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Kinder, seid ihr anstrengend!

Eltern dürfen offen zugeben, dass Kinder auch anstrengend sind. Welche Entwicklungsphase kostet am meisten Nerven: das Babyalter, die Kleindkindphase oder die Schulzeit? Sechs Mütter berichten von ihren Erfahrungen und erklären, was ihnen in schwierigen Phasen geholfen hat.

Kinder können manchmal sehr anstrengend sein.
Erziehung kann auch mal Wüste sein. Aber wenn Kinder anstrengend sind, ist es meist auch eine Phase, die wieder vorbei geht. Foto: Josh Willink - Pexels

Obwohl sich viele werdende Eltern auf eine anstrengende Zeit mit dem Baby einstellen, sind sie doch überrascht wie fordernd ein schreiender und nicht schlafender Säugling sein kann. Noch überraschter sind manche, wenn das Kind in die Trotzphase kommt, sich heulend auf den Boden wirft und immer noch nicht durchschläft. So anstrengend hatten sie sich das Leben mit einem Kleinkind nicht vorgestellt. Auch später kommen schwierige Entwicklungsphasen: der Eintritt in Kindergarten und Schule ist für viele Kinder eine grosse Umstellung. In der Pubertät geraten Eltern und Kinder häufig aneinander. Auch das kann nervenaufreibend sein.

Doch was schön ist, darf auch anstrengend sein. Wir haben bei Schweizer Müttern und Bloggerinnen nachgefragt, wann ihre Kinder am anstrengendsten waren und was Ihnen in schwierigen Zeiten geholfen hat.

Heidi von theswissmiss.ch: «Ich musste lernen, dass es ok ist, nicht immer alles im Griff zu haben»

«Für mich persönlich war das erste halbe Jahr mit meinem ersten Kind am anstrengendsten. Erstens, weil ich selber sehr unsicher war und ständig Angst hatte etwas falsch zu machen und zweitens, weil mein Sohn sehr oft Bauchweh hatte und dadurch nächtelang nicht schlief. Überhaupt der Übergang von 100 Prozent berufstätig zu 100 Prozent Mutter fiel mir nicht so leicht wie gedacht. Ich musste lernen, dass es ok ist, nicht immer alles im Griff zu haben. Ausserdem hatte ich tolle Unterstützung von meiner Familie, welche mit Rat und Tat zur Seite standen.

Mein bester Tipp ist eigentlich nicht auf Tipps von anderen zu hören - denn erstens kommt es anders und zweitens als geplant. Ich hatte vor der Geburt viel über die Zeit mit einem Neugeborenen gelesen und dachte, ich wüsste Bescheid. Doch dann kam alles anders und gutgemeinte Tipps von anderen Müttern nervten mich. Von einer Freundin habe ich das Buch «Jedes Kind kann schlafen lernen» bekommen. Das ganze Konzept  - «Das Baby auch mal weinen lassen und es nicht immer gleich hochheben» - war mir zuwider. Nach nur einer Woche gab ich es wieder auf, weil ich mit der Uhr in der Hand weinend auf dem Sofa sass und dachte, ich müsste jetzt wie in dem Buch beschrieben noch fünf Minuten warten bis ich das weinende Kind beruhigen darf. Erst als ich lernte ganz auf meinen eigenen Instinkt zu hören, ging es mir und komischerweise auch meinem Kind besser. Seither empfinde ich das Muttersein zum grössten Teil als sehr schön und erfüllend und lasse mich nicht mehr so schnell aus der Ruhe bringen.»

Heidi bloggt unter theswissmiss.ch über das, was sie persönlich als alleinerziehende Mutter bewegt und beschäftigt. Sie wohnt mit ihren beiden zehn und dreizehn Jahre alten Kindern in der Nähe von Basel. Auf ihrer Seite können Sie ausserdem Heidis LoveNotes, Kärtchen mit positiven Botschaften für Schulkinder, bestellen.

