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Einfach aufgeräumt mit Kindern

Eben noch war das Wohnzimmer aufgeräumt, ein paar Minuten später lässt sich kaum noch ein Fuss hineinsetzen. Kinder können in Rekordzeit Chaos ins System bringen - ein Zustand, den Eltern nicht immer leicht ertragen können.

Mit Hilfe von Boxen wird das Kinderzimmer einfach aufgeräumt.
Einfach und effektiv: Wenn Kinder ihre Spielsachen in Boxen verstauen können, wirkt das Kinderzimmer gleich viel ordentlicher. (Bild: Monika Adamczyk/Hemera, Thinkstock)

Puh – es war eine gute Stange Arbeit, Ordnung im Wohnzimmer zu schaffen. Zum Glück ist jetzt aufgeräumt, denn dem anstrengenden Tag soll ein gemütlicher Abend mit Gästen folgen. Doch schon fünf Minuten später ist der Boden voller Sofakissen – nein, voller «Steine im reissenden Fluss», wie das Kind korrigiert. Und der Tisch, der eigentlich gedeckt werden soll, ist die sichere Insel, von der aus es sich prima ins Wasser springen lässt …

«Aufgeräumt» und «toll gespielt» passen nicht zusammen

Die beeindruckende Fähigkeit von Kindern, im Handumdrehen Räume in abenteuerliche Spielwelten zu verwandeln, kann Eltern stark an die Nerven gehen. Kinder dagegen können nicht verstehen, was Eltern an Ordnung schätzen. Sie wollen spielen. «Spielen ist ein Grundbedürfnis von Kindern», darauf weist die Kinder- und Jugendorganisation «Pro Juventute» hin. «Im Spiel können sich Kinder auf ihre individuelle Art und Weise ausdrücken und lernen, die Welt zu verstehen.» Doch «toll gespielt» und «aufgeräumt» passen nicht zusammen.

Balance zwischen «aufgeräumt» und «Chaos» halten

Dennoch müssen Eltern und Kinder nicht im Chaos versinken. Es gilt, eine gute Balance zwischen den beiden Polen «Perfekt aufgeräumt!» und «Unordnung» zu finden. Schliesslich ist Ordnung auch für Kinder wichtig: Sie schafft Übersicht in einer Welt, die Kinder erst kennenlernen müssen. Nicht nur die Jahreszeiten, der Tag-Nacht-Wechsel, der Alltag, liebevolle Rituale wie Tischsprüche, Vorlese-Stunden und Wochenend-Ausflüge, auch ein Zimmer, das halbwegs aufgeräumt ist, sorgt für Orientierung und damit für Sicherheit.

Zu viel Unordnung führt dagegen dazu, geliebte Dinge mehr zu suchen als zu finden. Kleine Kinder brechen in Tränen aus, wenn sie nicht wissen, wo ihr Kuscheltier steckt. Und ältere Kinder geraten in eine Krise, wenn Handy, Geldbörse oder Schulheft fehlen. «Jedes Ding an seinen Ort und einen Ort für jedes Ding macht des Suchens Müh‘ gering», so lautet ein Sprichwort.

So viel Ordnung muss sein

«Kinder sollten wissen: Wenn sie auf dem Fussboden treten, auf den Sesseln sitzen, auf dem Tisch schreiben oder essen wollen, müssen sie wegräumen, was da rumliegt», so Helga Gürtler, Diplom-Psychologin aus Berlin und Autorin verschiedener Erziehungs-Ratgeber. Sie setzt auf Lernen durch Erfahrung: Wenn die neue Playmobil-Figur im Durcheinander verloren gehe, dann sei ein Punkt erreicht, an dem auch die Kleinen ins Grübeln kommen. «Oft beginnen sie dann von selbst aufzuräumen, mit grossem Eifer.»

