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Kinder brauchen Rituale

Warum sind Rituale wichtig für Kinder? Und wie können Eltern sie im Alltag einbauen? Erfahren Sie hier, wie Rituale die Entwicklung der Kinder beeinflussen, warum sie ihnen Sicherheit für das Leben geben und wie Sie gemeinsam mit Ihren Kindern Rituale einüben können.

Rituale im Alltag wie das Vorlesen geben Kindern Sicherheit
Kleine Rituale, wie das gemeinsame Vorlesen, geben den Kindern Sicherheit. Foto: Lorado, E+, Getty Images Plus

Wer kennt das nicht: Zum tausendsten Mal will das Kind das gleiche Hörspiel oder Märchen hören, jeden Abend, Woche für Woche. Oder das Kind verlangt immer das gleiche Lied, das Sie ebenfalls schon lange nicht mehr hören können. Auch wenn Ihre Nerven arg strapaziert werden können, das ist normal und gehört zur kindlichen Entwicklung.

Kinder lieben Wiederholungen. Sie kreieren damit echte Rituale. Diese Wiederholungen haben für sie eine Funktion: Sie sind Strukturierungs- und Orientierungshilfen im Alltag. Sie zeigen Ihnen etwas von der Wertewelt des Kindes. Denn Wert erhält das, was wichtig ist, in den Alltag integriert und gelebt wird.

Rituale sind wichtig in der Betreuung von Kindern

Laut Erkenntnissen der Hirnforschung ist das Grundprinzip des Wertebewusstseins schon mit drei Jahren entwickelt. Kindern lernen zu unterscheiden, kennen «ja» und «nein». Rituale helfen ihnen, Werte im sozialen Beisammensein besser zu verstehen. Sie helfen ihnen beispielsweise, Regeln besser einzuhalten.

Rituale sind symbolische, szenisch/gestische Handlungen, die Kontakt schaffen und halten zu kosmisch-natürlichen und gesellschaftlichen Grundkräften, diese sichtbar und damit bewusstseinsfähig machen und darin auch Krisen bearbeitbar werden lassen.

Prof. Dr. Gerhard Marcel Martin, Universität Marburg

Im Alltag bewährt haben sich laut Kinder- und Spielbuchautorin Susanne Stöcklin-Meier besonders die Rituale, die im normalen Alltag ganz selbstverständlich daher kommen. Deshalb ist es wichtig und eine goldene Regel, dass sich die Eltern mit den eigenen Werten auseinandersetzen und überdenken, welche Werte und Rituale überholt sind und welche zentral sind für das friedliche Zusammenleben.

Rituale sind wertvolle Helfer im Alltag und in der Betreuung. Sie ...

  • ... erleichtern den Spracherwerb, das Lernen und die Konzentration
  • fördern die Selbständigkeit
  • setzen Regeln und Grenzen
  • schaffen Ordnung und Orientierung
  • geben Halt und Geborgenheit
  • reduzieren Ängste
  • helfen bei der Bewältigung von Krisen.

Kinder, die in einem sozialen Umfeld mit überschaubaren Grenzen aufwachsen, haben erwiesermassen weniger Angst. Sie entwickeln mehr Vertrauen in sich und die Umwelt. Durch die Auseinandersetzung mit den Ritualen wie einer Gutenachtgeschichte immer zur gleichen Zeit verflüchtigt sich die Angst vor der Dunkelheit und die kindliche Phantasie ist mit einer guten Geschichte beschäftigt.

Steht der Zahnwechsel an, wenn die Milchzähne den folgenden Platz machen, hilft die Geschichte von der Zahnfee gegen die Schmerzen. Wenn der Milchzahn unter das Kopfkissen gelegt wird, leuchtet bei der Zahnfee der Name des Kindes auf. Das Kind erhält dann ein kleines Geschenk.

Neben den kleinen Ritualen im Alltag gibt es auch die grossen: Geburtstage, Feiertagsfeste, Bräuche. Bräuche beispielweise sind keineswegs nur Relikte von gestern, die eine moderne Familie nicht mehr braucht. Sondern sie dienten von altersher dazu, dem Menschen einen Platz im Leben zu geben. Diese Kraft haben sie heute immer noch, wenn man ihnen die Wichtigkeit in eigenen Leben einräumt.

Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass es etwa 50 Wiederholungen braucht, bis eine neuronale Vernetzung im Gehirn entsteht.

