich sowohl die Betreuungs- als auch die Einkommensverhältnisse verändern. Sei dies durch Gehaltserhöhungen respektive -einbussen oder durch dauerhafte Veränderung durch (erneuter) Heirat oder Mutter-/Vaterschaft.
Teuerungsausgleich
Befindet sich in einer Alimente-Vereinbarung eine sogenannte «Index-Klausel», passen sich die Unterhaltszahlungen an die Teuerung an. Ist diese Klausel jedoch nicht festgelegt, besteht auch kein Anspruch auf eine entsprechende Anpassung.
Diese Möglichkeiten gibt es, Alimente einzufordern
Im Idealfall nimmt der unterhaltspflichtige Elternteil seine Verantwortung wahr und bezahlt rechtzeitig (in der Regel zum Monats-Ersten im Voraus) die Alimente. Jedoch ist das nicht immer die Realität. Die Gründe dafür sind von Fall zu Fall unterschiedlich, wie Noemi Attanasio weiss: «Einerseits kann es sein, dass der pflichtige Elternteil schlicht nicht über die finanziellen Mittel verfügt. Möglicherweise sind die effektiven Einnahmen tiefer als das ‹hypothetische Einkommen› oder die effektiven Ausgaben höher als vom Gericht festgelegt.» Weiter komme es auch immer wieder mal zu ausbleibenden Zahlungen, wenn das Kind den Kontakt zum unterhaltspflichtigen Elternteil verweigere oder letzterer ein Urteil als ungerecht empfindet, dieses aber nicht anfechte. Eine Zahlungsverweigerung werde zudem auch hin und wieder als Druckmittel genutzt, um vom anderen Elternteil oder den Kindern etwas zu erhalten – beispielsweise mehr Kontakt. In anderen Fällen wolle die oder der Unterhaltspflichtige den anderen Elternteil damit aber schlicht und einfach nur nerven oder schikanieren. Um dennoch an die geschuldeten Beiträge zu kommen, gibt es für die betreuende Person zahlreiche Möglichkeiten.
Alimente selbst einfordern
Geht die Unterhaltszahlung nicht rechtzeitig auf dem Konto ein, kann man als betreuender Elternteil diverse Schritte selbst einleiten, um den Erhalt der Alimente zu erwirken.
- Mahnung des Schuldners: Bleibt die Alimente-Zahlung aus, ist ein erster offizieller Schritt die Mahnung des Schuldners. Dabei wird empfohlen, zehn Tage nach der vereinbarten Frist mittels Einschreiben die Zahlung einzufordern und dabei eine neue Zahlungsfrist festzulegen. Bewirkt das Mahnschreiben nichts, empfiehlt es sich, einen der nachfolgenden weiterführenden Schritte einzuleiten.
- Betreibung: Wenn die Zahlung der Alimente trotz Mahnung nicht erfolgt, kann die Betreibung unter Umständen das richtige Mittel zum Erfolg sein. Vor allem, wenn es sich um einen einzelnen Ausfall der Unterhaltszahlung handelt. Wer eine Betreibung beantragt, muss jedoch die Bearbeitungsgebühr vorschiessen. 20 Tage nach dem Zahlungsbefehl kann eine Betreibung auf Pfändung verlangt werden. Da bei einer Betreibung für jede Forderung separat ein Zahlungsbefehl ausgestellt werden muss, gibt es bei mehreren ausstehenden Forderungen bessere Mittel.
- Schuldneranweisung: Damit nicht für jede einzelne Forderung ein Zahlungsbefehl ausgestellt (und jeweils separat bezahlt) werden muss, kann man beispielsweise den Weg der Schuldneranweisung wählen. Bei dieser Variante kann der betreuende Elternteil beim Gericht einen Antrag stellen, dass Alimente beim Schuldner direkt vom Lohn abgezogen und an die Anspruchstellerin resp. den Anspruchsteller ausbezahlt werden. Die Schuldneranweisung schliesst neben aktuellen auch bisher unbeglichene, nicht aber für zukünftige Forderungen mit ein. Wie bei der Schuldbetreibung ist auch bei der Schuldneranweisung ein Vorschuss fällig.
- Sicherstellung: Eine weitere Möglichkeit, an nicht geleistete Alimente-Zahlungen zu kommen, ist die sogenannte Sicherstellung. Diese ist besonders dann sinnvoll, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner nicht zahlt obschon finanziell dazu in der Lage. Beim Gericht kann man beantragen, dass die Bank einen Betrag als Sicherheitsleistung bei der Schuldnerin oder dem Schuldner sperrt und monatliche Überweisungen erfolgen sollen. Damit werden bis auf Weiteres auch zukünftige Forderungen miteingeschlossen.
Staatliche Alimentenhilfe beantragen
Alimente einzufordern kann einen auch überfordern. Ist dies der Fall, können Unterhaltsberechtigte auf die staatliche Alimentenhilfe zurückgreifen. Je nach Kanton ist ein entsprechendes Gesuch bei der Wohngemeinde oder der kantonalen Stelle einzureichen. Damit die entsprechende Hilfsstelle bei ausgebliebenen Unterhaltszahlungen die nötigen Schritte einleiten kann, müssen Anspruchsberechtigte jedoch bereits eine Mahnung an den unterhaltspflichtigen Elternteil verschickt haben.
- Inkassohilfe: Die Alimentenhilfe unterstützt Unterhaltsberechtigte beim Inkasso der geschuldeten Beiträge. Dabei greifen sie auf die oben erwähnten Instrumente zurück – einfach mit dem Unterschied, dass der betreuende Elternteil sich den administrativen und den finanziellen Aufwand sparen kann.
- Alimentenbevorschussung: Bleiben Unterhaltszahlungen komplett aus, kann die staatliche Alimentenhilfe einen Vorschuss an Unterhaltsberechtigte leisten. Um einen Vorschuss erhalten zu können, darf das Vermögen des betreuenden Elternteils jedoch eine bestimmte Grenze nicht überschreiten. Diese Vermögensgrenze unterscheidet sich von Kanton zu Kanton und ist auch von der Haushaltsgrösse abhängig. Die Grenze im Kanton Zürich (Stand: Januar 2023) liegt für einen Ein-Eltern-Haushalt mit einem Kind bei CHF 105'700.
- Überbrückungshilfe: Ist der Unterhalt bei unverheirateten Elternteilen noch nicht rechtsgültig geregelt, besteht die Möglichkeit, Überbrückungszahlungen zu beantragen. Diese Überbrückungsleistungen werden jedoch nur ausbezahlt, wenn eine rechtsgültige Unterhaltsregelung in entsprechender Höhe absehbar ist.
Bei ausbleibenden Alimenten droht ein Strafverfahren
Wenn sich ein unterhaltspflichtiger Elternteil entweder aus Böswilligkeit oder Arbeitsscheu weigert, die geschuldeten Alimente zu bezahlen, kann man zudem ein Strafverfahren wegen Missachtung der Unterhaltspflicht einleiten. Im Falle einer Verurteilung droht der beschuldigten Partei eine Geldstrafe oder gar ein Gefängnisaufenthalt. Das Strafverfahren und eine allfällige Verurteilung sorgen jedoch nicht dafür, dass der betreuende Elternteil zu den rechtmässig zustehenden Unterhaltszahlungen kommt.