Grenzen findet jedes Chaos darüber hinaus in den hygienischen Notwendigkeiten. Benutzte Papiertaschentücher in den Müll zu werfen, um andere vor Ansteckung zu schützen, ist eine Selbstverständlichkeit. Genauso werden nasse Kleidungsstücke nicht auf den Boden geworfen, sondern zum Trocknen aufgehängt. Und zum Essen und Trinken sind ausschliesslich die Küche und das Esszimmer da.

aufgeräumt mit Kinder

Kinder brauchen ihren Platz zum Spielen. Bild: BananaStock-Thinkstock

So viel Chaos darf sein

Sinnvoll ist es, im Familienrat zu besprechen, wo gespielt werden darf. Nur im Kinderzimmer – oder auch im Wohnzimmer? Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kinder gerne da spielen, wo die Eltern in der Nähe sind. Wann wird das Kinderzimmer wieder aufgeräumt, wann werden andere Räume wieder in Ordnung gebracht? Regeln tun gut. So könnte zum Beispiel vereinbart werden: Die Spielsachen im Kinderzimmer werden einmal pro Woche sortiert, im Wohnzimmer muss dagegen jeden Abend aufgeräumt werden.

Klar, dass Ausnahmen die Regel bestätigen dürfen. Sicher würde es einem Kind das Herz brechen, die tolle Konstruktion aus Bauklötzen, die am Nachmittag gebaut hat, am Abend wieder einreissen zu müssen – vor allem dann, wenn das Projekt am nächsten Tag fortgesetzt werden soll. Wenn sich allerdings keiner mehr für den Turm interessiert, ist die Zeit gekommen, die Klötze zurück in die Kiste zu werfen. Zurück bleibt ein Foto des Turms samt Erbauer als Andenken.

Halbwegs aufgeräumt ist besser als gar nicht aufgeräumt

Perfekte Ordnung kann von Kindern nicht erwartet werden. Mit dem Satz «Räum jetzt mal endlich auf!» sind Kinder in der Regel überfordert. Kindergartenkinder können allenfalls beim Aufräumen ein bisschen mithelfen. Auch Primarschulkindern fällt es schwer, Ordnung zu schaffen. Da kann es sinnvoll sein, in der Nähe zu bleiben und mit sanftem Nachdruck und ein paar Hinweisen weiter zu helfen. Grundsätzlich gilt: Halbwegs aufgeräumt ist besser als gar nicht aufgeräumt. Wer sein Kind motivieren will, Dinge zu sortieren, erkennt seine Bemühungen an, anstatt hervorzuheben, was noch nicht gelungen ist.

Oft allerdings halten sich Kinder nicht an die vorgegebene Ordnung – sie haben ganz andere Vorstellungen, welches Spielzeug an welche Stelle gehört. «Kinder haben durchaus Ordnungssinn», sagt Dr. Ulrich Herrmann, emeritierter Professor für Pädagogik in Tübingen. «Sie schaffen sich aber eine eigene Ordnung!» Zumindest in einem Teil ihres eigenen Zimmers sollten Kinder die Möglichkeit haben, ihre eigenen Ordnungsvorstellungen zu entwickeln. Die Erfahrung lehrt: Kinder finden viel wieder – vorausgesetzt, die Erwachsene räumen ihre Sachen nicht weg.

Schnell aufgeräumt:

  • Spielzeugkisten anschaffen: Spielzeugkisten erleichtern das Aufräumen. Mit Hilfe von Aufklebern können die Kinder erkennen, welches Spielzeug in welche Kiste gehört.
  • Spielzeug ausmisten: Das grösste Chaos entsteht in überfüllten Zimmern. Sinnvoll ist es deshalb, mit dem Kind zusammen regelmässig auszumisten. Womit seit Monaten nicht gespielt wurde, kann für eine Zeit in den Keller wandern. An langweiligen Tagen kann es dann wieder neu entdeckt werden. Was grundsätzlich uninteressant ist, lässt sich verschenken oder verkaufen.
  • Spielerisch vorgehen: Aufräumen muss keine ernste Angelegenheit sein! Wenn sich alle vorstellen, das Zimmer sei ein Heissluftballon, der zu sinken droht, weil er überladen ist, macht das Aufräumen mehr Spass!

Buchtipp zum Aufräumen

Aufräumen? Mach ich morgen! Geschichten von Monty Maulwurf. Von Susanne Mais und Greta Carolat. Arena-Verlag.

 

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