Susanne Stöcklin-Meier

«Rituale machen Kinder stark», titelt denn auch ein Buch von Ingrid Biermann. Vertraute Abläufe, so die Autorin, vermitteln Verlässlichkeit und Geborgenheit im Leben und führen zu mehr Selbstvertrauen. Für Eltern und Erzieher sind Rituale deshalb wichtige Hilfestellungen bei der Kinderbetreuung im Alltag.

Denn durch diese und durch die durch Rituale vermittelten Werte und Regeln des täglichen Lebens werden Kinder verankerter, selbstbewusster und letztlich auf eine gute Art und Weise konfliktfähig – also zu sozialen Menschen.

Rituale, auf die man sich verlassen kann

Auch wenn eine Fernseh-Sendung über Kindererziehung nicht über alle Zweifel erhaben ist, von der «Super-Nanny» lässt sich dennoch einiges lernen.

1 Eine Familie brauche feste Regeln, Strukturen und Rituale. Dazu gehört ein möglichst genau festegelegter Tagesablauf.

2 Es braucht vereinbarte Sanktionen, wenn Regeln verletzt werden. Diese können Ritualcharakter haben.

3 Kinder brauchen Rituale, auf die sie sich verlassen können. Dazu gehören auch gemeinsame Mahlzeiten, die gemeinsam begonnen und beendet werden.

4 Es braucht die gemeinsam verbrachte Zeit, damit auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen werden kann.

5 Konflikte müssen ausgetragen werden, Eltern müssen die Situation kontrollieren und dabei ruhig bleiben und den Kindern die Konsequenzen ihres Tuns aufzeigen.

6 Oft geschieht in einer Familie mit verhaltensauffälligen Kindern eine Umkehrung in der Hierarchie, weil die Eltern zu nachgiebig sind. Wer als Familie auf gemeinsame Rituale gesetzt hat und Regelbrüche konsequent mit Sanktionen bestraft, bleibt vor solchen Problemen eher verschont.

Wie entstehen Rituale?

Rituale können aus dem Brauchtum übernommen werden, aus der Familientradition weitergegeben oder einfach aus Zufall entstehen. Sie sollten zu der jeweiligen Familie und der Situation passen und die Werte optimal transportieren.

Zudem sollten sie sich gut in den Alltag integrieren lassen. Wenn eine immer wiederkehrende Handlung der Familie gut tut, werden sie automatisch zum Ritual. Das müssen gar nicht immer grosse Dinge sein.

Experten raten dazu, zwei bis drei einfache Rituale in den Tag zu integrieren, dazu ein paar Wochen- und Jahresrituale. Abweichungen sollen erlaubt sein. Rituale sollten niemals so starr sein, dass sie nicht variiert und angepasst werden können. Das Miteinander darf schliesslich niemals leblos, lieblos und zwanghaft werden. Auch nicht durch das beste Ritual.

Das Guten-Morgen-Ritual:

  • Rechtzeitig aufstehen
  • Das Spiegelbild anlächeln und es loben
  • Sich an den Frühstückstisch setzen (den man abends schon gedeckt hat)
  • Es sich nicht nehmen lassen, dass es ein guter Tag wird

Körperpflege-Rituale:

Wer Körperpflege zum Ritual werden lässt, löst viele später mögliche Probleme seiner Kinder frühzeitig. Pflegehandlungen sollten deshalb auch beim Baby immer in der gleichen Reihenfolge durchgeführt werden. Dabei Singen oder eine Geschichte erzählen hilft beim Verankern. Oder den Lerneffekt mit anderen spielerischen Ritualen - wie etwa dem Zähnezeigen nach dem Zähneputzen - unterstützen.

Begrüssungs- und Verabschiedungs-Rituale:

Anstelle Sorgen und Vorwürfe loszuwerden, sollte bei dieser Gelegenheit eine positive und freundliche Handlung oder Aussage erfolgen. Ein Lächeln mit auf den Weg geben oder die Nasen aneinander reiben wie es die Eskimos tun - ein Ritual zur Begrüssung und zum Abschied fördert die Ruhe in der Familie.

Nacht-Rituale:

Auch wenn es tausendmal die gleiche Geschichte ist: Nachtrituale sind dazu da, sich von den Aufregungen und Aktivitäten zu erholen und zur Ruhe zu kommen. So können die Eindrücke des Tages verarbeitet werden. Sind die Kinder klein, sollte der Abend immer nach einem bestimmten Muster ablaufen. Das schafft Schutz und Geborgenheit.

Text: Kathrin Fischer

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