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«Ich sterbe vor Langeweile!» So sollten Eltern reagieren

Eltern fühlen sich manchmal wie Entertainer. Aber wer permanent ein Bespassungsangebot bereit hält, tut nicht nur sich, sondern und auch den Kindern keinen Gefallen. Warum Langeweile Kindern gut tut.

Eltern müssen nicht immer mit Kindern spielen, auch wenn sie Langeweile haben.
An einem Regentag kommt schnell Langeweile auf. Müssen Eltern jetzt die Kids bespassen? Bild: AleksandarNakic, Getty Images Plus

Stellen Sie sich vor: Es ist Sonntag, draussen regnet’s oder schneit’s, und man hat endlich mal wieder Zeit, die ganzen Zeitschriften der letzten paar Wochen durchzublättern oder endlich den spannenden Roman zu Ende zu lesen. Schön, wenn derweil die Kleinen in ihren Zimmern spielen.

Erfahrungsgemäss dauert die Idylle aber nicht lange. Die ganz Kleinen kommen an, wandern ziellos im Wohnzimmer herum, sind quengelig oder sehr anhänglich. Die grösseren artikulieren sich deutlicher, indem sie den magischen Satz sagen: «Mir ist so langweilig.» Viele Mütter oder Väter legen darauf Buch und Zeitschriften zur Seite und schlüpfen in die Rolle des Alleinunterhalters: Sie machen Vorschläge, holen Spielzeug hervor, versuchen das Kind zu diversen Aktivitäten zu animieren.

Kinder müssen auch lernen selbstständig zu spielen

Dass Eltern auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen, ist grundsätzlich richtig. Wenn die Kleinen nicht wissen, was sie tun sollen, erwarten sie natürlich von ihren Eltern, dass diese ihnen helfen. Oft aber schiessen Eltern mit ihren Beschäftigungsangeboten übers Ziel hinaus. Die Kinder lernen nicht, selbständig zu spielen, weil sie gewohnt sind, dass Eltern ständig Ideen produzieren und Programme gestalten.

Natürlich kann man von einem Dreijährigen nicht erwarten, dass er stundenlang mucksmäuschenstill dasitzt und Bauklötze stapelt. Ebensowenig aber kann man von Müttern und Vätern erwarten, dass sie einen Nachmittag lang Türme bauen und sich die Aktivität des Kleinen aufs Umwerfen beschränkt. Hier gilt es, den richtigen Mittelweg zu finden – und dieser ist abhängig vom Alter des Kindes, seinem Temperament, aber auch von seiner Tagesform. An manchen Tagen brauchen Kinder eben mehr Zuwendung als an anderen, wo sie wie die «Grossen» sein und alles alleine machen möchten.

Langeweile befluegelt die Fantasie der Kinder.
Langeweile beflügelt die Fantasie der Kinder. Bild: Pixabay

In jedem Fall aber gilt: Mit einem Rund-um-die-Uhr-Animationsprogramm tut man dem Kind keinen Gefallen, denn Langeweile hat auch den Zweck, das Kind zu Kreativität anzuregen, weil es der Leere Ideenreichtum entgegensetzen muss. Diesen Moment der Leere oder gar der Verdrossenheit benötigt jede Art Kreativität. Das Kind (und die Eltern) müssen lernen, diese Langeweile auszuhalten. Denn wenn dem Kind jedes Mal ein Beschäftigungsprogramm geboten wird, sobald ihm selber nichts mehr einfällt, dann glaubt es schnell einmal, Langeweile sei ein Problem, das andere für einen lösen müssen.

Kinder brauchen beides: Wiederholung und Veränderung

Eine wichtige Voraussetzung, damit ein Kind alleine spielen lernt, ist eine anregende Umgebung, die aber ungefährlich sein muss. Ein anderthalbjähriges Kind kann sich gut eine Viertelstunde lang alleine mit dem WC-Papier beschäftigen, und ein Dreijähriges kann problemlos eine halbe Stunde lang in der Küche 'abwaschen’ – allerdings wird danach die Küche überschwemmt sein und das Abwaschmittel aufgebraucht.

Für Kinder ist es wichtig, dass sie Spielsachen und Gegenstände haben, die Wiederholungen und Veränderungen zulassen. Wiederholungen geben dem Kind Sicherheit und es beginnt damit, die Welt zu begreifen. Veränderung braucht es, um seine Neugier zu stillen und komplexere Zusammenhänge zu begreifen.

Kleine Anregungen geben

Ganz wichtig ist aber auch, dass Kinder immer mal wieder Aufmerksamkeit und Rückmeldungen bekommen. Schon kleine Säuglinge vergewissern sich, wenn sie etwas ergreifen, was ein Erwachsener davon hält. Und die grösseren präsentieren voller Stolz ihr Legohaus oder die Blume, die sie gezeichnet haben. Der geeignetste Spielort, um alleine spielen zu lernen, ist deshalb da, wo andere Familienmitglieder sind, die auch mit etwas anderem beschäftigt sein können. Das Kind wird sich im entscheidenden Augenblick den Spielpartner holen, wenn es ihn braucht.

Und dann sollten die Eltern auch bereit sein, eine Zeitlang mitzuspielen. Manchmal braucht es nämlich nur einen kleinen Schubs von Mami oder Papi, eine kleine Anregung oder einen neuen Reiz, damit das Spiel wieder spannend wird.

Das hilft gegen Langeweile

  • Fertigspielzeug ist langweilig. Viel besser lässt es sich mit Tüchern, Gefässen, (ungefährlichen) Küchenutensilien oder Kartonschachteln spielen.
  • Verkleiden ist immer schön. Statt in die Altkleidersammlung gibt man ausgediente Schuhe oder bunte Kleidung in eine Verkleidungskiste.
  • Ab nach draussen. Auch wenn das Wetter nicht dazu animiert: Draussen ist immer etwas los und es finden sich tausend Möglichkeiten, etwas zu spielen.
  • «Helfen» – das tun die meisten Kinder gerne. Sei es im Garten, in der Küche oder beim Putzen, die Kleinen machen meist begeistert mit. Auch wenn sie keine wirkliche Hilfe sind, sie haben Spass dabei und lernen eine Menge.
  • Noch mehr Anregungen gibt es hier: 77 Tipps gegen Langweile

 

 

Text: Marianne Siegenthaler

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