Sozialhilfe: Was Familien wissen müssen
Was tun, wenn das Geld nicht mehr reicht? Wenn sich Familien über Sozialhilfe informieren wollen, ist für sie oft schwer zu durchschauen, welche Rechte und Pflichten sie haben. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.
Das Sozialhilferecht in der Schweiz ist nicht einfach zu überblicken. Jeder Kanton hat seine eigenen Regelungen. Doch für viele wichtige Fragen gelten einheitliche Standards, die den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) folgen. Wir haben die Antworten auf die dringendsten Fragen festgehalten.
Sozialhilfe beantragen – Fragen und Antworten
1 Wie wird der Anspruch auf Sozialhilfe berechnet?
2 Wie hoch ist die Sozialhilfe und welche Kosten übernimmt sie?
3 Wann darf Sozialhilfe gekürzt werden?
4 Wer hat Anspruch auf Sozialhilfe?
1 Wie wird der Anspruch auf Sozialhilfe berechnet?
Sozialhilfe soll nicht nur die Bedürfnisse abdecken, die zum reinen Überleben notwendig sind (zum Beispiel Nahrung). Die unterstützte Person muss auch ähnlich wie Nichthilfeempfänger leben können. Für gesellschaftlichen Luxus ist die Sozialhilfe nicht zuständig, doch eine angemessene Teilhabe am Sozialleben muss ermöglicht werden, deshalb wird der Betrag, auf den die Empfänger Anspruch haben, auch soziales Existenzminimum genannt.
Zu diesem Existenzminimum gehört, dass die unterstützte Person soziale und familiäre Kontakte pflegen kann, dass sie in einer Wohnung lebt und ihre Bedürfnisse nach Kommunikation, Mobilität, Kultur und Information angemessen befriedigen kann.
2 Wie hoch ist die Sozialhilfe und welche Kosten übernimmt sie?
Den ersten Teil dieses sozialhilferechtlichen Existenzminimums bildet die materielle Grundsicherung der unterstützten Person. Dazu zählen die vor Ort anerkannten Wohnkosten, die medizinische Grundversorgung und der Grundbedarf für den Lebensunterhalt, der in den SKOS-Richtlinien präzise festgelegt ist.
Gemäss diesen Richtlinien beträgt der Grundbedarf:
- Für eine Person 986 Franken
- Für zwei Personen 1509 Franken
- Für drei Personen 1834 Franken
- Für vier Personen 2110 Franken
- Für fünf Personen 2386 Franken
- Für jede weitere Person zusätzlich 200 Franken.
Zu diesem Grundbedarf gehören unter anderem Nahrungsmittel, Bekleidung und Vereinsbeiträge. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.
Den zweiten Teil der Sozialhilfe bilden situationsbedingte Leistungen. Dazu gehören im Bereich der Familie besondere Ausgaben für die Kinderbetreuung, Besuchsrechtskosten, Kosten für Freizeitaktivitäten von Kindern und Jugendlichen oder auch eine sozialpädagogische Familienbegleitung. Schulden hingegen übernimmt die Sozialhilfe nicht.
3 Wann darf Sozialhilfe gekürzt werden?
Alle Einnahmen und Vermögen, die vorhanden sind, werden an die Sozialhilfe angerechnet. Das Sozialhilferecht zählt zum Beispiel Unterhaltszahlungen eines Elternteils oder Unterstützungsleistungen von Ehepartnern als Einnahmen der unterstützten Person. Auch die Alimentenbevorschussung, die gezahlt wird, wenn ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt, gilt als Einnahme. Wenn ein Kind mit Sozialhilfe unterstützt wird und gleichzeitig Ansprüche auf Unterhaltszahlungen hat, gehen diese Ansprüche auf die Sozialhilfebehörde über.
Für Kinder gelten besondere Regeln: Hat zum Beispiel die Grossmutter ein Sparkonto mit mehreren Tausend Franken speziell für die Ausbildung oder einen Autokauf des Enkels eröffnet, darf dieses sogenannte freie Kindesvermögen bei der Berechnung der Sozialhilfe nicht berücksichtigt werden.
Einen Höchstbetrag für das freie Kindesvermögen gibt es nicht. Das gesamte Geld bleibt also unangetastet auf dem Konto, damit sich das Kind damit einmal eine Ausbildung finanzieren oder ein Auto kaufen kann. Hätte die Grossmutter das Sparkonto ohne spezielle Bestimmung hinterlassen, könnte der Ertrag für den Lebensunterhalt des Kindes verwendet werden. Für die Substanzverwertung selbst müsste aber ein Antrag an die Kindesschutzbehörde gestellt werden.
Die Sozialhilfe kann auch gekürzt werden, wenn die Berechtigten ihren Pflichten nicht nachkommen. Sie haben eine Integrationspflicht, sollen sich also um Arbeit bemühen. Tun sie das nur ungenügend, können ihnen die Leistungen gekürzt werden. Dabei sollen die Sozialhilfebehörden jedoch den individuellen Fall betrachten. Gibt es im Haushalt zum Beispiel Kinder und Jugendliche? Sie sollen nicht unter einer Leistungskürzung leiden. Hier gibt es unterschiedliche kantonale Vorgehensweisen.
