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Wer sagt, dass Kinder glücklich machen?

Sie haben ein Baby: herzlichen Glückwunsch: Sie müssen glücklich sein! Was denn, Sie fühlen sich nicht glücklich? Sie sind gestresst, gereizt, mit den Nerven am Ende? Und Sie meinen, mit Ihnen stimmt etwas nicht? «Keine Sorge, alles normal», beruhigen mutige Autorinnen in ihren aktuellen Büchern.

Kinder machen nicht immer glücklich

Kinder machen Eltern oft sehr glücklich, aber eben nicht ganz immer. Foto: iStockphoto - Thinkstock

«Ach, wie gern hätte ich ein Baby!» Die Vorfreude auf die Schwangerschaft und eine glückliche Zeit mit Kindern ist gross. Vor dem geistigen Auge entstehen Bilder: Mit einem schönen runden Bauch sexy aussehen. Ein zufriedenes Baby zärtlich im Arm halten. Gemütlich den Kinderwagen durch die Sonne schieben. Während der Babypause die Zeit zu Hause geniessen und endlich mal Zeit für eigene Projekte haben!

Kinder machen nicht immer glücklich

Schon in der Schwangerschaft sieht die Realität anders aus. Manchmal fragt sich Nathalie Sassine-Hauptmann schon, welcher Teufel den lieben Gott geritten hat, als er beschloss, das Privileg der Schwangerschaft nur den Frauen zu geben. «Das Privileg geschwollener Füsse, unschöner Schwangerschaftsstreifen, nächtlicher Heisshungerattacken, dauerhafter Blähungen und unabsichtlicher Rülpser. Irgendwie hatte er an jenem Tag wohl eine Art männlicher PMS und liess es an Eva aus», schreibt die Autorin des Buches «Rabenmütter» (Walde & Graf Verlag 2011). «An dem Tag, als er sich überlegt hat, was denn wiederum eine frisch gebackene Mutter für ein Leben haben sollte, muss er betrunken und/oder bekifft gewesen sein.»

Zeitstress mit Kindern verhindert Glück

Nur allzu oft liegt das Baby gar nicht zufrieden im Arm, im Gegenteil; es schreit aus Leibeskräften. Vor allem abends und nachts brüllt es stundenlang – und niemand weiss, warum. Kaum liegt es gewickelt und angezogen im Kinderwagen, beginnt es draussen heftig zu regnen – und kalt und windig ist es auch. Ohnehin fehlt die Zeit für einen gemütlichen Spaziergang – der Tag mit seinen 24 Stunden scheint zu kurz für Stillen, Wickeln, Milch abpumpen, Fläschchen sterilisieren, Baby herumtragen, Babykleidung waschen und sortieren, grössere Strampler besorgen, Kinderarzttermine, Krabbelgruppe, Behördengänge und Kita-Platz-Suche. Der Schlaf bleibt dabei oft auf der Strecke. Glücklich machen Kinder in dieser Phase selten.

Wie weit entfernt sie nach der Geburt ihres Sohnes vom Glück war, beschreibt Rike Drust, Autorin des Buches «Muttergefühle. Gesamtausgabe.» (C. Bertelsmann, 2011) so: «Ich war plötzlich nicht mehr selbstständig und (finanziell) unabhängig, sondern musste mein Leben einem Vier-Kilo-Pflegefall und der gut bezahlten Berufstätigkeit meines Mannes unterordnen. Ich war Hausfrau und Mutter, fand diese Berufsbezeichnung ungefähr so attraktiv wie einen Blazer mit Schulterpolstern und fühlte mich auch so: scheisse hässlich, mit nichts kompatibel, aber schwer erpicht darauf, die starke Frau zu repräsentieren.»