Miriam von themama: «Nicht so viel Fachliteratur lesen»

«Das erste Jahr ist am anstrengendsten. Zwar schlafen die Babys viel, aber bis sich die Verdauung reguliert und man das Baby besser kennt, vergehen ein paar Monate. Ausserdem finde ich den Übergang vom Stillen, über den Brei bis hin zur festen Nahrung mühsam. Ich empfehlen, wann immer es anstrengend wird, einfach diesen Satz mehrmals laut vor sich hin sagen: Es ist alles nur eine Phase! Denn irgendwann sind diese anstrengenden Phasen vorbei. Meine Tipps: Nicht so viel Fachliteratur lesen, Ruhe bewahren und auf den Bauch hören. Ich bin froh, habe ich keinerlei Ratgeber gelesen. Denn ich würde mich nur verrückt machen. Jedes Kind ist anders und deshalb bringt es auch nichts, mit anderen Kindern zu vergleichen, welche dieses und jenes vielleicht schon früher oder besser können. Wenn man dem Kind sein eigenes Tempo lässt, klappt’s von ganz alleine.»

Miriam schreibt unter themama.ch über ihre Familie, über Erlebnisse und Erfahrungen als Mama. Sie ist 31 Jahre alt, wohnt in einem Dorf im Schweizer Mittelland und ist etwas über ein halbes Dutzend Jahre verheiratet. Ende Juli 2012 ist sie über Nacht mit der Julimaus «Nanna» Mama geworden und Mitte April 2014 ist Aprilbohne «Sia» dazu gekommen. Seither geniessen sie zu viert ihr Familienglück.

Julia von fraujuliusnaeht: «Schlafentzug kombiniert mit einem herausfordernden Alltag ist mit das Anstrengendste»

«Im Moment empfinde ich die Kombination aus trotzendem Kleinkind und einer sehr selbstbewussten Fünfjährigen sehr anstrengend. Wir stecken also grade mitten drin. Ansonsten haben mir die drei Monate nach der Geburt der zweiten Tochter sehr viel abverlangt. Sie musste sehr viel getragen werden, war auch in der Nacht alle zwei Stunden wach. Neben der nervlichen Herausforderung, kam ich auch körperlich einer Erschöpfung nahe. Ich hatte schlicht keine Kraft mehr sie stundenlang zu schleppen. Auch jetzt mit über zwei Jahren schläft sie eher schlecht, beinahe jede Nacht bin ich mindestens einmal wach. Ich glaube, der Schlafentzug kombiniert mit einem herausfordernden Alltag ist mit das Anstrengendste überhaupt.

Bei der grossen Tochter ist das Grenzen setzen und halten sehr anstrengend. Auch kommen in dieser Chinsdgi-Phase-Konflikte mit Gspänli und unterschiedliche Ansichten der Mütter dazu. Das empfinde ich als Herausforderung, weil es neu für uns ist. Sehr anstrengend empfinde ich zudem die Lautstärke in unserem Alltag. Unsere Töchter sind sehr stimmgewaltig, sehr gerne auch in Hochfrequenztönen.

Was mir hilft diese Zeit zu überstehen ist vor allem auf mich selbst zu achten. Schon vor der Geburt der ersten Tochter gaben mir ältere Frauen einen Rat, den ich bis heute befolge: Mittagspause halten. Die Kinder brauchen es sowieso und ich noch viel mehr. Da bin ich wirklich streng, diese eine Stunde gehört mir. Die Grosse schätzt es sich eine Weile zurückzuziehen und ungestört in ihrem Zimmer zu spielen. Sie weiss genau: Mama ist in dieser Zeit auf dem Sofa und macht Pause. Ich höre immer wieder von Freundinnen, dass sie die Mittagspause der Kinder nutzen um die Küche aufzuräumen, das Bad zu putzen, den Boden zu wischen. Aber sie kommen kaum dazu Kraft zu tanken. Denn wenn der Boden sauber ist, ist der Mittagsschlaf des Babys vorbei und der Alltag hat sie wieder voll im Griff. Ich kann einen schmutzigen Mittagstisch sehr gut aushalten, Zeit zum Putzen hab ich später auch noch. Auch ist mir mein Mann eine grosse Hilfe mit den Kindern. Wenn ich in der Nacht ein paar mal aufstehen musste, übernimmt er zum Beispiel am Morgen das Anziehen der Kinder und das Zmorge parat machen.»

Julia bietet unter fraujuliusnaeht handgenähte Kleider für Baby und Kleinkinder an. Ausserdem bloggt sie über Neuigkeiten aus ihrer Nähstube und über Schönes und Kreatives aus ihrem Alltag. Ihre Töchter sind fünf und zwei Jahre alt. Sie wohnen im Züri Wyland.