4 Wer hat Anspruch auf Sozialhilfe?
Für die Berechnung der Sozialhilfe werden die traditionelle Familie, die nichteheliche Partnerschaft (Konkubinat), die familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft sowie die Zweck-Wohngemeinschaft unterschieden:
Die Familie
Als wirtschaftliche Unterstützungseinheit wird sozialhilferechtlich die zusammenlebende Familie betrachtet. Das bedeutet: Die Familie wird als Ganze unterstützt, auch wenn eines der Familienmitglieder allein keine Unterstützung bräuchte. Andersherum sind aber auch alle in der Familie lebenden Personen verpflichtet, sich zu unterstützen, weshalb ihre jeweiligen Vermögen und Einnahmen zusammengerechnet werden. Registrierte gleichgeschlechtliche Paare sind den Ehepaaren gleichgestellt und werden ebenfalls als Unterstützungseinheit betrachtet.
Auch eine alleinerziehende Person bildet mit ihren minderjährigen Kindern eine Unterstützungseinheit. Alleinerziehende sind in der Schweiz besonders von Armut betroffen. Für gewöhnlich gilt als Ziel, dass der alleinerziehende Elternteil wieder arbeitet, sobald das jüngste Kind mindestens ein Jahr alt ist. Es werden aber spezielle Umstände berücksichtigt, zum Beispiel, wenn das Kind eine Behinderung hat.
Unverheiratete Paare – Konkubinatspartner
Zusammenlebende Konkubinatspartner gelten nicht als wirtschaftliche Unterstützungseinheit. Es wird also allein die bedürftige Person mit Sozialhilfe unterstützt. Falls die Partnerschaft aber als eheähnlich eingestuft wird, kann ein Unterstützungsbeitrag des nicht bedürftigen Partners eingefordert werden. Dieser Fall kann eintreten, wenn das Konkubinat seit mindestens zwei Jahren besteht oder wenn das Paar mit einem gemeinsamen Kind zusammenlebt. Die Behörden betrachten aber jeden Fall neu und entscheiden individuell.
Familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaften
Wenn Paare oder Gruppen dauerhaft zusammenleben ohne eine Unterstützungseinheit zu bilden, gelten sie als familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaften. Das sind zum Beispiele Konkubinatspaare, die nicht als eheähnlich gelten, oder das Elternpaar mit volljährigen Kindern in einem Haushalt. Ist eine Person bedürftig, wird sie allein mit Sozialhilfe unterstützt. Da aber das Zusammenleben (gemeinsame Haushaltsführung) zum Beispiel die Kosten für Miete, Waschen, Essen und so weiter reduziert, wird die Sozialhilfe an die Situation angepasst.
Personen in Zweck-Wohngemeinschaften
Personen in Zweck-Wohngemeinschaften führen den Haushalt nicht gemeinsam und bezahlen etwa die Kosten für das Essen jeweils selbst. Dennoch fallen manche Kosten geringer aus, zum Beispiel für die Abfallentsorgung, das Internet oder die Reinigung – und natürlich die Miete. Deshalb sehen die SKOS-Richtlinien im Fall einer Zweck-WG vor, den Betrag für den Grundbedarf um 10 Prozent zu senken.
5 Wo und wie kann man Sozialhilfe beantragen?
Sozialhilfe kann man beim Sozialdienst der Wohngemeinde beantragen. Die Antragsteller erscheinen persönlich bei der Behörde und legen ihre Einnahmen und Vermögen offen, damit über den Anspruch auf Sozialhilfe entschieden werden kann.
6 Muss Sozialhilfe zurückerstattet werden?
In manchen Fällen zahlt die Sozialhilfe Bevorschussungen, zum Beispiel, wenn eine IV-Rente noch nicht ausbezahlt wurde. Diese Bevorschussungen müssen später zurückgezahlt werden.
Auch unrechtmässig bezogene Sozialhilfe muss zurückgezahlt werden, zum Beispiel, wenn doch kein Anspruch besteht, weil Lohneinnahmen nicht angegeben worden waren.
Aber auch rechtmässig geleistete Sozialhilfe muss zurückgezahlt werden, sobald die unterstützte Person oder die Unterstützungseinheit wieder über Vermögen oder Einnahmen verfügt. Da das Ziel der Sozialhilfe aber ist, dass die unterstützten Personen finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen, empfehlen die SKOS-Richtlinien aber, auf eine Rückerstattung aus späterem Erwerbseinkommen zu verzichten. In der juristischen Lehre wird die Rückerstattung rechtmässig bezogener Sozialhilfe ausserhalb von Bevorschussungen generell kritisch betrachtet.
Zur Rückerstattung verpflichtet sind alle Personen oder Einheiten, die Sozialhilfe bezogen haben – wobei der Sozialhilfebeitrag für Kinder nicht in jedem Fall zurückgezahlt werden muss. Wenn das Kind zum Beispiel dauerhaft fremdplatziert ist und deshalb eine eigene Unterstützungseinheit bildet, muss es den Sozialhilfebeitrag später nicht zurückzahlen. Wenn es bei den Eltern lebt und deshalb mit ihnen eine Unterstützungseinheit bildet, können die Eltern verpflichtet werden, auch die Beiträge für die Kinder zurückzuzahlen. Teilweise werden die Beiträge für Kinder aber vom Rückerstattungsbeitrag abgezogen.
Sozialhilfe in der Schweiz
Die Informationen in diesem Text stammen von Guido Wizent, Co-Abteilungsleiter Rechtsdienst beim Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt, zuständig für den Bereich Sozialhilfe.