Partnerschaftsprobleme und Zweifel plagen

Als wäre das nicht genug, sind Partnerschaftsprobleme zu meistern. Väter sind oft eifersüchtig – neben dem Baby haben sie kaum noch Platz – weder im Alltag noch im Bett. Auch Rangeleien rund um die Aufgabenverteilung entstehen. Wer zu Hause bleibt und sich ums Baby kümmert, schmeisst doch auch den Haushalt, oder? Wer kümmert sich am Wochenende ums Baby? Eva Gerberding und Evelyn Holst, Autorinnen des Buches «Wer sagt, dass Kinder glücklich machen?» (Südwest Verlag 2012) kennen den klassischen, zischenden Satz aller überforderten Eltern: «Jetzt bist Du mal dran!» In dem Moment, in dem er ausgesprochen wird, machen Kinder garantiert nicht glücklich.

Auch Unsicherheiten plagen. Macht man auch alles richtig mit dem Kleinen? Warum schreit das Baby schon wieder? Hat es Hunger oder ist es übersättigt? Ob es Bauchschmerzen hat? Oder ist es müde? Kann es auch dann schlafen, wenn die kleine Nase zu ist? Jetzt schläft es schon seit sieben Stunden – Ist es vielleicht krank?

Kinder machen glücklich – schade, dass man es nicht merkt

Kein Wunder, dass der Babyblues viele frisch gebackene Eltern erwischt. Sicher wird das Kind geliebt. Klar ist man glücklich mit Kindern– nur, irgendwie merkt man es nicht. Sicher, je älter das Kind wird, umso mehr Freiräume lassen sich zurückerobern. Dafür entstehen neue Probleme. «Ach, was waren das noch Zeiten, in denen ein aufgeschürftes Kinderknie ein kleiner Weltuntergang war!», schwärmen Eva Gerberding und Evelyn Holst. Gleichgültig, ob es bei der Trennung im Kindergarten weint, zu viel alleine spielt, sich oft von anderen ärgern lässt und selbst gern austeilt – Eltern leiden mit. Und machen sich Sorgen bis weit hinaus über die Pubertät– über schlechte Noten, schlechte Laune, schlechte Freunde, schlechte Computerspiele.

Wer sagt, dass Kinder glücklich machen?

Kein Wunder, dass Eva Gerberding und Evelyn Holst fragen: «Wer sagt, dass Kinder glücklich machen?» Gut erinnern sie sich an die Babyzeit, als sie an den Betten standen, aus Angst, die Kinder würden aufhören zu atmen. «Später, als Teenies, ertrugen wir ihre schlechte Laune, vermüllte Kinderzimmer und das Wissen, dass sie uns auf den Mond wünschten. Wir sie übrigens auch.»

Ausgesprochen wird das selten. «Wie geht es Dir?»- «Super!» So leicht lassen sich gesellschaftliche Erwartungen an die heile Welt der Familie erfüllen. Doch es gibt auch Eltern, die mutiger sind. «Kinderkacke!» schimpfen Julia Heilmann und Thomas Lindemann (Goldmann Verlag, 5. Auflage 1011). «Das Sexleben liegt danieder, die Schwiegereltern nerven, die Freunde melden sich nicht mehr, Arbeitgeber legen Steine in den Weg, das Geld ist knapp und die staatliche Hilfe ein Witz.»

Machen Kinder nun glücklich oder unglücklich?

Gut, dass das, was auf werdende Eltern zukommt, ihr Vorstellungsvermögen weit übersteigt. Sie könnten es sich sonst anders überlegen. Und das wäre schade. Denn natürlich ist es toll, Kinder zu haben. Jedenfalls meistens. «Die meisten Eltern kennen Momente der restlosen Überforderung und Verärgerung genauso wie Momente, in denen ihnen beim Anblick ihrer Kinder das Herz stehen bleibt vor Stolz und Liebe», schreiben Eva Gerberding und Evelyn Holst. Und eines steht ohnehin ausser Frage: Wenn Kinder auch nicht immer glücklich machen, so lieben wir sie schliesslich über alles!

Weitere Informationen:

Wenn Kinder nerven – Interview mit Rochelle Allebes, Beraterin beim Elternnotruffamilienleben.ch

 

Autor: Sigrid Schulze

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