Stöpselst du noch oder rubylievst du schon?
Jesus hatte seine Jünger, Justin Bieber hat Beliebers – und ein weibliches Hygiene-Utensil hat neuerdings Rubyliebers. Der neuste Trend bei den Frauen heisst Menstasse und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Zeit, nach dem Kelch zu greifen und ihn auszutesten.
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Neulich in der Mittagstisch-Runde kam in einer Mädels-Gruppe das Gespräch auf die Mens-Tasse. Eine der jüngeren Kolleginnen erzählte, dass viele ihrer Freundinnen vom Tampon auf diesen Silikon-Kelch gewechselt hätten. Das sei viel ökologischer, monierte meine Arbeitskollegin, und ihre Freundinnen seien ganz begeistert, wie viel angenehmer er das Leben mache. Kein ständiges Tampon-Wechseln während des Tages – ein Mal morgens und ein Mal abends leeren reiche aus. Keine Angst mehr, dass der Tampon schon vollgesogen sein könnte, ohne dass die Trägerin es merkt. Doch keine von uns vier Frauen hatte die Tasse bislang ausprobiert.
Die Mens-Tasse soll vor allem eins: «verhebä»
Auch ich gehörte damals noch zu den Unwissenden. Doch das sollte sich bald ändern. Denn seit meine Tochter auf der Welt ist, hält sich meine Regel an keine Regeln mehr: Sie kommt wann sie will, tut so, als würde sie nach zwei-drei Tagen schon wieder gehen, um dann hinten raus nochmals richtig Gas zu geben. Oder sie besucht mich ne gefühlte Ewigkeit nicht.
Mal musste ich deswegen notfallmässig aus dem Büro rennen, um Tampons zu kaufen, dann wieder hat einer diesen starken Nach-Schübe einen Fast-Unfall bei der Garderobe verursacht. Und wüsste ich es manchmal nicht besser, würde ich mich während des Wartens auf die Erdbeertage langsam fragen, ob sich da wohl etwas ankündigt (falls ihr hier mitlest, liebe Chefs: keine Angst, da besteht keine Gefahr). Immer wieder kam mir in diesen Situationen die Diskussion der Frauen-Runde in den Sinn und jedes Mal wünschte ich mir, ich hätte die Mens-Tasse in einer ruhigen Minute schon mal ausprobiert. Denn von unberechenbaren Experimenten hatte ich die Nase ziemlich voll. Wenn ich damit aus dem Haus gehe, so sagte ich mir, will ich auch sicher sein, dass es «verhebät».
Früher ein Utensil für Schmerzfreie
Als ich letzthin an einem freien Tag in einem grösseren Drogeriemarkt stand, beschloss ich, statt der üblichen sieben Franken für eine Packung Tampons die gut 25 Franken in Silikon zu investieren. A propos Silikon: Als ich im Internet zu diesem für mich neuen Hygiene-Produkt recherchierte, merkte ich, dass wir Frauen uns glücklich schätzen können, dass wir nicht mehr im 19. oder Anfangs 20. Jahrhundert leben.
Denn die Ursprünge der Menskappe gehen auf ein Patent aus dem Jahr 1867 zurück. Damals sah das Instrument eher einem Keuschheitsgürtel ähnlich und es schmerzt einen nur schon vom Anschauen. 1937 erfand dann die amerikanische Künstlerin Leona Chalmers den «Chalmers Cup», welcher der heutigen Mens-Tasse schon ziemlich ähnlich sieht. Allerdings – und da wären wir bei den Vorzügen des Silikons – war Chalmers Kelch aus relativ unformbarem Material. Wer eine solche Tasse verwenden wollte, durfte nicht zimperlich sein.
Ist das ernsthaft der bestmögliche Schutz?
Da erging es mir besser. Die gekaufte Mens-Tasse machte meine kritische Inspektion mit Knautschen, falten und rumzupfen geduldig mit. Dennoch war Tag eins der Testphase etwas ernüchternd: Wohlwissend, dass es beim Sitz und damit dem richtigen Schutz der Tasse auf die Grösse ankommt, hatte ich mich im Vorfeld auch informiert, ob für mich eine S, eine M oder L geeignet ist und kaufte entsprechend ein.
Trotz richtiger Grösse war ich froh, hatte ich sicherheitshalber noch eine Binde ins Höschen gelegt. Wenn dies der bestmögliche Schutz mit der Tasse ist, dachte ich mir, fliegt sie rasch wieder aus meiner Hit-Liste raus.
Liebe auf den zweiten Blick
Doch so schnell wollte ich nicht nicht aufgeben. Am Abend schaute ich mir in aller Ruhe ein Video an, wie man die Tasse richtig platziert und gab dem schweinchenrosaroten Kelch nochmals eine Chance. Nun ging es besser und die Nacht und den folgenden Tag habe ich ohne weitere Zwischenfälle verbracht.
Nach jahrelanger Übung in der Handhabung von Tampons musste ich mir in Erinnerung rufen, dass die Beziehung mit dem Baumwoll-Stöpsel auch nicht von Anfang an die harmonischste war. So brauchte ich, wie viele andere Frauen wohl auch, einige Anläufe, bis es während der Tage nicht zwickte oder raussickerte zwischen den Beinen. Weil ich von Natur aus Dinge, die ich für gut befinde, nicht leichtfertig über den Haufen werfe, fliegen die Tampons der angebrochenen Packungen zu Hause noch nicht grad in den Abfall. Aber in der Tendenz werde ich über kurz oder lang wohl auch zu einem Rubyliever, wie es meine Arbeitskollegin nennt – abgeleitet vom Produktnamen eines Menstassen-Herstellers.
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