Weshalb Eltern öfter «Ich zähle jetzt bis drei!» sagen sollten
Wer von uns Eltern hat es nicht schon einmal gesagt: «Ich zähle jetzt bis drei!» Die Zählmethode kann ein positives Erziehungsmittel sein und sogar die Selbstwirksamkeit der Kinder stärken, wenn Sie ein paar Grundsätze beachten.
Das Wichtigste in Kürze:
- Haben Sie Verständnis für Ihr Kind, wenn es noch in seiner Spielwelt ist und sie nur ungern verlassen möchte.
- Die 1-2-3-Zählmethode gibt ihrem Kind Zeit, die Situation zu wechseln.
- Überlegen Sie sich immer vorher mögliche Konsequenzen, aber bestrafen Sie Ihr Kind nie mit dem Entzug von Qualitätszeit mit Ihnen.
Unermüdlich stapelt das Kind Bauklötze aufeinander und kommt auch nach mehrmaligem Rufen nicht zum Abendessen an den Tisch. Es malt und malt, anstatt endlich anzufangen sich die Zähne zu putzen. Und auf dem Weg zum Kindergarten will es in jede Pfütze hüpfen.
«Ich zähle jetzt bis drei!», entfährt es Eltern immer wieder in solchen Situationen. Aber ist das wirklich eine sinnvolle Methode? Die Kinderpsychologin Ina Blanc sagt voller Überzeugung «Ja». Doch Eltern sollten bei der Anwendung der 1-2-3-Zählmethode auf ein paar grundlegende Aspekte achten.
«Gehen Sie sicher, dass Ihr Kind Sie hört»
Warum eigentlich hören Kinder oft nicht auf ihre Eltern, wenn sie aufgefordert werden, sich die Schuhe anzuziehen, an den Tisch zu kommen oder zügiger zu gehen? «Oft hören die Kinder es tatsächlich gar nicht», sagt Ina Blanc. Die Kleinen sind mit ihrem Spiel beschäftigt und so sehr in ihrer eigenen Welt, dass sie Geräusche und Stimmen um sich herum ausblenden können.
«Wichtig ist, dass man nicht brüllt oder etwas ständig wiederholt», empfiehlt die Psychologin. «Schauen Sie dem Kind in die Augen, stellen Sie Körperkontakt her und gehen Sie sicher, dass Ihr Kind Sie wirklich hört.»
Wenn sich ein Kind gerade in seiner Spielewelt befindet, ist es nur allzu verständlich, dass es sie nicht gerne verlassen möchte, um zum Arzt, in die Schule oder an den Tisch zu gehen. Dafür sollten Eltern laut Ina Blanc Verständnis haben.
Verständnis fürs Kind haben
«Wichtig ist die Grundhaltung», sagt sie. «Die Kinder machen etwas Lustiges und meinen es nicht böse. Die Haltung der Eltern sollte sein: Ich verstehe, dass dir dein Spiel Spass macht, aber wir müssen jetzt gehen.»
Im Rahmen dieser Grundhaltung können Eltern ganz ruhig, aber konsequent, die 1-2-3-Methode anwenden. Im Idealfall wenden Mütter und Väter die Methode nicht als letztes Mittel, in genervtem Tonfall und mit drohendem Blick an, sondern als ein spielerisches Element, das es Kindern ermöglicht, Selbstwirksamkeit zu erfahren.
Das besonders Positive an der Zählmethode ist laut Ina Blanc nämlich, dass Kindern die Möglichkeit gelassen wird, sich die Zeit bis zum Situationswechsel selbst einzuteilen.
«Bei eins und zwei bleibt das Kind vielleicht noch sitzen und bei drei springt es schnell auf», sagt sie. «Das Kind ist der Situation nicht ausgeliefert, sondern kann selbst entscheiden, wie es die Zeit nutzt.» Auch durch kreative Zählarten, in denen Zahlen wie eindreiviertel, zweieinhalb und so weiter vorkommen, können Eltern die Situation auflockern.
Für welches Alter und in welchen Situationen eignet sich die 1-2-3-Zählmethode am besten?
Laut der Kinderpsychologin Ina Blanc wenden Eltern die Zählmethode am besten bei Kindern zwischen drei und neun Jahren an. Die Methode eigne sich am besten, um ein gewünschtes Verhalten zu erzielen. Das Kind soll zum Beispiel sein Spiel beenden, um die Schuhe anzuziehen.
Ist das Ziel jedoch, dass unangemessenes Verhalten beendet werden soll, ist laut Ina Blanc eine klare Stopp-Regel angebrachter. Wenn das Kind mit dem Kartoffelpüree um sich wirft oder das Geschwisterkind schlägt, sollten Eltern nicht bis drei zählen, sondern konsequent Stopp sagen.
Eine Konsequenz muss folgen
Aber was tun, wenn das Kind bei drei noch immer weiterspielt und partout nicht mitmachen möchte? Die Psychologin empfiehlt Eltern, die die 1-2-3-Zählmethode anwenden, sich immer vorher zu überlegen, welche Konsequenzen das Kind erwarten. Wer bis drei zählt und nie eine Konsequenz folgen lässt, macht sich unglaubwürdig.
Kinder, die das Kleinkindalter überschritten haben, können sich aktiv an einer Liste mit Konsequenzen für unangebrachtes Verhalten beteiligen. Diese Liste können Familien in einer ruhigen Situation formulieren. So wissen die Kinder immer, mit welchen Konsequenzen sie rechnen müssen, wenn sie nicht mitmachen.
Dem Kind niemals eine schöne Zeit mit den Eltern entziehen
Auf keinen Fall aber sollte man als Konsequenz oder Strafe Eltern-Kind-Qualitätszeit entziehen. «Ich würde dem Kind nie sagen, dass es keine Gutenacht-Geschichte gibt, wenn es sich unangebracht verhält», sagt Ina Blanc.
Lieber sollten Eltern, deren Kinder viel Blödsinn machen, überprüfen, ob sie genug schöne Zeit mit ihren Kindern verbringen. Denn es könne sein, dass die Eltern stark beschäftigt sind und die Kinder durch negatives Verhalten versuchen, Aufmerksamkeit zu bekommen.
Und wenn das Kind bei drei endlich mitmacht, die Schuhe anzieht oder an den Tisch kommt, sollten Mütter und Väter das Kind für das vorherige Fehlverhalten nicht an den Pranger stellen. «Loben Sie Ihr Kind lieber für das erwünschte Verhalten», empfiehlt Ina Blanc, «und ignorieren Sie das unerwünschte Verhalten. So bestärken Sie Ihr Kind darin, mitzumachen.»
Ina Blanc ist Psychologin am Zentrum für Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie der Uni Basel und ist dort Leiterin der Weiterbildungen in Kinder- und Jugendpsychologie.