Sexuelle Entwicklung bei Kindern: Was Eltern wissen müssen
Schon kleine Kinder entdecken ihren Körper und ihre Sexualität. Das ist normal, wichtig und gesund. Was Eltern über die kindliche Sexualität wissen müssen, wie sie die Entwicklung von Kindern liebevoll begleiten und dem Kind vermitteln: «Dein Körper gehört dir!»
Kinder sind neugierig – nicht nur auf die Welt, in die sie hineinwachsen, sondern auch auf ihren eigenen Körper. Ihn mit allen Sinnen nach und nach zu erforschen gehört zur normalen und wichtigen Entwicklung bei Kindern. Erfahren Sie, was Sie über die kindliche Sexualität wissen müssen.
Schon Babys sind sexuelle Wesen
Kinder gelten von Geburt an als sexuelle Wesen. Denn heute, so die Stiftung Kinderschutz Schweiz, wird Sexualität als Lebensenergie verstanden, die unabhängig vom Alter in jeder Phase der Entwicklung wirkt. Sie macht es möglich, Zärtlichkeit, Wärme, Geborgenheit, Ekstase, Leidenschaft und sexuelle Lust zu erleben. Dies nicht nur bei Erwachsenen. Die kindliche Sexualität beginnt früh: Schon bei neugeborenen Jungen kann es zu Erektionen kommen, bei Mädchen im Babyalter zum Anschwellen der Klitoris.
Kinder dürfen das
Am eigenen Penis spielen, den Genitalbereich berühren – das gehört zur sexuellen Entwicklung bei Kindern. Kinder entdecken schon früh ihre Lust – und dies ganz selbstverständlich. «Hindern Sie Ihr Kind nicht daran, diese Erfahrungen zu machen. Lassen Sie sie zu, auch wenn Sie sein Verhalten anfänglich vielleicht verunsichert oder gar ängstigt, beispielsweise weil es Sie an eigene, unangenehme oder peinliche Erlebnisse mit Ihren Eltern erinnert, oder weil Ihre eigene Haltung gegenüber Selbstbefriedigung ambivalent ist», heisst es in der Broschüre «Sexualerziehung bei Kleinkindern und Prävention von sexueller Gewalt» der Stiftung Kinderschutz Schweiz. Wichtig ist, dass das Kind selbst bestimmen kann, was mit seinem Körper geschieht.
Mein Körper gehört mir!
Ein Kind, das über seinen Körper selbst bestimmen darf, lernt von Anfang an: «Mein Körper gehört mir!» Genau diese Gewissheit wird im Laufe der Entwicklung bei Kindern der beste Schutz vor sexuellen Übergriffen. Eltern vermitteln diese Botschaft, indem sie möglichst den Körper des Kindes respektieren. Jungen und Mädchen zeigen in der Regel durch Gestik und Mimik, wenn ihnen Berührungen unangenehm sind. Sie drehen sich weg, krabbeln oder laufen weg oder weinen. Eltern, die darauf nicht eingehen, begehen Grenzverletzungen. Kindern lernen dann nicht, dass ihr Körper ihnen gehört. Stattdessen erfahren sie, dass sie Übergriffe erdulden müssen. Sicher, Eltern müssen ihre Babys und Kinder waschen, pflegen und anziehen – auch dann, wenn sie das nicht möchten. Dennoch gibt es viele Tipps und Tricks, dem Kind zu signalisieren: «Ich respektiere dich und deinen Körper.» Eltern können schon Babys achtsam pflegen und anziehen.
Klare Antworten auf Kinderfragen
Fragen aufzugreifen und klar zu beantworten ist ein wichtiger Teil der Sexualerziehung. Kinder sind neugierig. Sie stellen Fragen, wenn sie etwas wissen wollen. «Wie lang wird ein Penis?» «Wie fühlt sich Sex an?» «Was bedeutet geil?» Kinder sind unbefangen. Schön, wenn Eltern genauso unbefangen antworten können. Fragen zur Sexualiät von Jungen und Mädchen aufzugreifen und klar zu beantworten, ist ein wichtiger Teil der Sexualerziehung. Unsicherheit, wie ausführlich eine Frage behandelt werden sollte, ist unnötig. Denn Kinder signalisieren in der Regel, wenn sie genug von den Eltern gehört haben. Sie hören dann nicht mehr zu oder wechseln das Thema.
Kindergartenkinder brauchen eine andere Ansprache als Grundschüler. Katharina von der Gathen, Autorin des Buches «Klär mich auf»: «Bei ihnen geht es zum Beispiel weniger um die detaillierte Darstellung des Geschlechtsaktes, als um die Bestätigung: Ich bin aus Liebe entstanden.» Grundschüler hingegen wünschen konkretere Informationen. Sie wollen wissen, wie und wann sich ihr Körper verändert. Oder ob Geschichten, die sie von Mitschülern aufgeschnappt haben, plausibel sind.
Mit Aufklärungsbüchern ins Gespräch
Bücher zur sexuellen Entwicklung von Jungen und Mädchen helfen, ins Gespräch zu kommen. Schon für Kleinkinder gibt es eine grosse Auswahl an Büchern, die sich mit dem eigenen Körper beschäftigen. Weiter geht es für das Kindergartenalter mit dem Thema «Wo kommen die Babys her?». Konkreter werden dann Aufklärungsbücher zur Sexualität für Grundschüler und Jugendliche.
Doktorspiele
Spielen heisst Lernen. Kinder setzen sich daher gern spielerisch mit den Themen auseinander, die sie beschäftigen. Dazu gehören Doktorspiele. Der Spielzeug-Arztkoffer ist daher ein sinnvolles Geschenk für Jungen und Mädchen, den viele Kinder gerne und ausgiebig nutzen. Ein paar Regeln sind bei Doktorspielen wichtig. Katharina von der Gathen formuliert sie so: «Kein Kind darf einem anderen weh tun; kein Kind darf etwas in eine Körperöffnung wie Nase, Mund, Ohr, Po, Scheide oder Penis stecken; jedes Kind darf jederzeit das Spiel verlassen, wenn es nicht mehr möchte.» Bei Doktorspielen solle auch das Altersgefälle nicht zu gross sein.
Wenn Sexualität peinlich wird
In der Pubertät fällt Sexualerziehung oft schwerer. Denn dann wird es Jugendlichen peinlich, mit den Eltern über Sexualität zu reden. Fragen, die Sexualität betreffen, besprechen sie in der Regel lieber mit Gleichaltrigen. Doch auch in dieser Phase können Eltern viel dafür tun, dass ihr Kind zuverlässige Informationen erhält. Fällt das Reden schwer, können sie Bücher und Broschüren anschaffen und so auslegen, dass das Kind sie unauffällig nehmen und lesen kann. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, ihrem Kind gute Internet-Adressen zu empfehlen, wie zum Beispiel den Verein Lilli, der sich auch mit der sexuellen Entwicklung von Kindern beschäftigt.
Kinder lernen am Vorbild
Die Familie prägt die Einstellung des Kindes zur Sexualität – weniger mit Worten und Erklärungen als durch das alltägliche Leben. Kinder übernehmen die Werte und Einstellungen von Erwachsenen zur Sexualität, weil sie ihnen vorgelebt werden. Umso wichtiger ist es, die eigenen Einstellungen zu Sexualität zu hinterfragen. Eltern, die offen mit Nacktheit umgehen, Körperteile benennen, bei der Sauberkeitserziehung keinen Druck machen, schaffen eine Atmosphäre, in der das Kind sich frei sexuell entwickeln kann.