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Wie viel Spielzeug braucht ein Kind?

Fragt man Kinder, können Sie nie genug Spielzeug zuhause haben. Pädagogen empfehlen Qualität statt Masse. Wie Sie gute Spielsachen erkennen, was in welchem Alter interessant ist und was schnell langweilig wird.

Kinder können nie genug neue Spielsachen haben. Aber ist das auch sinnvoll?

Bis vor kurzer Zeit war Star Wars für Kinder wenig interessant. Geschicktes Merchandising hat das verändert. Bild: Daniel Cheung - Unsplash

Ein Kinderkoffer mit dem Horn eines Einhorns, Elektro-SUVs für Dreijährige, glubschäugige Katzen, die sprechen und laufen, eine Regenbogen-Licht-Meerjungfrau-Barbie, eine Kinderkamera mit Spiel-Apps und Musikabspielfunktion, Drohnen für Kinder, eine Autorennbahn im Tunnel, eine Halfpipe für Finger-Skatebords, Roboter, die Kinder selbst programmieren können, ein eigene Badekugel-Fabrik: Die Spielzeugbranche lässt sich immer wieder Neues einfallen. Doch wie viel Spielzeug brauchen Kinder überhaupt und müssen, die immer so viel können?

Fragt man Kinder, kann es meist nie genug  Spielzeug sein. Sie sind eben von Natur aus neugierig und finden alle neuen Reize erstmal spannend. Je glänzender und schriller, desto besser.

Auch Fachleute sind sich in ihrem Urteil einig: Kinder brauchen weit weniger Spielsachen als sie bereits haben. «In einigen Kulturen gibt es für Kinder gar kein spezielles Spielzeug», erklärt Prof. Dr. Gudrun Schwarzer, Leiterin der Abteilung Entwicklungspsychologie an der Universität Giessen. Dennoch würden sich die Kinder dort genauso gut entwickeln wie Jungen und Mädchen in westlichen Kulturen, die viele Spielsachen besitzen.

Kein Spielzeug, aber «Zeug zum Spielen»

Kinder müssen spielen, denn beim Spielen machen sie sich die Welt der Grossen vertraut. Spezielle Spielsachen brauchen sie dafür kaum. Was sie stattdessen brauchen ist «Zeug zum Spielen», sagt Ingeborg Becker-Textor, Mit-Entwicklerin des Konzeptes des «Spielzeugfreien Kindergartens». Mit «Zeug zum Spielen» meint sie alle Gegenstände, die der Fantasie Spielraum bieten.

In diesem Sinne können viele Dinge tolle Spielsachen sein. Kieferzapfen zum Beispiel lassen sich nicht nur weit werfen, mit ihnen lassen sich auch kleine Jonglier-Kunststücke einüben. Auf Kieferzapfen können Kinder herrlich mit den Füssen balancieren – jedenfalls dann, wenn man ein bisschen geübt hat. Bei einem «Räuber-und- Gendarm»-Spiel stellen sie scharfe Messer dar, geeignet, Gefangene zu befreien.

Fantasieanregende Spielsachen lassen sich nicht nur draussen finden. In Schubladen, Kellern und Schränken gibt es sie in Hülle und Fülle: Deckel und Dosen, Kartons, Kisten und Knöpfe, Tücher und Stoffreste, Zeitungen und Zeitschriften, ein altes Radio oder eine Schreibmaschine. «Der menschliche Geist sucht Anregungen», sagt Prof. Dr. Schwarzer. Vor allem Kleinkinder und Kindergartenkinder fänden fast alles interessant, was ihnen im Alltag begegnet und was sie anfassen können.

Diese Spielsachen brauchen Kinder

Deshalb müssen Eltern natürlich nicht gleich alle gekauften Spielzeuge aussortieren oder Weihnachtswünsch unerfüllt lassen, aber es lohnt sich gezielter auszuwählen und Wunschzettel zu verknappen. Die besten Spielsachen begleiten Kinder viele Jahre auch über Generationen hinweg: Mit Puppen und Puzzle, Teddy und Trommel, Autos und Holzeisenbahn, Bälle und Bauklötze, Arztkoffer und Bilderbücher haben auch schon die Eltern gerne gespielt. Auch viele Gesellschaftsspiele wie Halma, Mühle oder das Angel-Spiel sind interessant wie eh und je.

So erkennen Sie gute Spielsachen

Achten Sie darauf, dass das Spielzeug…

1 ...vielfältige Spielmöglichkeiten bietet. Ein Nachziehwagen für ein Kleinkind kann zum Beispiel als Puppenwagen, Einkaufswagen, Auto, Schubkarre und vieles mehr dienen.

2 ...aktuelle Interessen des Kindes berücksichtigt. Ist das zweijährige Kind gerade gerne mit Ihnen in der Küche, aber noch zu klein, um bei allem mitzuhelfen, kann eine Spielküche eine tolle Geschenk-Idee sein. Ein Kind das gerne baut, hat Freude an Konstruktionsspielen. Wer gerne malt, freut sich auch über eine einfache Wasserfarbenpallete.

