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Mama ist die Grösste: So wird für Mama-Kinder auch Papas Nähe wichtig

Kennen Sie auch ein Mama-Kind, das ständig an seiner Mutter klebt? Die Erziehungsberaterin und Sozialpädagogin Brigitte Saurenmann aus Zürich erklärt, warum manche Kinder unbedingt in Mamas Nähe bleiben wollen – und Papa gar nicht zählt. Und was man dagegen tun kann. 

Mama-Kind: Viele Kinder sind stark auf die Mama fixiert
Wieso es so viele Mama-Kinder gibt, erklärt Brigitte Saurenmann. Foto: Thinkstock, Lifesize

Gleichgültig, ob es darum geht, wer den Kinderwagen schiebt, wer füttert oder wer das Kind ins Bett bringt: «Nein, Mama!» schreit manches Kind sofort, wenn sich der Vater einbringen will.

Brigitte Saurenmann: Das Problem des Mama-Kindes kenne ich gut aus meinem Alltag in der Erziehungsberatung. Wenn der Vater beim Kind gar nicht zählt, fühlen sich Mütter überlastet und Väter aussen vor.

Wie wird ein Kind zum Mama-Kind?

Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist es auf Zuwendung angewiesen. Weil es in der Regel die Mutter ist, die zunächst hauptsächlich und regelmässig das Baby betreut, entwickelt es vor allem zu ihr Vertrauen. Es weiss: «Dieser Mensch ist für mich da!» So entsteht in den ersten sechs Lebensmonaten ein inneres Band zwischen Mutter und Kind, eine enge Bindung, die das Kind notwendig braucht, um sich geborgen zu fühlen.

Das heisst, jedes Kind ist zunächst einmal ein Mama-Kind?

Ja, in der Regel ist das so. Doch so soll es ja nicht bleiben. Mit dem Älterwerden, etwa ab dem vierten bis fünften Monat, ist es die Aufgabe der Mutter, dem Kind zu vermitteln, dass noch mehr Personen da sind, zu denen es Vertrauen fassen kann: der Vater, Geschwister und Grosseltern zum Beispiel.

Wenn das Kind spürt, dass die Mutter zwar anwesend, aber nicht präsent ist, fühlt es sich unsicher. Nun will und braucht es erst recht die Nähe der Mutter erst recht.

Dennoch bleiben viele Kinder noch lange Mama-Kind.

Ja, viele Kinder beharren noch lange darauf, dass die Mutter sie betreut – und niemand anders. Die Gründe für dieses Verhalten sind wie immer unterschiedlich. So kann die Mutter zum Beispiel sich von den weiteren, oft anstrengenden Entwicklungsphasen des Kindes überfordert fühlen, so dass sie innerlich auf Distanz zum Kind geht. Wenn das Kind spürt, dass die Mutter zwar anwesend, aber nicht präsent ist, fühlt es sich unsicher. Nun will und braucht es erst recht die Nähe der Mutter, die ihr vermittelt: Alles in Ordnung! Auch ein Umzug oder die Geburt eines weiteren Geschwister-Kindes kann ein Kind so stark verunsichern, dass es sich an die Mutter klammert. Damit will es wieder das Gefühl emotionaler Sicherheit erlangen: «Ja, Mama hat mich lieb!»

Welche weiteren Ursachen gibt es dafür, dass ein Kind an seiner Mutter klebt?

In anderen Fällen fühlen sich Mütter so stark überfordert von den Herausforderungen des Alltags mit Kind, dass sie dem Kind die Führung überlassen. Sie tun, was das Kind will und lassen sich auf diese Weise vereinnahmen. Andere Mütter mögen es, dass ihre Tochter oder ihr Sohn ein Mama-Kind ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn es in der Partnerschaft kriselt. Mutter und Kind bilden dann eine Einheit, damit nimmt die Mutter dem Kind den Vater weg. Auch Mütter mit wenig Selbstwertgefühl geniessen das Zusammensein mit ihrem Mama-Kind, das sie durch ihre Anhänglichkeit aufwertet.

Die Mutter kann die Welt des Kindes aktiv erweitern. Der vater muss sich die Zeit für das Kind dann aber auch nehmen. 

Wird ein Kind zum Mama-Kind, wenn der Vater sich zu wenig kümmert?

Auch das kommt vor. Viele Väter sind sich ihrer Bedeutung für den Säugling nicht bewusst. Sie haben das Gefühl, Babypflege sei Frauensache und bemühen sich deshalb wenig um das Kind. Andere sind vielbeschäftigt und kommen erst nach Hause, wenn das Kind schläft. Manche Väter gehen auf Distanz, weil sie sich überflüssig fühlen oder eifersüchtig sind. Dann kann sich keine tiefe Bindung zwischen Vater und Kind entwickeln. Auch Väter müssen in die neue Aufgabe hineinwachsen.

Was hilft? Wie werden Väter zur ersten Wahl?

Sinnvoll ist es, zunächst die Ursachen zu ergründen. Dabei kann ein Gespräch mit einem (einer) Erziehungsberater(in) weiter helfen. Erst wenn die Eltern eine Vorstellung davon haben, warum ihr Kind ein ausgesprochenes Mama-Kind ist, können sie entsprechend handeln. Zum einen können sie konkret ihrem Kind mehr Sicherheit vermitteln, indem sie die positiven Seiten des Kindes betonen. Zum anderen kann die Mutter aktiv die Welt des Kindes erweitern, indem sie sagt: «Geh zu Papa. Der kann das genauso gut wie ich!» Klar, dass sich die Eltern in dem Moment einig sein müssen, also der Vater sich die Zeit für das Kind auch nimmt. Dieses gemeinsame Vorgehen festigt die Partnerschaft. Auch ein Vater-Kind-Tag kann die Beziehung zwischen den beiden festigen.

Zur Person

Die Erziehungsberaterin, Sozialpädagogin und PEKiP-Gruppenleiterin Brigitte Saurenmann aus Zürich bietet Vorträge zu verschiedenen Erziehungsthemen an. Darüber hinaus ist sie als Fachberaterin für Spielgruppen und Kitas tätig. Mit grosser Freude beschäftigt sie sich mit ihrem 2006 geborenen Enkelkind. erziehungsberatung-zh.ch

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