Karin von lutz-bommer.blogspot.ch: Anstrengende Zeit mit Schulkindern

«Wir haben vier Kinder, vom Alter her ziemlich nah beieinander. Es gab ein Jahr, in dem alle vier zuhause waren. Wir haben mit Stoffwindeln gewickelt, Brei selbst gekocht, ein Jahr lang gestillt und geschlafen haben unsere Kinder nie so richtig brav. Das war eine grosse Herausforderung vor allem an Energie, Nerven und Schlafmanko. Doch im Rückblick wunderschön.

Momentan besuchen unsere Kinder sowohl Schule als auch Kindergarten und ich empfinde wieder anderes als streng. Ich kann meine Kinder nicht mehr einfach anziehen und mit ihnen in den Wald gehen, wenn ich das Gefühl habe, wir bräuchten das gerade dringend. Ich bin fremdbestimmt und koordiniere Termine, habe zuhause stets den Blick auf der Uhr, um ja nie zu vergessen, ein Kind rechtzeitig zu schicken oder eins zuhause in Empfang zu nehmen. Ich lese ständig auf Elternbriefen und Schuldaten nach, wann was stattfindet und wann ich welchem Kind was mitgeben muss oder ob es speziell angezogen sein muss. Das braucht sehr viel Organisation, Disziplin und Überblick. Das ist auf eine andere Art anstrengend.

Bald beginnt die Phase der Pubertät, was bestimmt nochmals eine Herausforderung wird. Aber dennoch: Ich finde es wunderbar, all diese Phasen mit Kindern erleben zu dürfen. Ich habe die Babyphase genossen, all das Kuscheln und Co. und jetzt ist diese Phase abgeschlossen und ich freue mich über meine bereits wieder älteren Kinder, mit denen ich streiten, diskutieren und über Gott und die Welt reden kann. Ich kann sagen: «Anziehen, wir machen einen Ausflug» und sie ziehen sich selbstständig an. Ich kann wieder anspruchsvollere Orte wie Museen besuchen.

Energie geschöpft habe ich immer aus den Kindern selbst. Sie anzuschauen und sich dem Glück bewusst werden, dass einem solche Kinder geschenkt wurden, solch wunderbare Geschöpfe, die einen nur anzulächeln brauchen und schon ist alle Müdigkeit, aller Ärger verflogen.»

Unter lutz-bommer.blogspot.ch bloggt Karin über ihre Familie für Verwandte und Freunde in der Ferne. Besonders schön sind die Monatsrückblicke als Fotogalerie. Ihre Kinder, drei Mädchen und ein Bube, sind 5, 7, 8 und 9 Jahre alt. Die Familie wohnt in einem kleinen Bergdorf in Graubünden. Ihr Mann und sie arbeiten beide Teilzeit, sie im Bereich Bildung, er ist Informatiker.

Nikola von lolabrause.ch: «Es tut weh, da man als Eltern lernen muss los zu lassen»

«Jedes Alter hat Freuden und Tücken. Ich bin Mutter von zwei Jungen (16 Jahre und 7 Jahre) und finde das Alter meines älteren Sohnes momentan sehr anstrengend, da der Erziehungsprozess bei einem Pubertierenden definitiv abgeschlossen ist. Man kann als Elternteil nur hoffen, dass man in der Vergangenheit alles richtig gemacht hat und muss Vertrauen aufbauen, dass aus dem Kind auch etwas Anständiges wird. Alle Erziehungsmassnahmen, die man bei den kleinen Kindern anwenden kann, wie beispielsweise «Wenn du nicht artig bist, bekommst du keinen Dessert» sind bei einem fast Erwachsenen absolut hinfällig. Trotzdem ist es schön, wenn man sich auf einmal auf Augenhöhe begegnen kann. Aber es tut weh, da man als Eltern lernen muss los zu lassen. Das Kind ist flügge geworden ist und geht seinen eigenen Weg. Deshalb muss ich persönlich immer lächeln, wenn ich mich mit Müttern unterhalte, wo die Kinder noch klein sind und diese sich über die Trotzphase ihrer Kinder beklagen. 

Ich finde es immer schwierig Tipps zu geben. Ich muss an meine erste Hebamme denken, welche etwas sehr Schönes gesagt hat. Nachdem ich sie nach Erziehungsratgebern und Stillbüchern gefragt hatte, meinte sie zu mir: «Das brauchst du alles nicht, höre auf den Herz!» Deshalb versuche ich mit meinen Jungs sehr intuitiv umzugehen, was meistens ganz gut gelingt.»

