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Teilen: So lernen Kinder, Süsses und Spielzeug abzugeben

Schon wieder Zoff im Kinderzimmer! Warum können die Kinder nicht teilen?, fragen sich Eltern, wenn ständig Streit um Süssigkeiten und Spielzeug ausbricht. Doch mit ein wenig Fingerspitzengefühl lassen sich Kinder gut ans Teilen heranführen.

Wie Kinder lernen zu teilen
Süssigkeiten und Spielsachen mit anderen Kindern zu teilen, kann viel Freude bereiten. Aber wie lernen Kinder eigentlich zu teilen? Foto: sanjeri, E+, Getty Images Plus

Eben noch sassen die Geschwister und eine Freundin friedlich im Kinderzimmer und haben gemalt. Jetzt aber ist die Ruhe dahin und ein lauter Streit in vollem Gange. Brian will seine Filzstifte nicht teilen. «Das sind meine!» erklärt er voller Überzeugung, damit ein gutes Argument zu haben, keinen einzigen Filzstift abgeben zu müssen.

Warum Kleinkinder nicht teilen wollen

«Warum nur fällt es Kindern so schwer zu teilen?» fragen sich Eltern in solchen Situationen entnervt. «Wird mein Kind etwa ein egoistischer Mensch, stets nur auf eigene Vorteile bedacht?» Solche Sorgen sind in der Regel unbegründet. Denn meistens sind die Kinder einfach noch zu jung, um sich von dem trennen zu können, was sie selbst so gern haben wollen.

Babys und Kleinkinder sind neugierig auf die für sie so erstaunliche Welt, die sie umgibt. Sie wollen diese Welt mit allen Sinnen erforschen und ergründen. So greifen sie nach allem, was ihnen begegnet, um letztendlich zu begreifen, womit sie es zu tun haben. Konzentriert und voller Aufmerksamkeit tasten und lutschen sie an den Gegenständen. Dass sie das, was sie sich da erarbeiten, nicht abgeben wollen, ist verständlich. Will ein anderes Kind auch mal die Rassel oder den Schlüssel haben, rollen schnell die Tränen.

Selbst von Drei- bis Vierjährigen lässt sich in der Regel kaum Interesse am Teilen erwarten. «Im Alter von eineinhalb und zwei Jahren erkennen Kinder, dass sie selbstständige Wesen sind. Sie entdecken sich selbst – und damit sowohl ihren eigenen Willen als auch seine Wirkung auf andere», erklärt Erziehungsberaterin, Sozialpädagogin und PEKiP-Gruppenleiterin Brigitte Saurenmann aus Zürich diesen wichtigen Entwicklungsschritt. Wer gerade erst sein «Ich» entdeckt hat, für den ist das «Du» erst mal kein Thema - und damit auch das Teilen nicht.

Teilen gelingt frühestens mit drei Jahren

«Eigene Wünsche zurückzustellen, gelingt frühestens im Alter von drei bis vier Jahren - und dann noch längst nicht immer», erklärt Dr. Armin Krenz, Mitinhaber des ‚Instituts für angewandte Psychologie und Pädagogik’ in Kiel. Fünf- bis Sechsjährige schaffen es zwar schon oft zu teilen, aber nur unter der Voraussetzung, dass ihnen die Dinge, die sie abgeben, nicht allzu wichtig sind. Das ergab eine Untersuchung der Universität Zürich. Die Wissenschaftler hatten mehr als 200 Kinder im Alter von drei bis acht Jahren aufgefordert, Süssigkeiten mit anderen Kindern zu teilen. Nur die Hälfte der Sieben- bis Achtjährigen berücksichtigten die Bedürfnisse anderer Kinder genauso wie die eigenen Wünsche, berichteten die Forscher im britischen Fachjournal «Nature» (Bd. 454, S. 1079).

So lernen Kinder teilen

Trotzdem müssen Kinder nicht Hauen und Heulen, wenn es um ums Teilen geht. Verhandeln und sich wieder Vertragen – das können sie schon im Kindergartenalter lernen. «Eltern sollten das Prinzip des ‚Teilens und Abwechselns‘ einführen. Das Ergebnis ist der klassische Kompromiss: Jeder bekommt etwas, jeder verzichtet auf etwas», rät die Heidelberger Diplom-Psychologin und Mediatorin Dr. Claudia Wölfer.

Natürlich soll es beim Teilen gerecht zugehen. Gerechtigkeit bedeutet aber nicht unbedingt, dass jedes Kind immer gleich viel bekommen muss. «Eltern sollten versuchen herauszufinden, worum es jedem Kind genau geht», so Dr. Claudia Wölfer. Warum will Brian seine Filzstifte nicht abgeben? «Weil ich die Stifte so schön nach Farbe sortiert habe!» ist die Antwort. «Die anderen machen alles durcheinander!» Und die anderen, was möchten die? Die Schwester will nur malen, sie gibt sich auch mit Buntstiften zufrieden. Die Freundin aber will auch mal Brians Filzstifte nutzen. „Also Brian, dir geht es darum, dass die Filzstifte in der Packung sortiert bleiben. Und du, Lisa, möchtest die Filzstifte nutzen. Was könnt ihr jetzt machen, damit ihr beide zufrieden seid?» Die Lösung lässt nicht lang auf sich warten: Lisa verspricht, die Buntstifte genau dort wieder in die Packung zu stecken, wo Brian sie haben will.

Teilen macht Freude

Gut, wenn Kinder so wie in diesem Beispiel selbst eine Lösung finden. Freiwilligkeit ist wichtig beim Teilen. Wer gezwungen wird, etwas abzugeben, wird beim nächsten Mal noch vehementer sein Hab und Gut verteidigen. Der Teddy in fremden Händen? Er könnte sich fürchten! Die Lieblings-Schaufel von anderen fortgeschleppt? Sie könnte für immer weg sein! «Auch Kinder haben das Recht, mal ‚Nein‘ zu sagen, wenn sie an bestimmten Dingen hängen», sagt. Dr. Armin Krenz. Schliesslich wollen auch Erwachsene ihre Sachen nicht mit jedem Nachbarn teilen. Nur wer aus freien Stücken handelt, kann bemerken: «Teilen macht Spass, wenn andere sich über das freuen, was ich ihnen gebe.»

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