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Ein Kinderbuch auch für Erwachsene

Kinderbücher sind nicht nur etwas für die Kleinen, findet die Zürcher Autorin Claudia Engeler. Ihre Kindergeschichten und Jugendromane richten sich auch an Eltern. Mit familienleben sprach sie über ihre Schriftstellerkarriere und ihr neues Buch.

Kinderbuchautorin Claudia Engeler mit ihrem Buch Albert der Storch
Kinderbücher können auch für Erwachsene spannend sein. Foto: Wavebreak Media, Thinkstock

Sie sind Lehrerin, Mutter von vier Kindern, Schriftstellerin und Fitnesstrainerin. In welcher Rolle treten Sie denn heute auf?

Heute ist mein freier Tag und ich werde schreiben. Ich habe gestern Abend die letzte Fitnesslektion gegeben, die nächste ist erst morgen. Aber ich treibe jeden Tag eine Stunde Sport. Ein bisschen bin ich heute auch Lehrerin, ich muss noch etwas vorbereiten. Gegen späten Nachmittag bin ich natürlich wieder Mutter.

Wie sind Sie auf das Schreiben gekommen?

Ich habe wahrscheinlich schon damit begonnen, bevor ich schreiben konnte. In meinem Kopf. Für mich war das Geschichtenerfinden eine Art Flucht. Ich dachte mir schöne Welten aus, in denen ich Prinzessin oder Königin war. Da konnte ich schalten und walten wie ich wollte. Als ich dann schreiben konnte, hielt ich die Geschichten auf Papier fest. Damals war Schreiben in meiner Familie verpönt. Wir mussten etwas «Anständiges» werden. Deswegen ging ich einen anderen Weg. Immer wieder wollte ich aber schreiben.

Wann haben Sie Zeit für Ihre Kinder- und Jugendbücher gefunden?

Vor etwa sechs Jahren lebte ich mit meinen Kindern in Venedig und in Rom, weil ich sie zweisprachig erziehe und selbst in Italien aufgewachsen bin. Das waren drei Monate, in denen ich sehr wenig tat. Ich arbeitete weder als Lehrerin noch als Fitnesstrainerin. Da durfte ich nur Mutter sein. Daneben hatte ich viel Zeit, und die füllte ich mit Schreiben aus. Wenn meine Kinder von der Schule kamen, fragten sie: «Mama, hast du schon weiter geschrieben? Du musst versprechen, dass du morgen wieder schreibst.» Sie waren sozusagen meine Coachs.

Liefern Ihre Kinder auch die Ideen für Ihre Bücher?

Nein. Sie erinnern mich allerdings an meine Kindheit und das, was mich beschäftigt hat. Vielmehr interessieren mich Orte. «Albert der Storch» ist in Marokko entstanden, in Marrakesch. Wir sind mit der Familie dahin verreist und besuchten einen Königspalast. Es war voll von Störchen. Ich sagte zu meiner Familie: «Geht ihr weiter, ich muss hier bleiben. Irgendwie ist hier eine Geschichte.» Ich schaute den Störchen zu und wusste noch nicht, was ich schreiben würde. Bloss dass es von einem Storch handeln würde. Das passiert mir oft. Bei «Der Friedenskuss» sind mir in Gotha in Deutschland auf dem Friedhof zwei Eichhörnchen begegnet. Und an der Nordsee lief mir ein neugieriges Schaf hinterher. Daraus entstand die Geschichte «Hauke das Schaf».

Kinderbuchautorin Claudia Engeler mit ihrer Handpuppe  Albert der Storch

Auf Claudia Engelers Lesungen kommt eine Handpuppe mit.

In «Albert der Storch» geht es um einen Storch, der nicht weiss, woher er die Neugeborenen bekommen soll. Geben Sie darin eine Antwort auf die Frage «Woher komme ich?»

Es ist kein Aufklärungsbuch. Es geht weniger um «woher komme ich», als um «wohin gehe ich». Denn Albert fragt: Was werde ich, wenn ich gross bin? In der Geschichte steckt eine Kritik. Erwachsene weichen solchen Fragen von Kindern oft aus, weil sie keine Antwort wissen. Statt zu sagen: «Dein Leben wird dich führen», sagt ein Erwachsener: «Ach, du wirst Arzt wie dein Vater oder Anwältin wie deine Mutter.» Ein Kind nimmt das bis zu einem gewissen Grad als bare Münze. So kann es sein, dass man über Jahre hin an etwas festhält, was einem gesagt wurde. Bis man irgendwann merkt: Da hat man mir Märchen erzählt.

Was fasziniert Sie an Kinderbüchern?

Zum einen finde ich, dass meine Bücher nicht nur für Kinder und Jugendliche sind. Sie sind ja von einer bald 50-jährigen Frau. Die Fragen in den Büchern sind Fragen, die mich selbst auch noch beschäftigen, Entwicklungsfragen. Wo geht das Leben hin? Klar, in den Büchern kommen ein Storch, ein Schaf oder Eichhörnchen vor, aber das sind Symbole. Zum anderen finde ich, dass die Kindheit ein ganz wichtiger Abschnitt ist, weil dort sehr viel für das Leben festgelegt wird. Ich weiss, dass mir Bücher auf meinem Lebensweg geholfen haben. Pippi Langstrumpf hat mich geprägt, weil ich gelernt habe, dass man neue Wege suchen muss. Man geht nicht durch die Tür, sondern durch das Fenster.

Ist das Schreiben für Sie eine Hilfe, um sich im Leben zurecht zu finden?

Wahrscheinlich schon. Schreiben bedeutet ein Stück weit Fertigwerden mit dem Alltag.

Ihre Geschichten spielen an verschiedenen Orten, in Marrakesch, in Gotha, in italienischen Städten. Kommt bald ein Buch, das in der Schweiz spielt?

Ja, ich habe ein Kinderbuch geschrieben, das noch überarbeitet werden muss. Es spielt in Zürich und handelt von zwei Jugendlichen, die wie die Schutzpatronen Felix und Regula heissen und von Zürichs Brunnen. Es ist ein Buch für Schulkinder. In der Schule wird in der 5. oder 6. Klasse die Stadt Zürich durchgenommen. Es fehlt bislang eine Geschichte dazu, die Kinder lesen und mit einem Suchspiel in der Stadt verbinden könnten. Ich hoffe, dass ich im Sommer soweit bin.

Interview und Fotos: Angela Meissner

Claudia Engeler wurde 1962 geboren. Sie wuchs in Italien auf und lebt heute mit ihrem Mann und vier Kindern in Zürich. 2009 erhielt sie das Kurt-Lasswitz Stipendium der deutschen Stadt Gotha und arbeitete dort als Stadtschreiberin. Drei Bücher sind in dieser Zeit entstanden.

Mehr über die Bücher der Schriftstellerin erfahren Sie auf ihrer Webseite www.claudia-engeler.ch. Ausserdem können Sie Kontakt mit Claudia Engeler aufnehmen, wenn sie die Schriftstellerin für eine Kinderlesung buchen wollen. Die Autorin bringt ihre Bücher sowie Handpuppen, Klanghölzer und Ideen für Tänze und Geschichten mit. Im Herbst und Winter 2010/2011 stellt sie ihr neues Buch «Hauke das Schaf» Mittwoch Nachmittag in verschiedenen Zürcher Pestalozzi Bibliotheken vor.

 

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