3 ...dem Alter bzw. der Entwicklung des Kindes entspricht. Spielsachen sollten weder über- noch unterfodern. Tipp: Die Altersangaben auf Spielsachen sind oft zu niedrig angesetzt.

4 ...möglichst schadstofffrei und sicher ist. Oft ist auch sinnvoll, auf Flohmärkten und in Spielzeugbörsen nach Spielsachen zu stöbern. Bei älteren Produkten sind viele Stoffe bereits verdampft. Die Sicherheit von Spielzeugen können Sie beispielsweise auf der Webseite des Konsumentenschutzes prüfen.

Diese Spielsachen brauchen Kinder nicht unbedingt

Spielzeug, das die Art und Weise wie und was gespielt werden kann allzu genau vorgibt und sich auch nicht zweckentfremdenv lässt, wie beispielsweise automatisierte Spielsachen, kann Kinder in ihrer Kreativität dagegen leicht einschränken. Puppen, die sprechen, oder Autos, die selbst brummen und bremsen, faszinieren am Anfang landen aber in der Regel schneller in der Ecke. Ebenso wenig brauchen Kinder für Spielfreude nicht immer den letzten Schrei auf dem Markt. «Kinder brauchen nicht, was neu im Spielzeugladen ist», sagt Ingeborg Palm-Walter, Vorstandsmitglied des ‚spiel gut’-Arbeitsauschusses, der wertvolle Spielzeuge auszeichnet. Und schliesslich seien auch die klassischen Spielzeuge für die Kinder neu, wenn sie diese zum ersten Mal bekommen und entdecken.

Ausnahmen bestätigen die Regel. Denn natürlich muss nicht jedes Spielzeug im Kinderzimmer pädagogisch wertvoll sein. Mancher echter Herzenswunsch muss auch dann mal erfüllt werden, wenn das Spielzeug nicht dem entspricht, was man sich unter guten Spielsachen vorstellt. Grundsätzlich lohnt es sich aber auf Qualität statt Masse zu setzen.

Denn Kinder profitieren von einem übersichtlich eingerichteten Kinderzimmer, das viel Platz zum Ausbreiten bietet. Sie bleiben auch länger bei einer Sache, weil sie weniger Ablenkung haben. Darüber hinaus lässt sich durch den Verzicht auf viele Spielsachen Geld einsparen, das sich dann für Qualität ausgeben lässt. Denn gutes Spielzeug, das lange hält und auch schadstofffrei und sicher ist, hat seinen Preis.

Spielsachen – passend zum Alter

Welches Spielzeug ist sinnvoll und passt zu welchem Alter? Für alle, die Kinder beschenken wollen, hat der Verein Mehrzeit für Kinder folgende Orientierungshilfen entworfen:

1 bis 3 Jahre

Laufen und sprechen lernen, andere Menschen und Tiere nachahmen – das wollen Kleinkinder. Toll sind für sie deshalb Tiere und Wagen zum Schieben und Nachziehen, Bilderbücher, Kassetten und CDs mit Kinderliedern, Puppen, Stofftiere, Spielzeugautos, grossteilige Puzzles, Bauklötze und – na klar – das Schaukelpferd.

3 bis 6 Jahre

Immer in Bewegung: Kindergartenkinder können mit Bällen, Dreirad, Roller, Laufrad, Go-Kart oder Hüpfseilen Gas geben. Zum Kombinieren, Malen, Basteln und Bauen eignen sich Steckspiele, Knete, Mal- und Bastelsachen, Puzzles (bis 50 Teile) und einfach zu bedienende Musik-Spielzeuge. Bilderbücher, Spielfiguren, Puppen, Miniküche und Arztkoffer helfen, die Welt kennenzulernen und nachzuspielen. Jetzt lassen sich auch erste Gesellschaftsspiele einführen.

6 bis 11 Jahre

Lieblingssportarten kristallisieren sich heraus. Deshalb können Geschenke wie Fahrrad, Inline-Skates, Fussball-Tor und Hockey-Schläger je nach Interesse ziemlich cool sein. Mit Gesellschaftsspielen üben viele Kinder gerne, Regeln zu verstehen und anzuwenden. Kinderwerkzeug, Handarbeiten-Zubehör, Musikinstrumente, Experimentier- und Konstruktionsbaukästen: Spiele zum Malen, Basteln und Bauen werden anspruchsvoller. Mit Sach- und Unterhaltungsbüchern, Spielfiguren, Kostümen und guten Computerspielen lassen sich fremde und künstliche Welten erkunden – eben Abenteuer erleben.

11 bis 14 Jahre

Was die so machen, die (angehenden) Teenager? Klar: Musik hören, Musik selber machen, alles über (Pop)Stars lesen – und träumen, sie wäre selber einer. Daher können Geschenke sinnvoll sein, mit denen Kinder kreativ Musik machen kann: Instrumente, virtuelle Synthesizer, Sampler & Co. Experimentieren, Thesen entwickeln und überprüfen: Das geht mit Wissens- und Strategiespielen und sinnvollen, altersgerechten Computerspielen. In einer Zeit, in der die Peergroup besonders wichtig ist, machen auch Kommunikationsspiele Spass, bei denen man sich und die Mitspieler einzuschätzen muss.

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