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Mehrsprachig erziehen hat viele Vorteile

In vielen Schweizer Familien werden verschiedene Sprachen gesprochen. Nicht nur die Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch dominieren in vielen Häusern. Auch Migranten bringen ihre Heimatsprachen ins Land. Für die Kinder ergibt sich dadurch die Möglichkeit, früh mehrere Sprachen zu lernen.

Kleinen Kindern fällt es leicht, eine zweite Sprache zu erlernen.
Früh mit dem Sprachen erlernen anzufangen hat viele Vorteile. Foto: © Steven Cukrov | Dreamstime.com

Mustafa ist sechs Jahre alt. Seine Mutter stammt aus der Türkei und spricht ausschliesslich in seiner Muttersprache mit ihm. Kein Wunder, dass Mustafa Türkisch genauso gut beherrscht wie andere Kinder in seinem Alter, die in der Türkei leben. Gleichzeitig spricht er auch fliessend Deutsch – das hat er in Gesprächen mit seinem deutschen Vater, von seinen älteren Geschwistern und nicht zuletzt im Kindergarten gelernt. Mustafa beherrscht also schon zwei Sprachen. Ein Idealfall, den sich viele Eltern für ihre Kind erträumen. Denn längst ist bekannt: Mehrsprachig aufzuwachsen hat viele Vorteile.

Früh Sprachen lernen: die Vorteile

Kleinen Kindern fällt eine zweite Sprache mühelos zu. Ihr Gehirn lernt allein durch Zuhören. «Jüngere Kinder gehen unbefangen an den Lerngegenstand Sprache heran, haben ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis und Freude am Imitieren. Diese positiven Faktoren sollten genutzt werden, bevor sich dieses ‚Lernfenster‘ in der späteren Kindheit wieder schliesst», zu diesem Ergebnis ist die Arbeitsgruppe «Sprachenkonzept» des Departements für Erziehung und Kultur des Kantons Thurgau gekommen.

Eltern, die ihr Kind mehrsprachig aufwachsen lassen, fördern darüber hinaus sein Gedächtnis. Schliesslich muss das Gehirn die doppelte Anzahl von Wörter abspeichern. Ausserdem entwickeln viele Kindern, die früh zwei Sprachen gelernt haben, ein besonderes Feingefühl für Grammatik. Auch analytische Fähigkeiten werden durch das ständige Vergleichen der beiden Sprachen geschult.

Früh Sprachen lernen in zweisprachigen Kinderkrippen

Viele Eltern aus Familien, in denen – wie meist üblich – nur eine Sprache gesprochen wird, wünschen sich, auch ihr Kind könnte von klein auf eine zweite Sprache lernen – und dabei Einblicke in eine andere Kultur nehmen. Eine Lösung kann der zweisprachige Kindergarten sein. Hier reden unterschiedliche Erzieher in unterschiedlichen Sprachen mit den Kindern, meist in der Umgebungssprache und einer Fremdsprache – zum Beispiel Englisch. Auch Lernspiele und Lieder in Englisch tragen dazu bei, mehr und mehr in die fremde Sprache einzutauchen und sie sich nach und nach anzueignen.

Mehrsprachig erziehen: Keine Überforderung

Immer wieder befürchten Eltern, sie könnten ihre Kinder überfordern, wenn sie es früh mit zwei Sprachen konfrontieren. Das Staatsinstitut für Frühpädagogik München beruhigt: «Kinder können gut von klein auf zwei oder sogar drei Sprachen lernen. Aussagen von Forschenden der Gehirnneurologie, Sprachlernforschung und Lernpsychologie kommen übereinstimmend zum Schluss, dass das menschliche Gehirn fähig ist, mehrere Sprachen gleichzeitig zu lernen. Deshalb ist die Überforderung in der Sprachlernforschung kein Thema.»

Für das Lernen zweier Sprachen gleichzeitig benötigen Kinder, die von Geburt an diese Sprachen hören, nicht einmal mehr Zeit als Kinder, die einsprachig aufwachsen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Wissenschaftlerin Laura-Ann Petitto vom Department of Psychological and Brain Science des Dartmouth College im US-Bundesstaat New Hampshire.

Mehrsprachig erziehen: In der Muttersprache reden

Oft bekommen Migranten den Rat: «Reden Sie mit Ihrem Kind in der Sprache, die in der Umgebung gesprochen wird», also zum Beispiel Deutsch, «dann hat es das Kind später in der Schule leichter.» Doch: «Dieser Rat ist falsch», warnt das Staatsinstitut für Frühpädagik in München in seinem «Leitfaden für Eltern». «Wählen Sie stattdessen die Sprache, in der Sie ganz spontan und natürlich sprechen – meistens ist das die Muttersprache. In dieser Sprache kennen Sie die meisten Wörter und wissen, wie die Sätze gebaut sind.» So bekommt das Kind eine gutes Gefühl für Sprache, das ihm hilft, später die Sprache der Umgebung zu lernen. «Kinder, die eine Sprache sehr gut beherrschen, lernen meist auch die zweite Sprache, die Umgebungs- und Schulsprache, ohne Probleme», betont das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt. Der Kindergarten bietet dafür eine gute Gelegenheit.

Damit ein Kind sich sprachlich gut entwickelt, ist es sinnvoll, folgende Tipps zu beherzigen:

Immer in derselben Sprache reden

«Das Kind muss eine bestimmte Sprache mit einer bestimmten Person in Verbindung bringen können. Es weiss dann, die Mama spricht so, der Papa so, beim Essen sprechen wir so», so das Staatsinstitut für Frühpädagik in München. Reden Mutter oder Vater dagegen mit dem Kind mal in der Muttersprache, mal in der Umgebungssprache, kann das Kind nicht lernen, die Sprachen zu unterscheiden. Dann besteht die grosse Gefahr, dass es keine der beiden Sprachen richtig lernt. Dadurch wird sein Denk- und Lernvermögen beeinträchtigt: Weil es sich nicht richtig ausdrücken kann, kann es auch Gedanken weniger differenziert entwickeln.

Locker bleiben

Ein Kind darf Fehler machen und die Sprachen vermischen. Fehler gehören zum Lernen und treten umso seltener auf, je länger das Kind die Sprachen lernt.

Keinen Druck ausüben

Manchmal will ein Kind plötzlich nur noch eine Sprache sprechen – zum Beispiel Deutsch. Dann antwortet es auch in dieser Sprache, wenn sein Vater oder die Mutter es in einer anderen Sprache anspricht. Viele Eltern fürchten , das Kind könne die Sprache ablehnen und dadurch nicht lernen. «Solche Phasen sind ganz normal. Wenn Sie selbst konsequent bleiben und weiter in Ihrer Muttersprache mit dem Kind reden, dann geht sie nicht verloren. Es lernt weiter, als Zuhörer – und wird sicherlich diese Sprache später auch wieder sprechen», beruhigt das Staatsinstitut für Frühpädagik in München.

Weiterführende Links zum Thema mehrsprachig erziehen

  • Leitfaden für Eltern, deren Kinder zweisprachig aufwachsen: www.erz.be.ch
  • Informationen zur frühlindlichen Zweisprachigkeit: www.zweisprachigkeit.net
  • Buch: Gelebte Zweisprachigkeit. Wie erziehe ich mein Kind zweisprachig? Von Bogumila Baumgartner. RabenStückVerlag 2010.

 

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