Nikola Sprung führt zusammen mit Ece Widmer unter lolabrause.ch einen Online-Veranstaltungskalender für Kinder. Die Kommunkationsdesignerin ist Mutter eines Siebenjährigen und eines Sechzehnjährigen.  Seit acht Jahren lebt sie in Zürich.

Deborah von mamaleone.ch: «Wir befinden uns langsam aber sicher in der Nein-Nein-Nein-Phase»

«Meine Tochter ist 20 Monate jung. Nachdem wir die ersten Monate Schlafmangel gut überstanden haben, befinden wir uns langsam aber sicher in der Nein-Nein-Nein-Phase. Oft gelingt es uns Eltern dies mit einem Schmunzeln anzusehen und es hinzunehmen. Aber manchmal ist es einfach nur anstrengend. Persönlich jedoch empfinde ich diese Phase als ein wichtiges Kapitel zur Charakterbildung eines Menschen. Ich möchte ihr dies zugestehen und ihr die Zeit geben, ganz sich selbst zu werden. Ich und mein Mann sind Anhänger des Positive-Parenting. Das heisst wir wollen Eltern sein, die viel Positives erzählen und sich auf Gutes konzentrieren und das auch vorleben.

Ich finde folgende Situationen schwierig:

  • Wechselwirkungen, in denen weder Eltern noch Kind glücklich sind.
  • Situationen, in der alle angespannt und energielos sind, zum Beispiel bei Grippezeit.
  • Momente, in denen ein Individuum zu kurz gekommen ist. Manchmal ist es auch schwierig für alle da zu sein.
  • Herausfordernde Situationen, bei denen das Kind noch zusätzlich als Katalysator wirkt. Zum Beispiel ein anstrengender Tag im Büro, zu Hause meckert die Frau, die auch einen anstrengenden Tag hatte, die Kinder finden das Essen nicht gut und so weiter.

Meine persönliche Empfindung ist, dass jede Entwicklungszeit, Eltern (und auch das Kind) auf ganz eigene Weise fordert. Jede Phase ist schön und anstrengend zugleich. Ganz ehrlich, ich musste mich daran gewöhnen einen neuen Schlafrhythmus aufdiktiert zu bekommen. Nun kenne ich gar nichts anderes mehr.

Meine Tipps für schwierige Zeiten mit den Kindern:

  • Tief durchatmen und auf zehn zählen (optional auf fünf) dann auf das Geschehen (oft auch Geschrei) antworten.
  • Sich in die Kindeslage versetzen – Was ist momentan für das Kind so schwierig? Empathie hilft unglaublich.
  • Ein bisschen Ablenkung. Bei allen Dingen finde ich, ist es nicht der richtige Weg, aber wir haben hier oft ein Problem mit dem Anziehen und da hilft ein kurzes Youtube-Video von Frozen oder König der Löwen wahre Wunder.
  • Oft hilft einfach eine Umarmung. Es braucht manchmal ein bisschen Überwindung (so aus dem Streit heraus). Einfach mal ausprobieren.
  • Sich mit Gleichgesinnten treffen und austauschen.
  • Hilfe annehmen! Bevor man nicht mehr kann. Ich rate jedem, der eine gute Vertrauensperson hat, von eben dieser ein bisschen Hilfe dankbar anzunehmen. Sei es mal für eine Stunde, um zum Coiffeur zu gehen, mal eine Stunde schlafen oder jemand, der einem hilft die Wäsche zu falten.
  • Sich bewusst machen, dass das Kind nicht immer auf einen angewiesen sein wird. Die Chancen stehen gut, dass es das mit 20 Jahren nicht mehr will. 
  • Dem Kind zeigen und erklären, wenn man selbst nicht mehr kann. Wir Eltern sind zwar Superhelden, aber auch wir dürfen Schwächen haben und diese zeigen. Oft verstehen Kinder dann, was Sache ist.
  • Sich Inseln schaffen. Bei allem Eltern-sein an sich denken, das tut gut. Sich was Gutes tun, wenn die Kids schlafen. Glückliche Eltern haben glückliche Kinder.»

Moon, Sea & We LogoDeborah Shkodra ist Lifestyle- und Mama-Bloggerin. Sie schreibt auf moonseaandwe.com über die schönen Dinge des Lebens und gibt Inspirationen fürs Elternsein. Mit ihrem Mann und ihrer fast Zweijährigen Tochter wohnt sie mal hier und mal da, im Moment auf dem Land in der Zentralschweiz.

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