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Susy Utzinger im Interview: «Mein Treibstoff ist das Tierleid.»

Tierschützerin, Journalistin, Hundemama – Susy Utzinger erklärt im Interview, was sie vom Hundekauf im Internet hält, worauf es bei einer Tierrettung ankommt und warum Tierschutz nicht bedeutet, alle Tiere retten zu können.

Susy Utzinger: Tierschützerin aus Leidenschaft im Interview mit Familienleben.
Susy Utzinger schaut nicht weg, wenn Tiere leiden.     Bild: zVg

Ihr Buch trägt den Titel «Heimatlos». Was bedeutet für Sie Heimat?

Zum einen sind das für mich Menschen, zu denen ich einen engen Bezug und tiefes Vertrauen habe – dazu können auch Tiere gehören. Und zum anderen ist es eine Heimat, die man in sich selbst finden muss: Wenn man sagen kann: «Egal, wo ich bin, ich bin zuhause.»

Sie erzählen im Buch von Ihrer schwierigen Kindheit. Dabei spielten Tiere schon früh eine wichtige Rolle – seien es als Haustiere oder in der Tierambulanz Ihres Vaters.

In einer wichtigen, prägenden Phase meines Lebens war ich sehr oft allein zuhause. Nur meine Tiere waren immer da. Das gibt eine enge Verbindung und das war etwas, woran ich mich festhielt. In der Tierambulanz half ich bereits im Alter von acht Jahren mit, machte den nächtlichen Telefondienst oder war dabei, wenn verletzte Tiere zum Tierarzt gebracht wurden. Die Arbeit in der Tierambulanz hatte ganz klar einen Einfluss auf mein heutiges Fachwissen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wie wirkten sich die Einsätze für die Tierambulanz auf Sie und Ihr weiteres Leben aus?

Ich denke, die Arbeit hat mich hauptsächlich positiv geprägt. Bereits von klein auf mit dem Leid von Tieren, aber auch deren Rettung, in Berührung zu kommen, hat mir viel gelehrt. So konnte ich mir ein System verinnerlichen, wie ich mich bei Einsätzen verhalten und wo Prioritäten setzen muss. Es gibt immer wieder Einsätze, die einem Nahe gehen, einen traurig oder wütend machen. Mit solchen Gefühlen muss man lernen umzugehen. Ich habe früh gelernt, meine Bedürfnisse zurückzustellen und mich auf das Problem und vor allem dessen Lösung zu fokussieren. Das ist das A und O im Tierschutz.

Tierschützerin Susy Utzinger bei einem Rettungseinsatz.
Tierschützerin und Hundemama - Susy Utzinger.

Mittlerweile leiten und unterstützen Sie verschiedene Tierrettungsorganisationen wie die «Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz» oder das Tierheim Pfötli. Sie sind aber auch immer wieder bei Auslandseinsätzen dabei, wie beispielsweise in Rumänien. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie zu einem Rettungsort unterwegs sind?

Ich stelle mir die Situation vor Ort und allfällige Probleme genau vor. Möglichst viel wird im Voraus besprochen, um vor Ort direkt mit der Arbeit beginnen zu können. Wir haben immer zu wenig Zeit, daher muss das Ziel des Einsatzes für alle klar sein und jeder muss genau wissen, was er zu tun hat, sobald wir aus dem Auto steigen. Auch die emotionale Seite muss im Voraus besprochen werden: Vor Ort bleibt keine Zeit für Gefühlsausbrüche, der straffe Zeitplan erfordert schnelle Abläufe und strukturierte Helfer. Diese erhalten dafür alle ein Einzelzimmer, wo sie sich am Abend auch mal zurückziehen und die Erlebnisse des Tages verdauen können.

Was ist Ihr persönlicher Treibstoff, um sich unentwegt für Tiere einzusetzen?

Mein Treibstoff ist das Tierleid. Wie viele andere Menschen kann ich es auch nicht anschauen, und deshalb mache ich was dagegen. Aber ich versuche den Schmerz, den ich dabei empfinde, in Energie umzuwandeln. Eigentlich ist es nackter Egoismus, denn ich will, dass das Leid irgendwann aufhört!

