Kind > Erziehung

Autoaggressives Verhalten bei Kleinkindern: Hilfe, mein Kind schlägt sich selbst!

Sich schlagen, den Kopf an die Wand hauen, Haare ausreissen – für manche Kleinkinder in der Trotzphase ist selbstverletzendes Verhalten der einzige Weg, mit intensiven Gefühlen fertig zu werden. Für Eltern können diese Momente erschreckend sein, aber es ist essenziell, dass du ruhig bleibst. Stelle sicher, dass sich dein Kind nicht weh macht und gib ihm Raum für seine Emotionen. Falls du dir Sorgen machst, oder dir die Wutanfälle unnormal stark vorkommen, solltest du das Gespräch mit dem Kinderarzt suchen.

Frustration und Wut sind neue Emotionen für Kleinkinder.
Frustration und Wut sind neue Emotionen für Kleinkinder. © Getty Images, Magove

Selbstverletzendes Verhalten bei Kleinkindern: Das Wichtigste in Kürze

Die kleine Elena spielt mit ihren Bauklötzen, doch das Häuschen will einfach nicht stehen. Immer wieder purzeln die Klötze zu Boden. Elenas Frust wächst, bis sie irgendwann wütend zu schreien anfängt und sich selbst immer wieder gegen die Stirn schlägt. Autoaggressives Verhalten ist bei Kleinkindern nicht selten. Doch was müssen Eltern im Umgang damit lernen? Und wie kann man den Kleinen dabei helfen, anders mit schwierigen Gefühlen umzugehen?

Was ist autoaggressives Verhalten bei Kindern?

Von autoaggressivem Verhalten spricht man, wenn man sich selbst verletzt. Selbstverletzendes Verhalten tritt manchmal bei Kleinkindern von zwei bis vier auf, die den Umgang mit ihren Emotionen noch nicht gelernt haben. «Selbstverletzendes Verhalten bei älteren Kleinkindern sehen wir häufig im Rahmen der Autonomiephase», erzählt Familienbegleiterin Eva Monteneri. 20 bis 30 Prozent aller Kleinkinder erleben eine schwere Trotzphase. Während dieser Zeit treten neben den für die Phase normalen Wutausbrüchen auch oftmals Selbstverletzungen auf. Eltern beobachten dann zum Beispiel, wie sich ein Kind selbst schlägt oder den Kopf auf den Fussboden haut.

Über Eva Monteneri

Eva Monteneri, Familienbegleiterin
Eva Monteneri © zVg

Eva Monteneri, selbst Mutter von zwei Kindern, ist als Familienbegleiterin tätig. Sie ist ausgebildete Pflegefachfrau mit Schwerpunkt Kind und Familie sowie dipl. Expertin in pädiatrischer Intensivpflege.

Ihr findet Eva Monteneri über ihre Website stelline-beratung.ch und auf Instagram unter @stelline_familienbegleitung

Was bedeutet es, wenn ein Kleinkind sich selbst schlägt?

Wenn ein Kleinkind sich selber schlägt, ist dies meist ein Ventil, um Gefühle zu verarbeiten. Das ist laut der Familienbegleiterin Eva Monteneri aber kein Grund zur Sorge: «Autoaggressives Verhalten ist bis zum Kindergartenalter ein Stück weit normal. Es geht darum, sich zu spüren und Druck abzubauen.» Die Kleinen können noch nicht konstruktiv mit ihren Emotionen umgehen und diese regulieren. Manche finden dann im autoaggressiven Verhalten eine Lösung, Druck abzubauen. Heisst: Frust, Wut und auch Trauer werden abgebaut, indem das Kind sich selbst schlägt oder sich weh macht.

💡Ursachen für autoaggressives Verhalten bei Kindern💡

Die Grundemotion bei autoaggressivem Verhalten ist meist Frustration oder Hilflosigkeit. Diese Gefühle erlebt ein Kleinkind in verschiedenen Situationen. Wir erläutern einige Beispiele zum besseren Verständnis.

  • Beim Spielen funktioniert etwas nicht so, wie das Kind es möchte.
  • Das Kind hat ein Problem, findet aber noch keine Worte dafür.
  • Dem Kind wird ein Wunsch verweigert, wie beispielsweise Schoggi oder Fernsehen.
  • Das Kind hat Hunger, Durst oder ein anderes körperliches Bedürfnis bzw. Unwohlsein und kann es nicht ausdrücken.
  • Das Kind schlägt sich beim Einschlafen zur Beruhigung

Also keine Sorgen: Wenn sich dein Kleinkind autoaggressiv verhält und sich selbst schlägt, ist das bis zu einem gewissen Grade normal. Wichtig ist es dann, ruhig zu reagieren und dem Kind dabei zu helfen, seine Gefühle zu verarbeiten.

