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Zweisprachige Spielgruppe fördert Migrantenkinder

Migrantenkinder werden in der Schweiz schlecht integriert. Zu diesem Resultat kam eine vor kurzem veröffentlichte Studie der Entwicklungsorganisation OECD. Dass es auch anders geht, zeigt der 2009 gegründete Verein BiLiKid. Zweisprachige Spielgruppen sollen bei der Integration von Migrantenkindern helfen.

Zweisprachige Spielgruppen helfen bei der Integration von Migrantenkindern
In der zweisprachigen Integrationsspielgruppe in Winterthur Töss finden Migrantenkinder alles, was das Herz begehrt: Puzzles, Spiele und vieles mehr!

«Mit welcher Farbe möchtet ihr eure Tiere bemalen?», fragt Spielgruppenleiterin Karin Lötscher die sechs Jungen und vier Mädchen, die mit farbigen Händen am Tisch sitzen. Sie alle haben Tiervorlagen vor sich; Schmetterlinge, Giraffen und Delphine. «Mavi», schreit es aus einer Ecke. «Und auf Schweizerdeutsch?» Die Antwort ertönt fast einstimmig: «Blau!» 

Karin Lötscher und Tuba Gönç sind Leiterinnen einer zweisprachigen Integrationsspielgruppe (türkisch/schweizerdeutsch) in Winterthur Töss. Neben fünf anderen Spielgruppen gehört diese zum Verein BiLiKid, der sich seit dem Jahr 2009 für Kinder mit Migrationshintergrund einsetzt. Dass solche Angebote wichtig sind, zeigt eine vor kurzem veröffentlichte Studie der OECD. Diese kam zum Ergebnis, dass frühkindliche Förderung von Migrantenkindern in der Schweiz noch überraschend wenig verbreitet ist. In der Folge verharren Kinder von niedrig qualifizierten Migranten auf einem vergleichsweise tiefen Bildungsniveau und können sich oft nur am Rande des Arbeitsmarktes eingliedern.

BiLiKid als Brücke zwischen zwei Kulturen

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Zweisprachige Spielgruppe Winterthur Töss: Geschichte auf türkisch

Spielgruppenleiterin Tuba Gönç erzählt den Kindern die Geschichte des Osterhasen auf türkisch. Foto: Jasmine Helbling

Gegründet wurde BiLiKid von Dr. Mesut Gönç und seiner Frau Tuba Gönç. Beide haben bereits über zehn Jahre Erfahrung mit Integrationsprojekten. Vor ihrer Tätigkeit als Spielgruppenleiterin bei BiLiKid hat Tuba Gönç «Heimatliche Sprache und Kultur» (HSK) im Kanton Zürich unterrichtet, Mesut Gönç war unter anderem in der sozialpädagogischen Familienbegleitung tätig. Bei der Arbeit mit Migranten bemerkte das Ehepaar, dass fremdsprachige Kinder im Kindergarten oft nicht gut zurechtkommen und Probleme bei der Integration haben. BiLiKid soll dies ändern. Die zweisprachigen Spielgruppen bestehen aus höchstens zehn Kindern, die sich einen Morgen in der Woche zum Spielen und Werken treffen. Sobald die Kinder einigermassen mit schweizerdeutsch vertraut sind, empfiehlt BiLiKid als Ergänzung zur zweisprachigen Spielgruppe eine einsprachige.

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Geleitet werden diese Stunden von zwei Spielgruppenleiterinnen, von welchen eine die Muttersprache der Kinder und eine die Fremdsprache Schweizerdeutsch spricht.
Das Umfeld der Spielgruppe ist freundlich; überall hängen Zeichnungen, Spielsachen gibt es in Hülle und Fülle. Wenn die Leiterinnen in der Pause mit allen zehn Kindern am Tisch sitzen, ergibt sich das Bild einer grossen Familie. Bevor Äpfel und Salzbretzel gegessen werden, fassen sich alle an den Händen. Die Kinder wünschen sich nicht nur einen «Guten Appetit», sondern auch «Afiyet olsun». «BiLiKid soll eine Brücke zwischen zwei Kulturen schlagen», erklärt Tuba Gönç. «Dies geschieht nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell: Bereits alle Kinder kennen die Geschichte vom Osterhasen. »

Sprachliche Förderung für eine höhere Akzeptanz

Ziel der Spielgruppen ist das Optimieren von körperlichen, emotionalen, kognitiven und vor allem auch sprachlichen Fertigkeiten der Kinder zwischen drei und fünf Jahren. Sie sollen nicht nur mit der Schweizer Sprache bekannt gemacht werden, sondern auch ihre Muttersprache vertiefen. «Viele Eltern sprechen mit ihren Kindern im türkischen Dialekt, unsere Leiterinnen beharren jedoch auf Standardsprache. Schweizerdeutsch schafft ein Zugehörigkeitsgefühl und stärkt die Schweizerische Identität», erklärt Mesut Gönç. Oft fehlt Kindern, welche die Schweizer Landessprache noch nicht so gut verstehen, das Selbstvertrauen. Tuba Gönç empfiehlt den Eltern deshalb, auch zu Hause regelmässig in beiden Sprachen zu kommunizieren. Wichtig ist dabei, dass der eine Elternteil nur die Muttersprache spricht, der andere nur die Fremdsprache. «Mischsprachen verwirren die Kinder!»
Die Zweisprachigkeit der BiLiKid-Spielgruppen kommt laut Mesut Gönç nicht nur den Kindern entgegen: «Wir möchten eng mit Eltern zusammenarbeiten und planen immer wieder Elternveranstaltungen. Das geschieht am besten in der Muttersprache.»

Weitere Spielgruppen sollen entstehen

BiLiKid hat bereits fünf Spielgruppen in Winterthur, Dietikon, Uster und Dübendorf eröffnet. Neben dem deutsch- und türkischsprachigen Personal ist es Geschäftsleiter Mesut Gönç vor kurzem auch gelungen, Spielgruppenleiterinnen für die Fremdsprache Portugiesisch in Dübendorf zu finden. Finanzielle Unterstützung erhält BiLiKid von den Gemeinden, dem Kanton und dem Bund. Interessierte Eltern bezahlen ungefähr 700 Franken im Jahr, müssen jedoch mit Wartelisten rechnen, da die bestehenden Spielgruppen meist bereits vor den Sommerferien voll sind. Ob weitere Spielgruppen geplant sind, hängt laut Mesut Gönç vor allem von den Subventionen ab: «Wenn wir weiterhin unterstützt werden, würden wir unser Angebot gerne ausbauen. Vor allem die Nachfrage bei albanisch sprechenden Eltern ist gross.»

Weiterführende Links zu zweisprachigen Spielgruppen

Fremdsprachige Krippen und Spielgruppen im Raum Zürich: www.zuerichfamilie.ch
Fun English: englisch www.funenglish.ch
Crèche Pilutje: englisch www.pilutje.com

 

Text und Fotos: Jasmine Helbling im März 2012

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