Wird Ihnen die Arbeit auch manchmal zu viel?

Es ist bitter, wenn man merkt, dass ein Einsatzziel unerreichbar bleibt. In solchen Momenten muss ich mich an unseren alten Einsätzen und Erfolgen festhalten und in Erinnerung rufen, was wir schon geschafft haben. Es gibt auch immer wieder Tierheime, die wir aufgeben müssen, da wir zu verschiedene Vorstellungen von Tierschutz haben und so nicht vorwärtskommen. Wir können nur da helfen, wo wir auch etwas bewirken können. Das sind wir auch unseren Spendern schuldig.

Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz (SUST)

Seit 2000 setzt sich die SUST für nachhaltigen Tierschutz ein. Ziel ist es, eine bessere Lebensqualität der Tierheimtiere zu erreichen und der Überpopulation herumstreunender Tiere durch Kastrationsprojekte entgegenzuwirken. Zudem informiert die Stiftung über tierschutzrelevante Themen, um die Bevölkerung für die herrschenden Umstände zu sensibilisieren. Mehr Infos auf susyutzinger.ch

Wenn wir gerade bei den verschiedenen Vorstellungen von Tierschutz sind. Woran erkenne ich, ob ein Tierschutz seriös ist und mit seiner Arbeit den Tieren wirklich helfen und nicht einfach Geld machen will?

Das ist sehr schwer, da es vor allem im Internet einen richtigen Boom mit Hundehandel aus Rumänien gibt. Die Lösung des Problems ist aber nicht, möglichst viele Hunde in die Schweiz zu holen, das geht schon rechnerisch nicht auf. Ich spreche mich ganz klar gegen den unseriösen Internethandel aus! Hunde werden für viel Geld angeboten, meist mit Slogans wie «Wenn Du den Hund nicht nimmst, wird er morgen getötet!» Und dann kommen die Tiere in die Schweiz, haben doch ein, zwei Probleme mehr als angenommen und wandern am Schluss wieder von Tierheim zu Tierheim. Oder werden eingeschläfert, ohne je richtige Rettung erfahren zu haben.

Wir haben unseren Hund auch über eine Tierschützerin vermittelt bekommen. Vor der Übergabe kam sie mit ihm bei uns vorbei, um sich ein Bild seines neuen Zuhauses zu machen. Ist das die übliche Praxis?

So wäre es wünschenswert. Jeder Hund, egal aus welchem Land er kommt, hat eine seriöse Platzierung verdient, doch der Aufwand dafür ist gross. Die Familie sollte mit dem Tier besucht und offene Fragen abgeklärt werden, und natürlich muss die Chemie stimmen.

Was empfehlen Sie Familien, die überlegen, einen Hund aus dem Ausland aufzunehmen?

Wenn du einen Hund aus Rumänien willst, dann geh nach Rumänien. Man kann eine Kulturreise unternehmen und die Umstände sowie das Tier vor Ort kennenlernen. Das ist immer sehr eindrücklich und hilft, sich der Situation bewusst zu werden. Oder man geht ins Tierheim und sucht sich einen passenden Vierbeiner aus. Aber egal, ob es ein Schweizer Hund oder einer aus dem Ausland ist: Man übernimmt Verantwortung für ein anderes Lebewesen, welches fortan ein Familienmitglied ist und auch so umsorgt werden möchte.

Susy Utzinger erzählt in «Heimatlos» aus ihrem Leben als Tierschützerin.

Buchtipp: «Heimatlos» von Susy Utzinger

Susy Utzinger ist leidenschaftliche Tierschützerin. Im Oktober 2017 ist ihr Buch «Heimatlos» erschienen, aufgezeichnet von der Journalistin und Autorin Franziska K. Müller. Im Buch erzählt Utzinger von ihrer Liebe zu Tieren, ihren unermüdlichen Einsätzen als Tierschützerin im In- und Ausland, aber auch von ihrer schwierigen Kindheit.

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