Mein Kind schlägt sich selbst: Was kann ich tun?

Wenn sich dein Kind selbst schlägt und sich autoaggressiv verhält, ist es wichtig, ruhig zu bleiben. Bleibe bei deinem Kind und gib ihm Raum für seine Emotionen.

Achte darauf, dass sich dein Kind nicht verletzt. Wenn es zum Beispiel den Kopf gegen den Fussboden haut, kannst du ein Kissen darunter legen. Wenn es sich selbst schlägt, kannst du sanft die Hände deines Kleinen festhalten.

Wenn sich dein Kind beruhigt hat, kannst du das Gespräch suchen sowie Trost und Hilfe bieten. Nimm die Gefühle deines Kindes ernst und höre ihm zu.

💤 Mein Kind schlägt sich beim Einschlafen 💤

Dein Kleinkind schlägt zum Einschlafen sein Köpfchen an die Wand?

«Bei älteren Babys, etwa zwischen dem ersten und zweiten Geburtstag, gibt es ein gewisses rhythmisches Bewegungsmuster, dass auch mit Selbstverletzung einhergehen kann», sagt Monteneri. «Das typische Beispiel ist das Baby im Gitterbettchen, welches den Kopf rhythmisch gegen die Gitterstäbe haut. Das ist gar nicht so selten.»

Es wird vermutet, dass die Bewegung beruhigend wirkt und beim einschlummern hilft. Normalerweise hören die Kinder bis zum vierten Lebensjahr damit auf.

Falls du aber denkst, dass dein Kind sich dabei verletzen könnte oder dein Kind eigentlich zu alt für dieses Verhalten ist, solltest du mit einem Kinderarzt sprechen.

So solltest du nicht reagieren, wenn sich dein Kind schlägt

Du solltest auf jeden Fall vermeiden, dein Kind anzuschreien, wenn es sich autoaggressiv verhält. Dies bringt die Emotionen nur noch mehr zum Kochen und vermittelt dem Kind, dass Wutschreie etwas Normales sind.

Auch solltest du dein Kind in diesen Situationen nicht bestechen. Wenn dein Kind Süssigkeiten bekommt, um mit dem Schlagen aufzuhören, hat es bloss gelernt, wie man Süssigkeiten kriegt. Nicht aber, wie es mit seinen Emotionen umgehen soll.

Es kann unsagbar schwierig sein, in solchen Extremsituationen ruhig zu bleiben, aber es ist der schnellste Weg, die Lage zu entschärfen.

Wutausbrüche von Kleinkindern sind oftmals überfordernd für die Eltern.
Wutausbrüche von Kleinkindern sind oftmals überfordernd für die Eltern. © Getty Images, AaronAamat

Selbstverletzendes Verhalten: Wann zum Arzt?

«Wenn sich Eltern Sorgen machen und einen Blick von aussen wünschen, können sie sich jederzeit an einen Kinderarzt wenden», sagt Familienbegleiterin Monteneri. «Autoaggressives Verhalten im Kleinkindalter ist vor allem normal, wenn sich das Kind in einer akuten Stresssituation befindet. Dies kann beispielsweise die Eingewöhnung in der Kita, ein Umzug oder die Trennung der Eltern sein. Wenn so eine Stresssituation vorliegt, kann man warten, bis sich diese beruhigt hat.»

Wenn die Wutanfälle deines Kleinkindes sehr lange andauern oder dir ungewöhnlich stark vorkommen, solltest du unbedingt das Gespräch mit dem Kinderarzt suchen. Auch wenn du eine Verletzungsgefahr im Verhalten deines Kindes siehst, ist der Arzt deine Ansprechperson. In seltenen Fällen weist selbstverletzendes Verhalten im Kleinkindalter auf psychische Probleme hin. Dann gilt: Je schneller das Kind professionelle Hilfe und eine Therapie erhält, desto besser.

Selbstverletzendes Verhalten bei Jugendlichen

Auch Jugendliche wissen mit ihren Gefühlen manchmal nicht umzugehen.
Auch Jugendliche wissen mit ihren Gefühlen manchmal nicht umzugehen. © Getty Images, Finn Hafemann

Selbstverletzendes Verhalten kommt nicht nur bei Kleinkindern vor. Auch Jugendliche drücken ihr seelisches Leiden manchmal damit aus. Lies in unserem Artikel mehr darüber. 

Neueste Artikel

Beliebte Artikel